"Heute geht es um Dich, um mich, um uns alle. Zusammen." Die Schauspielerin und Autorin Charlotte Roche ist dabei. Und das deutsche Gesicht der Fridays for Future-Bewegung Luisa Neubauer. Sie haben ein launiges Video produziert.
"Es geht um die Zukunft unserer Zivilisation. Und wie wir zusammen die größte Krise der Menschheit lösen können. Die Lösung gibt es jetzt bei Startnext zu kaufen. Für nur 29,95 Euro könnt Ihr Euer Ticket zur größten Krisensitzung Deutschlands kaufen."
Mehr als zwei Millionen Euro sind auf diesem Weg bis Anfang der Woche zusammengekommen, mehr als 28.000 Menschen ist dieses Event 30 Euro oder mehr wert – der Mietvertrag für das Berliner Olympiastadion kann unterschrieben werden.
"Dann kam Größenwahn hinzu"
"Das Ding heißt jetzt Olympia. Oder der 12.6.2020", sagt Elisa Naranjo vom Kondomhersteller Einhorn. Das Unternehmen, das von sich selber behauptet, nur faire und nachhaltige Produkte zu verkaufen, tritt am 12. Juni als offizieller Veranstalter auf. "Im letzten Sommer haben wir mit den Fridays for Future ein kleines Klima- und Demokratie-Festival organisiert, erzählt Elisa Naranjo. Das war so erfolgreich, dass wir beschlossen, es zu wiederholen.
"Dann kam Größenwahn hinzu. Und dann haben wir überlegt, was so die größte Fläche in Berlin ist, und so kamen wir aufs Olympiastadion."
"Als ich das erste Mal davon gehört hatte, habe ich tatsächlich gedacht, dass das ein Scherz ist", sagt Gregor Hagedorn. Der Biologe und Informatiker ist aktiv bei den Scientists for Future. Als ich dann verstand, dass sie das wirklich machen wollen, fand ich das einen sehr sympathischen Größenwahn tatsächlich."
Gregor Hagedorn und Elisa Naranjo sitzen in einem Kreuzberger Hinterhausbüro. Die Wände fast bis unter die Decke vollgeklebt mit selbstgemalten Fridays for Future Plakaten. "Es kommt anders, wenn man denkt" ist da zu lesen, "Eco, not Ego", oder "Unfuck the world". Dazwischen eine Greta Thunberg im Goldrahmen.
50.000 Unterschriften für die Anhörung vor dem Petitionsausschuss
Jetzt, wo genügend Geld für das Olympiastadion da ist, geht es an die inhaltliche Planung für Freitag, den 12. Juni 2020. Reden von prominenten Klimaschützerinnen und Wissenschaftlern soll es geben, natürlich Musik, außerdem wollen die Aktivisten Petitionen zu den Themen Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Soziale Gerechtigkeit verabschieden. Kommen mehr als 50.000 Unterstützerinnen und Unterstützer zusammen, kann das Anliegen persönlich im Petitionsausschuss des Bundestags vorgetragen werden.[*] Ins Berliner Olympiastadion passen bis zu 90.000 Leute, diese Hürde ist also leicht zu nehmen.
Elisa Naranjo formuliert ihre Traumvorstellung vom großen Klima- und Demokratiefestival so: "Dass wir Lösungen erlebbar machen, das ist so ein bisschen die Vorstellung. Also nicht nur die Petitionen und Frontalbeschallung, sondern dass die Leute auch danach wissen, dass kann ich persönlich tun, als Arbeitnehmer, als Arbeitgeber, hier kann ich mich dieser Initiative anschließen, hier kann ich eine eigene Initiative ins Leben rufen und hier habe ich schon zehn Leute gefunden, die das Gleiche wollen."
"Wir streicheln den Kapitalismus zu Tode"
Die Reaktionen in den sozialen Medien sind gespalten – von "Juchu, so retten wir die Welt" – bis: "Wir streicheln den Kapitalismus zu Tode". Die Kritik von links ist klar und eindeutig:
"Die Crowd sollte meiner Meinung nach auf die Straßen vor die Orte der Macht und diese möglichst blockieren und nicht sich selbst in einer Arena ghettoisieren."
"Heuchlerisch und stumpf finde ich Versprechen von Veränderungen in Lichtgeschwindigkeit und Lösungen für die größte Krise des Planeten für 29,95. Was soll das denn?"
"Es ist ein schönes Demokratietheater. Dekadent, zynisch gegenüber denen, die unter der aktuellen Situation leiden. Aber die sind in der Paywall- und Eventdemokratie ohnehin ausgesperrt."
"Machen wir uns nichts vor: Hier wurde eine Bewegung durch ein Start-up instrumentalisiert und populäre Köpfe von Fridays for Future tragen daran die Schuld."
"Heuchlerisch und stumpf finde ich Versprechen von Veränderungen in Lichtgeschwindigkeit und Lösungen für die größte Krise des Planeten für 29,95. Was soll das denn?"
"Es ist ein schönes Demokratietheater. Dekadent, zynisch gegenüber denen, die unter der aktuellen Situation leiden. Aber die sind in der Paywall- und Eventdemokratie ohnehin ausgesperrt."
"Machen wir uns nichts vor: Hier wurde eine Bewegung durch ein Start-up instrumentalisiert und populäre Köpfe von Fridays for Future tragen daran die Schuld."
Dass ein Wirtschaftsunternehmen – eben der Kondomhersteller Einhorn - und kein gemeinnütziger Verein als offizieller Veranstalter auftritt, dies bereitet einigen Aktivistinnen und Aktivisten Bauchschmerzen. Auch und gerade Politikern der Linken wie Lorenz Gösta Beutin. Der Bundestagsabgeordnete ist klima- und energiepolitischer Sprecher seiner Fraktion.
Ein Marketingerfolg für den Kondomhersteller?
"Es ist zumindest die Gefahr, dass das ein bisschen als Marketingveranstaltung für dieses Wirtschaftsunternehmen wahrgenommen wird. Und dass es auch ein bisschen mit wirtschaftlichen Interessen verknüpft ist. Zumal der Titel "Let´s unfuck the world" ja doch sehr auf den Kondomhersteller verweist, das hat schon ein kleines Geschmäckle."
Zweiter Kritikpunkt: Anders als bei einer Klimademo ist der Zugang ins Olympiastadion beschränkt – ein Ticket für knapp 30 Euro kann und will nicht jeder bezahlen. "30 Euro sind natürlich happig für so ein Event, da ist die Frage, wer kann sich das leisten. Und da werden sicher nicht Menschen aus einkommensschwachen Regionen hinkommen, sondern diejenigen, die sich so ein Event auch leisten können."
Die Veranstalter halten dagegen: Etwa 40 Prozent der Tickets würden unentgeltlich vergeben. Außerdem würden die gesamten Einnahmen auf ein Treuhandkonto wandern, Einhorn-Mitarbeiterin Elisa Naranjo verspricht totale Transparenz.
Der Veranstalter hofft die Massen mobilisieren
"Es kostet Geld, auch eine Demo kostet Geld. Und wir hatten die Wahl, ok, wir können diese Kosten decken, indem wir das gemeinsam finanzieren, oder wir greifen auf Sponsoren zurück. Und wir haben uns dafür entschieden, ok, wir wollen das aus unserer Kraft selber finanzieren."
Der 12. Juni 2020 kann kommen – vielleicht ist "Olympia" auch die Geburtsstunde eines völlig neuen erfolgreichen Politikformates, das entfernt an einen Evangelischen Kirchentag erinnert. Die etablierten Parteien, aber auch Nicht-Regierungsorganisationen sind schon aufmerksam geworden – und auch ein bisschen neidisch.
"Wir kommen morgens ins Olympiastadion. Wir fühlen uns klein und machtlos. Abends gehen wir nach Hause als Crew von 90.000 und haben etwas verändert. Wir haben gehandelt, als wir noch Zeit hatten. Wir haben gelernt, als wir noch konnten. Wir haben diskutiert und uns eingebracht. Es klingt wie eine Utopie. Du kannst sie wahr werden lassen."
[*] Anders als es im Text zunächst hieß, braucht es laut Grundgesetz Art. 17 nur eine einzelne Person, um eine Petition in den Ausschuss einzubringen. 50.000 Unterschriften braucht es, damit der Petent oder die Petentin persönlich sein Anliegen vor dem Ausschuss vortragen kann.
Das fehlerhafte Audio haben wir gelöscht, es wird zeitnah korrigiert.
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