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''Everything Everything''
Pop eigenartig neu definiert

"Everything Everything" aus Manchester sind das Beste Beispiel dafür, dass sich Fleiß und eine klare Linie auszahlen. Ihr erstes Album nannten Kritiker "verkopft", das zweite war schon eingängiger, verspielter, elektronischer – und erfolgreicher. Bei ihrem dritten, jetzt erschienenen Album "Get to heaven" bleiben keine Fragen offen.

Von Amy Zayed | 20.06.2015
    Eine Discokugel, aufgenommen am 04.12.2012 in München (Bayern)
    Mit ihrem neuen Album "Get the heaven" haben Everything Everything auf ihre eigene Art neu definiert. (dpa picture alliance / Tobias Hase)
    "Wir wollten auf diesem Album richtig Aggressionen rauslassen. Auf den beiden letzten haben wir es eher ruhiger angehen lassen. Aber hier sollte es darum gehen, auf den Putz zu hauen und Energie rauszulassen."
    'Everything Everything' aus Manchester definieren auf ihrer neuen Platte "Get to heaven" den Pop auf ihre ganz eigene Art neu, und zeigen, dass sie weitaus mehr können, als man ihnen zu Anfang ihrer Karriere zugetraut hat.
    Von den Verkopften, behäbigen Songs von damals ist nichts mehr zu hören! Sänger Jonathan Higgins und seine drei Mitstreiter verquirlen gängige Pop-elemente wie R&B, Hiphop und Dance mit Genres, die man eher nicht erwartet.
    Postpunk, Synthiepop oder Rock! Während der Song "Tot he blade" aus einer Mischung aus Higgs souligem Gesang, einem Schuss Synthisizer und einem kräftigen Rockgitarrensolo besteht, ist hingegen der Titel "Distant past" von ein bisschen Synthiepop, Hiphop und Higgs ganz eigener Definition von Rap geprägt.
    "Mir war klar, dass ich nie so rappen können werde, wie irgend so ein cooler Typ aus Brooklyn. Ich bin weiss, ich bin Engländer und hab den Lebensstil eines Hip Hoppers nie erlebt."
    "Ich bin einfach nur Fan schwarzer Musik. Ich würde mich also zum Affen mache, wenn ich so täte, als könnte ich wirklich rappen."
    "Also habe ich eine Art Mischung aus Gesang und Rap versucht. Ich flirte mit dem Genre, ohne es zu kopieren, oder zu beleidigen und mich dabei selbst zum Horst zu machen."
    Die vier Jungs aus Manchester haben ein ganz klares Ziel. Sie wollen im Radio gespielt werden, und darauf arbeiten sie konsequent hin. Aber sie wollen dabei authentisch bleiben. Daher gibt es auf der fünften CD sogenannte Radiosongs, die alle sehr melodisch sind, und aus dem ganz eigenen ursprünglichen Gemisch der Band bestehen. Die anderen Songs wiederum sind teilweise minutenlange Klanglandschaften. Musikalische Geschichten, die aus Synthesizern, Sphärenklängen und Jonathan Higgs's teilweise fast weinerlichen Gesang bestehen.
    Eigene Definition von Pop kreiert
    Dies klingt aber in keiner Weise behäbig oder verkopft, sondern oft eher verspielt oder gar verträumt, und es wird auch nie langweilig, anstrengend oder gar nervend.
    Textlich bleibt Higgs aber seinem ursprünglichen Konzept treu. Er hinterfragt allgemeine Situationen im Leben. Vor allem menschliche Emotionen, Stärken und Schwächen.
    "Im Song 'Zero Pharao' frage ich mich, wieviel Macht Menschen eigentlich wirklich verkraften können, ohne vollkommen den Boden unter den Füßen zu verlieren. Die Pharaonen waren wohl die letzten, die dieses Machtgefühl bis zum bitteren Ende ausgekostet haben. Klar will jeder heute immer noch Macht und Geld haben, aber niemand lässt sich Sklaven mit ins Grab geben, damit sie einen wohlbehalten in die andere Welt geleiten. Aber seien wir mal ehrlich. Wie weit würden wir wirklich gehen, wenn wir könnten?"
    Wenn die Platte eines schafft, dann ist es den Hörer zu unterhalten, und zwar volle 11 Songs lang! Die vier Briten haben es tatsächlich geschafft, ihre eigene Definition von intelligentem Pop zu kreieren. Pop, der mehr ist, als zuckersüßer Gesang, banale Texte und immer wiederkehrende Beats.
    Radiotauglichkeit mit Sperrigkeit zu vermischen, das Unmögliche möglich zu machen ist eine schwere Aufgabe. Eine Aufgabe, die 'Everything Everything' nicht schlecht gemeistert haben. Jetzt muss also eigentlich nur noch ihr Wunsch in Erfüllung gehen, nämlich dass sie öfter im Radio zu hören sind.