Wenn Genetiker über die Aufspaltung einer Art sprechen, dann fällt regelmäßig der Begriff der Molekularen Uhr. Diese beschreibt nicht nur, wann und wie schnell sich verschiedene Spezies entwickelt haben, sondern vor allem, wann ihre letzten gemeinsamen Vorfahren gelebt haben. Im Laufe der Generationen entstehen immer mehr kleine Mutationen im Erbgut. Laut Theorie treten diese genetischen Veränderungen mit einer bestimmten durchschnittlichen Frequenz auf. Doch um wichtige Entwicklungsschritte genau datieren zu können, ist dieser statistische Ansatz zu ungenau. Martyna Molak arbeitet deshalb an einem präziseren Verfahren.
"Zu wissen, wie schnell bestimmte Entwicklungsschritte abliefen, ist eine sehr wichtige Information, die Forscher benötigen, wenn sie sich mit Evolution befassen. Daher versuche ich, die beste molekulare Uhr zu entwickeln, die man haben kann.
Entwicklungsschritte können genauer datiert werden
Das Problem bei der Rekonstruktion von evolutionären Prozessen sei, so die Genetikerin von der polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau, dass man nie weiß, wie schnell eine Entwicklung vonstattenging. Denn wenn eine Gruppe von Tieren sehr klein ist oder ihre Lebensumstände so schwierig sind, dass viele Tiere sterben, bevor sie selbst Nachwuchs bekommen, ändert sich die genetische Zusammensetzung einer Art rascher als gewöhnlich. Ob solche Bedingungen vorlagen, lässt sich im Nachhinein aber nur schwer feststellen. Bei ihrer Studie hat sich Martyna Molak angeschaut, auf welche anderen Datierungsmethoden Evolutionsforscher zurückgreifen können. Heraus kamen vier Kandidaten:
"Fossilien, Biogeografie, alte DNA und Stammbäume. Die großen Unterschiede sind natürlich, dass man mit jeder Methode unterschiedliche Zeitrahmen untersuchen kann. Mit Fossilien kann man sehr weit in die Vergangenheit blicken, Biogeografie ist mitunter schwierig, alte DNA kann ein paar hunderttausend Jahre zurückreichen, Stammbäume hingegen manchmal nur etwa 100 Jahre."
Fossilien enthalten keine genetischen Infos
Der Haken bei Fossilien ist: Sie enthalten keine genetischen Informationen. Bei der Biogeografie ist zwar bekannt, wann etwa eine Tiergruppe auf einer Insel isoliert wurden, aber man hat eben nur diesen einen Zeitmarker. Familienstammbäume oder Zuchtbücher geben zwar exakte Einblicke in die einzelnen Generationen, aber sie reichen nur wenige Generationen zurück. Als vielversprechendster Kandidat erwies sich die alte DNA.
"Das Alter, das man anhand einer Probe bestimmt, etwa mit der Radiokarbonmethode, wird meist aus demselben Material gewonnen wie die DNA-Analyse, nämlich aus einem Knochen. Hier kann man also immer sicher sein, dass eine Probe genau aus dieser Zeit stammt. Alte DNA ist also hervorragend geeignet, um Zeiteinheiten zu bestimmen. Man kann damit eine Stelle im Stammbaum festmachen, die sowohl eine genetische Information enthält als auch das Alter der Probe."
Diese Methode des genetischen Zeitmessers hat Martyna Molak in den vergangen zwei Jahren an zahlreichen heute noch lebenden oder bereits ausgestorbenen Tierarten ausprobiert: an Bisons, Eisfüchsen, Höhlenbären, Wollnashörnern, Pferden, Höhlenlöwen, Rentieren, Braunbären und anderen.
"Die Ergebnisse variieren von Fall zu Fall, das ist auch abhängig von der Länge einer Erbgutsequenz. Bei unseren Analysen haben wir aber gesehen, dass man - sofern die Proben gut genug sind, gar nicht so viele Proben benötigt, um eine brauchbare molekulare Uhr für eine Tierart zu bestimmen, nämlich nur sechs."
Eine gute Handvoll Daten reicht demnach aus, um zu klären, wie schnell sich eine Tierart wann und wie entwickelt hat - oder ob sie möglicherweise auch über einen längeren Zeitraum genetisch unverändert blieb. Die alte DNA eignet sich also als evolutionärer Zeitmesser. Ein Werkzeug, mit dessen Hilfe Forscher grundlegende Fragen der Populationsgenetik klären können: Zum Beispiel wie viele Tiere einer bestimmten Art zu einer bestimmten Zeit die Erde bevölkerten.