Dean Falk hat in den vergangenen Jahrzehnten Hunderte Gehirne studiert. Dazu zählt nicht nur das von Albert Einstein, sondern auch das vieler menschlicher Vorfahren und entfernter frühmenschlicher Verwandter - etwa das Gehirn von Homo floresiensis, jener als Hobbit bezeichneten Menschenart, deren Vertreter bis vor rund 60.000 Jahren auf der indonesischen Insel Flores lebten und nur rund einen Meter groß waren.
"Es gibt nicht ja so viele versteinerte Gehirne aus der Frühzeit des Menschen, aber genug, um die Evolution des Gehirns der vergangenen Millionen Jahre zu studieren. Hinzu kommen Untersuchungen an Schimpansen, sowohl was die Gehirne als auch deren Verhalten betrifft."
Keine Anzeichen für mehr Friedfertigkeit
Die Paläoneurologin von der Florida State University in Tallahassee erforscht den Ursprung der Sprache und die Anfänge der menschlichen Intelligenz.
"Wir wissen, wann das Gehirn größer wurde, das begann vor rund 3,5 Millionen Jahren. Das menschliche Gehirn hat sich aber nicht nur in der Größe verändert, sondern auch Besonderheiten entwickelt, etwa die Funktion und die Form des Broca-Zentrums in der Großhirnrinde. Dort sitzt das Sprachzentrum. Bei Affen sehen wir dieses Merkmal nicht."
Die komplexe Lautsprache gilt vielen Forschern als eine der Voraussetzungen für die globale Ausbreitung des Menschen. Bei den Wanderungen stießen unsere Vorfahren aber auch auf andere Gruppen und diese Begegnungen verliefen nicht immer friedlich.
"Wir können aber sicher sein, dass die Gewalt schon früher da war, denn selbst Schimpansen führen Kriege und töten sich gegenseitig. Der Ursprung von Krieg und Gewalt liegt also sehr weit zurück. Krieg beinhaltet die Entwicklung von Waffen und strategischer Planung - beides Produkte eines Gehirns, das im Laufe der Zeit immer größer und leistungsfähiger geworden ist. Heutige Kriege sind also auch das Resultat der Evolution unseres Gehirns."
Schimpansen, Jäger, Sammler und moderne Staaten im Vergleich
Um den Ursprung und die Ausmaße der Gewalt zu untersuchen, hat Dean Falk die Daten kriegerischer Auseinandersetzungen analysiert. Dazu nahm sie sich die Zahlen elf Schimpansengruppen vor, zudem 24 Konflikte von Jäger- und Sammlergemeinschaften, die Erhebungen von 19 Staaten, die im Ersten Weltkrieg gekämpft haben, sowie die Daten von 22 Staaten aus dem Zweiten Weltkrieg. Sie wollte herausfinden, wie sich die Konflikte unterscheiden. Hauptkriterium war die Anzahl der Getöteten pro Jahr im Vergleich zur Größe der Population. Ihre Ergebnisse hat sie gerade im Fachblatt "Current Anthropology" vorgestellt.
"Es gibt die Ansicht, dass die Menschheit friedfertig und zivilisiert ist, das ist ja die These von Harvard-Forscher Steven Pinker. Mich beunruhigt diese Wohlfühlbotschaft, denn sie stimmt nicht. Diese friedfertige These lässt sich aus unseren Daten nicht ableiten."
2011 hatte sich Steven Pinker in seinem Buch "Gewalt: Eine neue Geschichte der Menschheit" ebenfalls mit dieser Thematik beschäftigt. Sein Ergebnis damals. Je größer und zivilisierter die Gruppen, desto weniger Menschen sterben prozentual. Seine Schlussfolgerung: Zumindest die zivilisierte Menschheit ist friedlicher geworden. Diese Argumentation kann Dean Falk nicht nachvollziehen.
Die Zivilisation ist nicht kriegsärmer geworden. Lediglich die Chance, einen bewaffneten Konflikt zu überleben, steigt mit der zunehmenden Größe einer Population. Jedoch haben die Menschen im Laufe ihrer Entwicklung immer wirkmächtigere Waffen entwickelt, die immer mehr Menschen, teilweise auf einen Schlag, töten können. "Zivilisierte Menschen", so das Fazit Dean Falks, sind daher nicht weniger gewalttätig als ihre Vorfahren.