Wenn sich auf den Halmen und Blättern von Weizen rostrote Pusteln zeigen, ist es schon zu spät. Dann hat der Weizenschwarzrost das Getreide befallen. Innerhalb kurzer Zeit breiten sich die Pusteln über die ganze Pflanze aus und verfärben sich schwarz. Sie entstehen, wenn Pilzsporen, die weite Strecken durch die Luft reisen können, auf der Pflanze zu keimen beginnen.
Dabei wird die Oberfläche der Halme zerstört. Außerdem entzieht der Pilz dem Getreide Wasser und Nährstoffe, die dann für die Bildung von Getreidekörnern fehlen. Melania Figueroa ist Expertin für solche Getreideschädlinge. Sie arbeitet im australischen Canberra für die Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation, kurz CSIRO. An die Aufregung, als Ug99 vor gut zwanzig Jahren entdeckt wurde, kann sie sich noch gut erinnern.
90 Prozent des Weizens waren anfällig für Ug99
"Ug99 hat ein Resistenzgen überwunden, das jahrzehntelang gut funktioniert hat. Und weil es so gut funktioniert hat, war es in vielen Kultursorten von Weizen enthalten. Als dann plötzlich ein Schädling auftauchte, der diese Resistenz überwinden konnte, löste das große Sorge aus. Denn zu dieser Zeit waren schätzungsweise 90 Prozent des Weizens weltweit anfällig für Ug99."
Genetische Veränderungen können bei Schwarzrost auf zwei Wegen entstehen. Das hat mit den Fortpflanzungsmechanismen zu tun, die der Pilz nutzt, um sich zu vermehren. Die erste Möglichkeit ist nicht-sexuelle Fortpflanzung. Dabei teilen sich die Zellen des Pilzes einfach und produzieren so schnell viele Nachkommen, deren Erbgut mit dem der Mutterzelle nahezu identisch ist. Kleinere Veränderungen im Genom treten nur zufällig durch Mutationen auf. Dieser Fortpflanzungsweg findet in der Weizenpflanze statt.
Die andere Möglichkeit ist eine sogenannte sexuelle Fortpflanzung. Dabei verschmelzen Keimzellen von zwei verschiedenen Elternorganismen, mischen ihr Erbgut und vermehren sich dann. Das dauert etwas länger, ermöglicht aber größere Veränderung. Für diese Art der Fortpflanzung befällt der Pilz einen Zweitwirt, die Berberitze. Ein unauffälliger Strauch mit roten Beeren, der häufig in der Nähe von Getreidefeldern wächst und wegen seiner Hilfsfunktion für den Schwarzrost in Westeuropa und den USA nahezu ausgerottet wurde.
Um zu verstehen, auf welchem Weg Ug99 seine besonderen Fähigkeiten erworben hatte, sequenzierten Melania Figueroa und ihr Team das Erbgut des Pilzes. Das ist auf zwei Zellkerne verteilt, was es besonders schwierig macht, einzelne Veränderungen nachzuvollziehen.
"Zur gleichen Zeit hat ein Kollege am CSRIO einen anderen Schwarzroststamm sequenziert. Und als wir uns zusammengesetzt und unsere Ergebnisse verglichen haben, waren wir ziemlich überrascht. Denn wir konnten sehen, dass die beiden Stämme einen der Kerne gemeinsam haben. Das war wirklich verblüffend und wir haben uns gefragt, wie das sein kann."
Ug99 entstand durch Erbgutaustausch
Die naheliegendste Erklärung: Die beiden Stämme könnten bei einer sexuellen Fortpflanzung in der Berberitze genetisches Material ausgetauscht haben. Doch diese Theorie konnten Melania Figueroa und ihre Kollegen mit Hilfe der Genomdaten ausschließen. Stattdessen rückte eine andere Theorie in den Blick. Die sogenannte somatische Hybridisierung, bei der ein ganzer Zellkern von einem Pilz auf einen anderen übergeht. Schon in den 1960er Jahren hatten Wissenschaftler vermutet, dass es bei Schwarzrost diese Art von Erbgutaustausch geben könnte. Bisher fehlte dafür aber der molekularbiologische Nachweis.
"Wir glauben, dass das in einer Weizenpflanze passiert sein könnte, wo zwei verschiedene Schwarzrost-Stämme verschmolzen sind. Dabei konnte sich ihr genetisches Material frei bewegen und einer der Zellkerne könnte von einem Stamm in den anderen gewandert sein. Der entstandene Hybrid war dann ein Vorfahre von Ug99. Das zeigt uns, dass diese Pilze ziemlich clever sind. Sie haben verschiedene Mechanismen, um ihre genetische Vielfalt zu erhöhen und sich zu verändern. Und dieser ist Evolution im Eiltempo."
"Wirklich clevere Schädlinge"
Der Schwarzrost hat also noch eine dritte Möglichkeit, um sein Erbgut zu verändern. Und dieser dritte Mechanismus bietet enorme Vorteile. Er ist schnell, läuft in der Weizenpflanze ab und umgeht die sexuelle Fortpflanzung. Trotzdem kann sich der Pilz dabei massiv genetisch verändern. Außerdem macht der Zellkernaustausch den Weizenschwarzrost unabhängig von der Berberitze als Zweitwirt. Für Melania Figueroa eine wichtige Erkenntnis für die Bekämpfung des Schädlings.
"Wir müssen jetzt auch bedenken, dass der Schwarzrost das Fehlen der Berberitze mit anderen Mechanismen kompensieren kann. Und das zeigt uns auch, dass wir mit unseren Gegenmaßnahmen vorsichtiger sein müssen. Denn das sind wirklich clevere Schädlinge."