Wer Klaus Schlappner treffen will, muss in den Wald. In ein altes Forsthaus nämlich - mitten im ausgedehnten Jägersburger Wald an der südhessischen Bergstraße. "Und die Bergstraße, das ist für mich so in dem Sandwich der Großstädte Mannheim, Heidelberg, Darmstadt und Frankfurt - ist es die Mitte. Und in jedem Sandwich ist das Beste immer in der Mitte."
In der grünen Mitte des Ballungsraumes Rhein-Main-Neckar lebt der inzwischen 81 Jahre alte Fußball-Lehrer und Elektromeister seit langem. Nur wenige Kilometer vom Forsthaus entfernt - in Lampertheim - ist er geboren. Mit den jeweils nur rund eine halbe Autostunde von hier beheimateten Traditionsklubs Waldhof Mannheim und Darmstadt 98 feierte Klaus Schlappner in den 1980er-Jahren seine größten Erfolge - bevor er nach China ging und Trainer der dortigen Nationalmannschaft wurde.
Unter dem Einfluss von Helmut Kohl nach China
Vor vier Jahrzehnten war China noch so etwas wie ein Fußball-Entwicklungsland. Es war der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl, auf den letztlich das China-Engagement Schlappners zurückging. Denn 1984 habe Kohl Klaus Schlappner gebeten, mit seiner erfolgreichen Mannschaft von Waldhof Mannheim an einem dreiwöchigen Turnier in China teilzunehmen.
Der Kanzler habe nichts von politischen und wirtschaftlichen Interessen der Bundesrepublik gesagt, aber vermutlich etwas gemeint, so Schlappner in seinem ausgeprägten südhessischen Dialekt: "Dadrüber hat er nicht gesprochen. Nur ich sage, dass ist immer ein Mix! Es geht nichts leichter wie mit dem Sport, sich irgendwo zu präsentieren. Ja, warum machen die großen Firmen alles mit Sportlern - mit ihrer Werbung und so weiter und so fort. Da braucht man nicht darüber reden. Nur das entwickelt sich ja. Und wenn wir solche Delegationen hatten und die Chinesen wussten, dass ich als Gast dazukomme, da ist was ganz Anderes abgelaufen."
Chinesisches Stadion nach Schlappner benannt
Bis heute ist Klaus Schlappner regelmäßig in China – dort trägt sogar ein Stadion in der Millionen-Stadt Quingdao seinen Namen, eine Universität verlieh ihm die Ehrendoktorwürde. Versuche des Regimes, seine Frau und ihn zu Beginn seiner Tätigkeit als Nationaltrainer telefonisch überwachen zu lassen, deckte das Paar auf:
"Meine Frau hat es gemerkt, und ich habe ich zu meinem Dolmetscher gesagt: 'Kann das sein, das das einer mithört?'" Der Dolmetscher bestritt das. Doch Klaus Schlappner griff zu Telefon und sprach die Überwachungsperson direkt an: "Und dann habe ich gesagt: Hallo! Ich freue mich ja so, dass man nicht allein ist. Ja, und ich begrüße also den Zuhörer. Wir haben eine gute Zeit hier mit netten Menschen. Und so weiter und sofort."
Am nächsten Tag habe ihn sein Dolmetscher Yang angesprochen und gefragt, ob etwas vorgefallen sei. "Da habe ich gesagt: Yang - der, der mir zugehört hat, dem sind sowieso die Ohren zugefahren, der wird wahrscheinlich für eine Zeit lang nichts mehr hören. Aber das reicht, habe ich gesagt. Wenn ich das noch einmal merke, dann packen wir – meine Frau und ich. Dann fliege ich nach Zürich, nicht nach Deutschland, sondern nach Zürich, zur FIFA und von der FIFA aus, dann zum DFB. Und dann werde ich versuchen, noch Helmut Kohl zu erreichen. Und dann war Ruhe."
Die Telefonüberwachung habe danach schlagartig aufgehört, da ist sich Klaus Schlappner sicher.
"Das ist ein Zusammenführen der Nationen. Da gibt es doch Gespräche"
Trotz der Unterdrückung der Uiguren vor allem in der Region Xinjiang im Nordwesten Chinas und der Verfolgung von Oppositionellen hält er einen Boykott der kommenden Winterspiele für falsch, wie er von einzelnen Politikern hierzulande und Menschenrechtsaktivisten ins Gespräch gebracht wird: "Und ich sage den Politikern: Leute, das ist die Veranstaltung, egal ob das jetzt in China ist oder ob das in Australien ist, in Amerika oder in England ist. Das ist ein Zusammenführen der Nationen. Da gibt es doch Gespräche. Da verstehen sich auf einmal die Konkurrenten."
Die Zivilbevölkerung in China profitiere vor allem von guter Verkehrsinfrastruktur, die für die Spiele geschaffen werde. Ganz generell sieht der gelernte Elektromeister den weltweiten Trend positiv, die Sportinfrastruktur so zu bauen, dass sie später auch für andere Zwecke sinnvoll genutzt werden könne. "Die Gebäude werden so gebaut, dass sie später als Wohnungen oder als Büroräume verwendet werden können. Und das ist auch richtig."
Fußballstadien, in denen nicht nur Sport getrieben, sondern auch gewohnt und gearbeitet wird, wünscht sich Klaus Schlapper schon seit Jahrzehnten auch hierzulande. Bei Darmstadt 98 habe er bereits in den 80er Jahren Sponsoren gehabt, die das realisieren wollten. Es scheiterte an den verschiedenen Grundbesitzern am Böllenfalltor-Stadion.
Es sei absurd, sechs von sieben Tagen in der Woche die aufwändige Infrastruktur rund um die Stadien nicht zu nutzen: Die Rückseiten der Tribünen, die Parkplätze, die raumgreifende Verkehrslogistik. Langsam beginne sich international dieser Gedanke durchzusetzen - wäre es nach Schlappner gegangen, hätte es gerne etwas schneller sein können.