"Herr Funke hat damals gesagt, ich kann nichts sagen, weil gegen mich ermittelt wird, er hat nichts gesagt. Das ist sein gutes Recht als Zeuge, aber das hat natürlich einen schwachen Eindruck hinterlassen, klar", erinnert sich Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen, an den Auftritt von Georg Funke im Juni 2009 vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zur Pleite der Hypo Real Estate, kurz HRE.
Nun - fast acht Jahre später - muss der ehemalige HRE-Chef Funke auf der Anklagebank Platz nehmen. Am Montag beginnt am Landgericht München der Strafprozess gegen ihn und den ehemaligen Finanzvorstand Markus Fell. Die Staatsanwaltschaft wirft beiden Angeklagten vor, die Lage der Bank 2007 und Mitte 2008 – während der aufkommenden Finanzkrise - falsch dargestellt und die Bilanz geschönt zu haben.
Nur wenige Monate später musste der Staat eingreifen: Er rettete die HRE mit frischem Kapital von fast zehn Milliarden Euro und Garantien von zeitweise 124 Milliarden Euro. Fell soll zudem die Aktionäre getäuscht haben. Beiden Angeklagten drohen mehrjährige Haftstrafen, beide wehren sich gegen die Vorwürfe.
Georg Funke will ausführlich aussagen
Georg Funke will offensichtlich reden. Sein Mandant werde sich ausführlich äußern, sagte sein Strafverteidiger Wolfgang Kreuzer diese Woche am Telefon. Funke habe eine ausführliche Darstellung verfasst. 192 Seiten stark sei sie. Aber: Funke hat eine sehr eigene Sicht der Dinge. Er will die Richter davon überzeugen, dass die HRE damals kein Geld vom Staat gebraucht hätte und er keine falschen Angaben zur Situation der Bank gemacht habe.
18 Verhandlungstage hat das Gericht angesetzt, um sich ein Bild von der Sache zu machen. Damit wird das zentrale Kapitel der Bankenkrise in Deutschland vor Gericht aufgerollt, das am 5. Oktober 2008 - einem Sonntag - die deutschen Wohnzimmer erreichte. Bundeskanzlerin Angela Merkel stand damals gemeinsam mit Finanzminister Peer Steinbrück vor den Kameras.
"Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass Ihre Einlagen sicher sind, auch dafür steht die Bundesregierung ein. Ja, ich möchte gerne unterstreichen, dass in der Tat in der gemeinsamen Verantwortung, die wir in der Bundesregierung fühlen, wir dafür Sorge tragen wollen, dass die Sparerinnen und Sparer in Deutschland nicht befürchten müssen einen Euro ihrer Einlagen zu verlieren."
Eine Garantie für Sparer – ein Novum in Deutschland. Mit der drastischen Maßnahme wollte die Regierung die Bevölkerung beruhigen und verhindern, dass besorgte Sparer am Wochenanfang angesichts der Krise bei der HRE ihre Konten leer räumen würden. Bei der HRE handelte es sich immerhin um die drittgrößte Bank des Landes und eines der 30 DAX-Schwergewichte. Zwar hatte Otto Normalverbraucher bei dem Spezialinstitut für gewerbliche Immobilienkredite kein Konto, aber, es war klar, dass die HRE mit vielen anderen internationalen Finanzinstituten Geschäfte machte.
Dramatische Dominoeffekte
Welche dramatischen Dominoeffekte von dem Ausfall eines stark verflochtenen Instituts ausgehen konnten, hatte die Welt gerade erst erlebt. Die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers hatte am 15. September 2008 eine Schockwelle an den internationalen Finanzmärkten ausgelöst. Die fatale Folge: Geldhäuser trauten sich nicht mehr über den Weg und liehen sich kein Geld mehr, das sie eigentlich dringend für ihre Geschäfte brauchten.
Finanzriesen wankten. Reihenweise griffen Regierungen ein: Zum Beispiel verstaatlichte die US-Regierung den weltgrößten Versicherer AIG, die britische Regierung übernahm die Royal Bank of Scotland - eines der größten Institute Europas. Nach den dramatischen Folgen der Lehman-Pleite wollten die Regierungen in den Industrieländern keine Pleite eines großen Finanzinstituts mehr riskieren, das hätte die Finanzmärkte womöglich endgültig zum Kollabieren gebracht. Die Rede war von systemrelevanten Instituten. War die HRE ebenfalls systemrelevant?
"Also nach jetzigem Stand der Kenntnisse war die HRE zwar auf der einen Seite eine Spezialbank, die aber sehr stark im Finanzmarkt mit anderen Instituten vernetzt war, und dadurch hätte ein entsprechender Konkurs dieser Bank natürlich Folgewirkungen gegenüber anderen Instituten mit sich geführt", sagt Alexander Radwan, Finanzpolitiker der CSU im Deutschen Bundestag.
Noch deutlichere Worte findet der Grüne Schick: "Die HRE hatte schon aufgrund ihrer internationalen Aufstellung und ihrer Größe schon eine enorme Bilanzsumme, auch mit entsprechendem Derivate-Geschäft, eine Größenordnung, wo es, glaube ich, zu Recht die Befürchtung gab, dass eine Pleite Schockwellen durch den Finanzmarkt auslösen würde."
Bundesregierung übernahm die HRE
Die Bundesregierung griff 2008 mit Milliarden ein und übernahm die HRE ein Jahr später ganz. Es war die erste Verstaatlichung einer Bank seit 1949 in Deutschland. Der Vorstand um Funke wurde gefeuert. Später wurde die HRE aufgespalten. 2015 wurde ein kleiner Teil davon wieder an die Börse gebracht: die Deutsche Pfandbriefbank.
Und was ist mit den Kosten für den Steuerzahler? Bislang hat die Rettung der HRE den Steuerzahler tatsächlich rund zwölf Milliarden Euro gekostet. Wie viele Garantien des Staates für die Altgeschäfte der HRE fällig werden, weiß man heute nicht. Denn die Abwicklung der Vermögenswerte wird noch Jahre dauern. Was wird auf der Endabrechnung stehen?
"So richtig werden wir die Lasten aus der Rettung der HRE erst am Ende wissen, wenn abgerechnet ist. Da ist jetzt manches günstiger gelaufen durch die Niedrigzinssituation und die guten Preise für manche Vermögenswerte, die man da abwickelt. Deswegen sehen jetzt die Zahlen besser aus, als man es vielleicht am Anfang vermuten konnte. Die Bundesbank hatte damals eine Schätzung von 20 Milliarden an Kosten einer HRE-Rettung und diese Größenordnung halte ich nach wie vor nicht für völlig unrealistisch."
Bald nach der Rettungsaktion begann deren Aufarbeitung, unter anderem in einem Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages und vor hiesigen Gerichten. Neun Jahre nach der Pleite sind jetzt Funke und Fell an der Reihe. Überhaupt seien Entscheidungen von Managern heute öfter ein Thema vor Gericht, beobachtet Michael Kubiciel, der an der Universität zu Köln Strafrecht lehrt und eine Forschungsgruppe zum Unternehmensstrafrecht leitet.
"Generell ist die Sensibilität der Gesellschaft gestiegen bei der Frage, ob man unternehmerische Fehlentscheidungen einer Person zurechnen kann und mit dieser gesellschaftlichen Sensibilität ist auch die Sensibilität der Staatsanwaltschaften gestiegen. Sie haben in den letzten 20 Jahren deutlich häufiger Verfahren eingeleitet, als das in den Jahrzehnten zuvor der Fall war und auch der Gesetzgeber hat teils auch auf europäischer Initiative das Strafrecht im Bereich der Wirtschaft erheblich ausgeweitet."
Finanzkrise wird von Gerichten aufgearbeitet
Die Aufarbeitung der Finanzkrise hat schon diverse Gerichte in Deutschland beschäftigt. Da ging es um Vorgänge bei der HSH Nordbank, der BayernLB, der SachsenLB oder der Landesbank Baden-Württemberg. Meist endeten die Verfahren mit Freisprüchen oder Geldstrafen. Gerhard Schick:
"Ich kann sehr gut nachempfinden, wenn Leute sagen, da ist eigentlich niemand wirklich zur Verantwortung gezogen worden. Denn im Verhältnis zu dem Schaden, der da ausgelöst worden ist, sind ja die Punkte wo tatsächlich jemand sich mit der Justiz auseinandersetzen musste, eher Peanuts gewesen. Herr Ortseifen von der IKB ist ja nicht wegen der Kernproblematik, da sein Institut völlig andere Geschäfte gemacht hat, als vorgesehen, sondern wegen einem Randproblem angeklagt worden. Bei der SachsenLB hat man die Sache dann mit der Zahlung von 40.000 Euro bereinigt, der Schaden für den Steuerzahler wird weit über zwei Milliarden Euro sein, da stimmen die Verhältnisse nicht."
Der ehemalige Chef der Deutschen Industriebank IKB, Stefan Ortseifen, wurde vor dem Düsseldorfer Landgericht wegen vorsätzlicher Marktmanipulation zu zehn Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von 100.000 Euro verurteilt. Wie im aktuellen Verfahren gegen die beiden HRE-Banker drehte sich das Verfahren um Fehlinformationen der Bank.
Ortseifen hatte – so die Überzeugung der Richter – in einer Pressemitteilung den Eindruck erweckt, der sich anbahnende Sturm auf den weltweiten Finanzmärkten werde an der IKB schadlos vorüberziehen. Tatsächlich habe das Institut zu dem Zeitpunkt aber schon kurz vor dem Zusammenbruch gestanden. Der Steuerzahler musste für die Rettung der IKB mit Staatsgarantien über rund zehn Milliarden Euro einstehen. Kommen Manager öfter glimpflich davon als andere Angeklagte? Strafrechtler Kubiciel:
"Also ich habe keine statistische Erhebung darüber gesehen, die wird es auch nicht geben, ob tatsächlich Wirtschaftsstrafverfahren in einem besonderen Maße mit Freisprüchen oder Einstellungen enden. Aber auch mein persönliches Empfinden ist tatsächlich auch so, dass gerade Wirtschaftsstrafverfahren häufig eingestellt werden bzw. das es zu kleineren Verurteilungen kommt oder zu Freisprüchen. Das liegt würde ich sagen an der Komplexität der Gesamtmaterie. Wir müssen sehen, dass wir es bei wirtschaftlichen Entscheidungen mit sehr komplexen Entscheidungen zu tun haben an denen eine Vielzahl von Institutionen beteiligt sind."
Gerichtliche Klärung ist anspruchsvoll
Die gerichtliche Klärung wirtschaftlicher Tatbestände wie Bilanzmanipulationen ist anspruchsvoll. Bei der Bilanzerstellung sind schließlich diverse Abteilungen mit einer Heerschar von Mitarbeitern involviert. Hinzu kommen Externe, etwa Anwälte oder Wirtschaftsprüfer. Strafrechtsexperte Kubiciel:
"Diejenigen, die die Entscheidungen treffen müssen, müssen sich auf Daten verlassen, die andere ihnen zugespielt haben, zugeliefert haben, die sie selber nicht prüfen können. Wenn dann eine unternehmerische Entscheidung sich als falsch herausstellt, dann ist es sehr schwer, diese Fehlentscheidung auf ein oder zwei oder drei Personen konkret zu individualisieren und denen das auch noch als strafrechtliche Schuld zuzurechnen."
Deutlich werden dürfte dies bei der jetzigen Verhandlung mit der Zeugenaussage eines ehemaligen Wirtschaftsprüfers, zeitweise selbst ein Beschuldigter in dem Fall. Er hatte die Bank angeblich frühzeitig auf eine drohende Liquiditätsklemme aufmerksam gemacht. Im Halbjahresbericht 2008 war dann jedoch davon die Rede, die HRE sei auch in einem Worst-Case-Szenario zahlungsfähig.
Wie war das möglich? Wer war dafür verantwortlich? Das sind zentrale Fragen, die das Gericht klären muss. Wolfgang Kreuzer – Funkes Anwalt – gibt sich zuversichtlich, genügend Beweise in der Hand zu haben, um den Verdacht der Ankläger entkräften zu können. Aber auch die Staatsanwaltschaft ist zuversichtlich. Über Vorgänge in Unternehmen gibt es eine Menge Unterlagen, was bei lange zurückliegenden Delikten den Gerichten die Aufarbeitung erleichtert. Strafrechtler Kubiciel:
"Es sind unzählige E-Mails verteilt und verschickt worden, man hat Akten angelegt. Das ist also leichter zu konstruieren als beispielsweise ein Mord."
Dennoch: Besonders schwer ist es beispielsweise Managern Untreue nachzuweisen.
"Bei vielen Straftatbeständen muss das Gericht den Vorsatz des Täters nachweisen. Da auch ein Unternehmer selbstverständlich sein eigenes Unternehmen nicht absichtlich selbst schädigen möchte, sondern er eher viel mehr meistens eine Risikoentscheidung trifft, ist es sehr schwer nachzuweisen, dass er ein Risiko in dem Maße eingegangen ist, dass man von einem bedingten Vorsatz sprechen kann. "
Vielleicht hat die Staatsanwaltschaft auch deshalb den Vorwurf der Untreue gegen die HRE-Manager im Zusammenhang mit dem Erwerb der irischen Depfa-Bank fallen gelassen. Die Übernahme der Bank gilt als einer der Auslöser für die Schieflage bei der HRE. Im Juli 2007 hatte HRE-Chef Funke den Kauf der Depfa-Bank bekannt gegeben.
Ein unglücklicher Zeitpunkt: Eine Woche später geriet das erste deutsche Geldhaus in den Sog der geplatzten Immobilienblase in den USA, Funke behauptete aber noch monatelang, die HRE werde durch den Preisverfall bei US-Immobilien nicht belastet. Anfang 2008 dann der Paukenschlag: Die HRE gab eine Gewinnwarnung ab und musste 390 Millionen Euro wegen der US-Immobilienkrise und ihrer Tochter Depfa abschreiben.
Funke oft als raffgieriger Banker dargestellt
Aber auch Funke selbst hat seit der HRE-Krise nicht immer ein gutes Bild abgegeben. Von ihm ist oft das Bild eines raffgierigen Bankers gezeichnet worden, spätestens seitdem er gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber HRE prozessiert und darauf pocht, trotz Rausschmisses ein Jahresgehalt in Höhe von 3,5 Millionen Euro und eine monatliche Rente in Höhe von 47.000 Euro ausgezahlt zu bekommen. Hier steht eine Gerichtsentscheidung noch aus.
In keinem der diversen Gerichtsverfahren rund um die HRE müssen sich Funke und die anderen ehemaligen HRE-Manager übrigens für ihr Geschäftsmodell rechtfertigen: Vor dem Untergang drehte die Bank mit minimalem Eigenkapital von 0,08 Prozent ein riesiges Rad.
"Da muss nicht viel passieren, da muss es nicht mal eine Lehman-Pleite geben, das so eine Bank umkippt. Die entscheidende Frage, die wir damals im Untersuchungsausschuss ja auch klären wollten ist: Wie konnte es eigentlich sein, dass eine Bank mit so wenig eigenem Kapital wirtschaften kann? Und das ist ganz klar das Versagen von Aufsicht und Politik, man hätte das nie zulassen dürfen", meint der grüne Finanzpolitiker Gerhard Schick.
Aber die HRE verfügte nach gesetzlichen Maßstäben über ausreichend eigene Mittel für ihr Geschäft, welches sogar als besonders risikoarm galt. Und: Selbst ein Mehrfaches ihres Eigenkapitals hätte die Situation der HRE und der anderen Pleitebanken nicht wirklich verbessert. Denn in den Problem-Szenarien der Banken und ihrer Aufseher waren die Folgen eines Crashs in der Dimension von Lehman-Brothers überhaupt nicht erfasst. Zeugen haben dies vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages zur HRE-Pleite deutlich gemacht, wie etwa Sabine Lautenschläger-Peiter, damals Direktorin für Bankenwesen bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht.
"Für mich hat sich die Refinanzierungswelt insgesamt und dann aber auch die Liquiditätslage der HRE im Besonderen dramatisch verändert durch den Zusammenbruch von Lehman. So etwas haben wir noch nie gehabt; so eine Vertrauenskrise gab es noch niemals."
Aber es haperte auch gewaltig zwischen den Aufsehern. CSU-Finanzpolitiker Alexander Radwan - damals Abgeordneter im Europaparlament:
"Ich kann mich aus meiner Brüsseler Zeit noch sehr gut daran erinnern, dass damals eines der Hauptprobleme war, dass die HRE zwar eine deutsche Bank mit Sitz in München war, aber die europäisch, international aufgestellt war, die zum Beispiel sehr stark in Irland aktiv war, aber das wir dann feststellen mussten, dass die jeweiligen nationalen Aufseher eigentlich nicht in dem Maße die wichtigen Sachen kommunizieren und austauschen wie es eigentlich notwendig gewesen wäre. Also wir hatten einen europäischen Markt, wir haben europäische Institute gehabt, aber die europäische Aufsichtspraxis gab es noch nicht."
"Stillhalten der Aufsicht"
"Stillhalten der Aufsicht" nennen Wissenschaftler dieses Verhalten nationaler Aufsichtsbehörden. Frank Heinemann – Ökonom an der TU Berlin – beobachtete das Phänomen auch während der Finanzkrise:
"Das grundsätzliche Problem ist, dass die nationalen Aufsichtsbehörden zu klein sind im Verhältnis zu den großen Banken, dass sie sich nicht trauen, gegen die Geschäfte der großen Banken etwas zu tun. Europäische Institutionen neigen viel eher dazu, ein klares Machtwort zu sprechen."
Heute beaufsichtigt die Europäische Zentralbank große europäische Bankhäuser. Aber am Kernproblem habe sich trotz Verbesserungen wenig geändert, kritisiert der der Ökonom Gustav Horn vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie:
"Immer noch sind die Banken mit viel zu wenig Eigenkapital, vor allem in Europa, ausgestattet, um als stabil gelten zu können. Außerdem sind schon wieder Bestrebungen erkennbar, auch auf europäischer Ebene, den Verbriefungsmarkt wieder zu deregulieren."
Verbriefungen waren das entscheidende Vehikel, mit dem riskante Kredite unter den Instituten vor der Finanzkrise verteilt und gehandelt wurden. Neues Ungemach droht nun auch in den USA: Nach der Finanzkrise eingeführte Regulierungen will US-Präsident Trump wieder abschaffen. Finanzpolitiker Radwan:
"Deregulierung heißt jetzt wieder hier in dem Bereich, dass eben der Weg der Vereinfachung, der Solidität verlassen wird, der Pfad wieder die Komplexität und Rendite wohl wieder mehr in den Vordergrund schieben wird und das ist etwas, was genau diesen Erfahrungen widerspricht."
Grund zur Entwarnung gibt es wahrlich nicht. Der Internationale Währungsfonds hat bereits im vorigen April Alarm geschlagen, das Finanzchaos der Krisenjahre 2008 und 2009 könne sich wiederholen. Während mancher eine neue Finanzkrise befürchtet, beschäftigt die Aufarbeitung des jüngsten Crashs noch die Gerichte.
Verfahren gegen HRE-Manager bislang immer eingestellt
Die Manager der HRE zum Beispiel kamen bislang weitgehend ungeschoren davon: Die Verfahren gegen sechs der acht Vorstände wurden gegen Zahlung einer Geldstrafe von 30.000 bis 80.000 Euro eingestellt. Möglicherweise werden auch Funke und Fell gegen Zahlung einer Geldstrafe nach Hause geschickt oder sogar freigesprochen. Denn: Die Länge der juristischen Aufarbeitung könnte sich zu Gunsten der Angeklagten auswirken, meint der Kölner Strafrechtsexperte Kubiciel:
"Also es gibt Rechtsprechung auch europäischer Gerichte dazu, dass eine übermäßige Verfahrensdauer dazu führt, das die Strafe reduziert werden muss. Das ist allerdings eine Einzelfall abhängige Frage, das kann man nicht generalisierend beantworten."
Das Strafverfahren werden auch die Anwälte der Kanzlei Tilp mit Argusaugen verfolgen. Sie vertreten Anleger, die durch die HRE-Pleite Geld verloren haben. Eine Klage vor dem Oberlandesgericht München haben sie schon gewonnen. Jetzt liegt der Fall beim Bundesgerichtshof. Beide Seiten haben Rechtsmittel eingelegt. Eine Entscheidung wird frühestens im Herbst 2017 erwartet. Muss die HRE am Ende des Tages den Anlegern Entschädigungen zahlen, käme dafür übrigens als Rechtsnachfolger der deutsche Staat und damit der Steuerzahler auf.