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Ex-VW-Chef Winterkorn
Millionen trotz Rücktritt

Martin Winterkorn steht zwar seit Ende September nicht mehr an der Spitze des VW-Vorstands, sein Vertrag läuft aber noch bis 2016 weiter. Und solange bekommt er auch noch weiter Geld. Alleine 2014 waren es 15 Millionen Euro Jahresgage. Das Absurde: Juristisch ist das völlig korrekt.

Von Brigitte Scholtes |
    Martin Winterkorn, EX-Vorstandsvorsitzender des VW-Konzerns auf der IAA in Frankfurt (15.09.2015)
    Martin Winterkorn, EX-Vorstandsvorsitzender des VW-Konzerns auf der IAA in Frankfurt (15.09.2015) (dpa / picture-alliance / Ulrich Baumgarten)
    Volkswagen selbst äußert sich zu Vertragsangelegenheiten nicht. Stimmen die Berichte, dann bezieht Martin Winterkorn gut 15 Millionen Euro – so viel hatte er im vergangenen Jahr verdient. Ungewöhnlich aber wäre ein solches Vorgehen nicht, erklärt Gregor Thüsing, Professor für Arbeitsrecht der Universität Bonn:
    "Man muss beim Vorstand unterscheiden zwischen seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied und dem zugrunde liegenden Anstellungsvertrag. Beides ist nicht notwendig miteinander verbunden, es besteht kein Automatismus, dass das eine endet, wenn das andere endet.
    Wird ein Vorstand außerordentlich gekündigt, dann endet auch der Anstellungsvertrag, aber in dem Moment, wo man einvernehmlich die Beendigung etwa des Anstellungsverhältnisses vereinbart, können die Modalitäten des Ausscheidens geregelt werden. Hier sind die Vertragsparteien frei, angemessene Regelungen zu finden, sofern kein außerordentlicher Kündigungsgrund vorliegt."
    Eine außerordentliche Kündigung wäre aber nur aus wichtigem Grund möglich, und den hat der Aufsichtsrat bisher offenbar noch nicht erkannt. Winterkorn kann auch weiter auf seine Pensionsansprüche zählen, erklärt Arbeitsrechtler Thüsing:
    "Einen Automatismus des Verfalls von Ansprüchen zur Altersversorgung selbst bei Ausscheiden aus wichtigem Grund gibt es nicht."
    Keine gute Botschaft an die Öffentlichkeit
    In der Öffentlichkeit aber kommt eine solch einvernehmliche Vereinbarung nicht gut an. So meint Stefan Bratzel, Autoexperte der Fachhochschule für Wirtschaft in Bergisch-Gladbach:
    "Es ist nach außen hin ist das sicherlich keine gute Botschaft, dass man nicht einen klaren Schnitt gemacht hat und sich geeinigt hat auf eine Auflösung des Vertrages, gegebenenfalls mit einer Abfindung. Es wird der Eindruck dann in die Öffentlichkeit getragen, dass es nur eine halbe Trennung vom Vorstandsvorsitzenden war. "
    Offenbar aber hatte man bei Volkswagen die Zahlung einer Abfindung vermeiden wollen. Denn auch das wäre in der Öffentlichkeit wohl nicht gut aufgenommen worden. Doch die jetzt gefundene, zwar juristisch saubere Lösung könnte auch in anderer Hinsicht von Nachteil sein, glaubt Stefan Bratzel:
    "Ich glaube, dass man sehr skeptisch ist in den USA, ob denn wirkliche Konsequenzen gezogen werden aus der Manipulation, aus dem Betrug auf oberster Ebene. und wenn in Amerika ruchbar wird, dass es dann doch nicht so wie dargestellt einen Bruch gibt und auch Rücktritte gibt, sondern sich die Situation möglicherweise ganz anders darstellt, dann ist das sicherlich nicht gut in den Verhandlungen, die ja demnächst auch im Hinblick auf Strafzahlungen und Ähnliches anstehen."
    Juristische Folgen für den Ex-VW-Chef möglich
    Die Abgasaffäre könnte aber dennoch Folgen auch für den früheren VW-Chef haben: Denn die Aufsichtsräte der Arbeitnehmerseite wollen Winterkorn offenbar für den entstandenen Schaden haftbar machen. Dazu aber reicht es Experten zufolge aus, wenn man Winterkorn nachweisen kann, dass er seinen Betrieb nicht ordentlich organisiert habe. Im für ihn schlimmsten Fall könnte so sein gesamtes Vermögen auf dem Spiel stehen.