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Exkrement-Entsorgung im Wald
Die Mistkäfer-Untergrund-Armee

Warum liegen im Wald eigentlich so gut wie nie Tierköttel herum? Eine gigantische Zahl von Mistkäfer-Heinzelmännchen vergräbt sie praktisch sofort im Waldboden. Wo die Tierchen alle herkommen, wissen Forscher noch immer nicht so genau. Ein Besuch bei den Entsorgungsbetrieben der Natur.

Von Volker Mrasek |
    Africa Mlilwane Swaziland Dung beetle sraping feces together for a ball. PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY Africa Mlilwane Swaziland Dung Beetle feces Together for a Ball PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY
    Nicht jedermanns Geschmack, aber für Mistkäfer und ihren Nachwuchs ist da alles drin: ein Dungballen. (Imago)
    Hirsche, Rehe, Füchse - wo immer sie auch hinmachen in der Natur: Ihre Exkremente verrotten nicht langwierig, sie verschwinden regelrecht von der Bildfläche. Das ist vor allem das Werk von Tieren, die wir als Mistkäfer kennen. Wobei Nico Blüthgen, Biologie-Professor an der TU Darmstadt, lieber von "Dungkäfern" spricht. Denn:
    "Dung ist das, was beim Tier hinten rausfällt."
    Und darauf fliegen die Käfer wie verrückt. Blüthgen forscht über die emsigen Kot-Kompostierer. Wo andere sich ekeln, ist er fasziniert:
    "Das ist also ein ungeheuer wichtiger Ökosystem-Service, dass dieser Dung auch abgebaut wird. Da sind die Dungkäfer quasi Weltmeister. Die graben in wenigen Stunden oft solche Dunghaufen in Wäldern komplett in den Boden ein. Und der Dung steht dann nicht mehr für Fliegenplagen zum Beispiel zur Verfügung."
    Zack, weg ist die Sch... die schleunigst vergrabene Hinterlassenschaft!
    "Also, die buddeln diesen Dung zum Teil einen halben Meter tief in den Boden ein. Das versorgt den Boden mit Nährstoffen. Die Pflanzen profitieren davon."
    Für Käfer "ist jeder Dung eine Vollwertnahrung"
    Und natürlich auch die Käfer selbst! Sie legen ihre Eier in den Exkrementen ab, und die Larven, die sich darin entwickeln, sind dann rundum versorgt:
    "Das haben wir auch analysiert. Tatsächlich ist jeder Dung eine Vollwertnahrung. Fettsäuren, Aminosäuren, Proteine in großen Mengen. Also offenbar ist die Verdauung nicht so gut, so dass sehr viel Nährstoffe wieder hinten rauskommen. Die können sich komplett davon ernähren, und die Larven können mit dem Dung komplett aufwachsen."
    Doch warum graben die Käfer überhaupt Kot-Stollen in den Boden? Könnten sie den Dung nicht genauso gut an der Oberfläche bearbeiten? Nein, sagt die britische Insektenkundlerin Eleanor Slade von der Universität Oxford. Auch sie befasst sich in ihren Studien mit dem nicht gerade appetitlichen Thema:
    "Die erwachsenen Käfer ernähren sich von den flüssigen Bestandteilen des Dungs. Der würde aber schnell austrocknen, wenn er an der Oberfläche bliebe. Außerdem sind die Käferlarven in der Erde besser geschützt. Krähen und andere Vögel suchen oft in Kotballen nach Verwertbarem und picken alle Larven heraus."
    Volkszählung unter Mistkäfern
    In Deutschland gibt es mehrere sogenannte Biodiversitätsexploratorien. Das sind Wald- und Wiesenstandorte, an denen Biologen in allen möglichen Freilandprojekten arbeiten. Auch Kevin Frank, Doktorand in Nico Blüthgens Arbeitsgruppe. Er stellte Fallen auf, um die Käfer zu fangen und zu zählen. Auf der Schwäbischen Alb, in der Schorfheide und im Nationalpark Hainich. Dazu grub der Darmstädter Biologe einfach Joghurtbecher im Boden ein und befüllte sie mit verlockendem Tierkot. Und das an insgesamt 300 Stellen!
    Die Volkszählung lief gut zwei Jahre lang. Ihr Ergebnis überraschte selbst Nico Blüthgen. Denn am Ende fielen über 18.000 einzelne Mistkäfer in die Fallen:
    "Ja, das ist ungeheuer! Der Dung ist so attraktiv für diese Individuen, dass sie aus großen Bereichen, oft Hunderte von Metern, angeflogen kommen."
    Im Londoner Zoo hat man ihnen sogar ein Denkmal gesetzt: Mistkäfer
    Im Londoner Zoo hat man Mistkäfern sogar ein Denkmal gesetzt (Imago)
    So viele Mistkäfer kann es doch gar nicht geben! Das ist jedenfalls der Eindruck, wenn man im Wald spazieren geht und nur dann und wann auf dieses schwarz-schimmernde, träge, fast kugelförmige Wesen trifft. Mitunter tritt man auch versehentlich drauf.
    "Das sind auch die Hauptindividuen, die man findet. Diese eine Art: Waldmistkäfer. Dann gibt's aber viele kleinere Arten, die man nicht so leicht sieht. Also, da gibt es eine ganze große Vielfalt von über 30 Arten, die wir allein jetzt in dieser Studie gefunden haben. Und in Deutschland gibt es etwa hundert Arten. Das ist tatsächlich auch eine bemerkenswerte Vielfalt."
    Sag mir, wo die Käfter sind
    Erstaunlich vor allem, dass die Kot-Abfuhr in Wald und Flur eine so geräuschlose Angelegenheit ist! Offenbar erledigen Heerscharen von Käfern das Geschäft, ohne dabei groß aufzufallen. Eine Untergrundarmee! Vielleicht ist das des Rätsels Lösung?
    "Am nächsten Tag kann man wieder Fallen aufstellen, und es kommen immer noch genauso viele. Also, das fragt man sich wirklich, wo die stecken. Also, in der Erde drin - während sie den Dung eingraben, sind sie natürlich auch nicht zu sehen. Aber wo die ganzen Dungkäfer sind, das würden wir auch gerne wissen."