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Expansion von Spotify
Auf dem Weg zum Musikmonopol?

Wer oben in den Charts landen will, muss bei einem großen Musiklabel unter Vertrag sein. Das war zumindest bislang die Devise. Doch bald können Musiker ihre Musik direkt bei Spotify hochladen. Das bringt den Musikmarkt durcheinander - und macht Spotify noch mächtiger.

Von Christoph Möller |
    Handy mit Spotify Zeichen und Kopfhörern
    Spotify könnte weiter an Bedeutung gewinnen (imago stock&people (Jaap Arriens))
    Träge Beats, Autotune-Effekt, dadaistische Texte: Der deutsche Rapper RIN ist einer der bekanntesten Künstler der Spotify-Playlist "Modus Mio".
    Fast 900.000 Fans folgen "Modus Mio". Es ist die beliebteste deutsche Musikplaylist. Vor zwei Wochen haben Musiker, die häufig in der Playlist gelistet werden, Konzerte in Dortmund und Berlin gespielt. Mit "Modus Mio Live" testet Spotify die Zukunft: Wie fühlt es sich an, nicht nur Musik anzubieten, sondern sie auch auf die Bühne zu bringen, oder womöglich selbst zu veröffentlichen? Wie wäre es, wenn Spotify bald Aufgaben übernimmt, die bislang Booking-Agenturen oder Labels erledigt habe?
    "Das ist ein Worst-Case-Szenario."
    Sagt Jörg Heidemann, Geschäftsführer des Verbands unabhängiger Musikunternehmen in Deutschland. Spotify als Musikmonopol - keine angenehme Vorstellung, gerade für kleine Labels, die um jeden Cent kämpfen müssen. Die aggressive Expansionsstrategie wundert Heidemann allerdings nicht.
    Musikwirtschaft hat Entwicklung verschlafen
    "Wir erleben, weil die Musikwirtschaft insgesamt einige Jahre an Entwicklung verpennt hat, dass sich Technikunternehmen den digitalen Vertriebsarm unter den Nagel gerissen haben. Dass die jetzt Ambitionen haben, vielleicht auch Künstler zu entwickeln oder exklusiven Content herzustellen, liegt in der Natur der Sache."
    Streamingdienste wie Spotify, Apple Music oder Deezer agierten bislang als reine Abspielplattformen. Das könnte sich ändern. In den USA testet etwa Spotify das Feature "Spotify For Artists". Das können Künstler nutzen, um ihre Musik direkt bei Spotify hochzuladen, ohne einen Vertrag mit einem Label abzuschließen.
    "Generell finde ich die Idee natürlich toll", sagt Karl Oliver Gödicke, Musikmanager und Gründer von BLCKCHN Records, ein Musiklabel, das mit Blockchain-Technologie Musikverwertung transparenter machen möchte.
    "Und ich finde es auch gut zu sagen, wir gehen auch in den Bereich Merchandising, und, und, und, und, und. Und fangen an, selber Künstler zu signen, weil ich glaube, da liegt ein großes Geheimnis. Zu sagen, okay, wir signen jetzt mal ‚The Next Big Thing‘ und haben dann Künstler X, Y, Z unter Vertrag, und wir haben den alleine, dann geht es doch Spotify viel besser."
    Spotify ist kein Gönner, sondern handelt aus der Not
    Das Unternehmen muss den Gewinn nicht mehr mit Labels teilen. Künstlerinnen und Künstler werden bei einer Direktlizensierung an Spotify möglicherweise auch besser bezahlt.
    "Und auf der anderen Seite würden die Majors vielleicht mal anfangen, ihr Geschäftsmodell zu überdenken, und nicht nur an ihre eigenen Börsenkurse zu denken, und an ihren eigenen Profit, sondern auch mal daran, dass Musiker ein Teil der Kultur eines jeden Landes sind."
    Spotify als großer Gönner, der auf der Seite der Künstlerinnen und Künstler steht? Nicht wirklich. Spotify handelt aus der Not heraus: Das Unternehmen macht seit Jahren Verluste. Allein mit Musikstreaming Gewinne zu erzielen, scheint nicht zu funktionieren. "Spotify For Artists", aber auch der Eintritt ins Live-Geschäft sind eindeutige Zeichen, dass Spotify unabhängiger werden möchte, auch wenn Spotify-Chef Daniel Ek betont, man wolle kein Label werden. Musikmanager Gödicke sagt, Direktlizensierung klingt gut, aber:
    "Was nützt es einem kleinen Künstler oder einer kleinen Band verzweifelt gegen die großen, die die ganzen Kanäle auf Spotify belegen, anzukämpfen? Und es klingt immer so toll, naja, wir machen dann alles selber, wir sind auf Spotify, und, und, und. So einfach ist das natürlich überhaupt nicht. Man muss Ahnung von Marketing haben, wie man sich vermarktet, man muss gucken, ob das überhaupt vom Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt."
    Abhängig von einem multinationalen Konzern
    "Spotify For Artists" hilft kleinen Künstlerinnen und Künstlern, unkompliziert Musik bei Spotify zu veröffentlichen. Gleichzeitig machen sie sich abhängig von einem multinationalen Konzern, der ihre Interessen kaum vertritt. Es wirkt, als würden Spotify auf Musikerinnen und Musiker zugehen. Tatsächlich ist es aber nur ein weiteres Indiz für Spotifys Lust an der Expansion, die traditionelle Strukturen des Musikmarkts weiter durcheinanderbringen wird.