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Expedition
Pearys umstrittener Nordpol-Erfolg

Robert Edwin Peary wollte der erste Mensch am Nordpol sein - und behauptete 1909, dieses Ziel erreicht zu haben. Ob dem wirklich so war, daran bestehen Zweifel. Am 20. Februar 1920, vor 100 Jahren, starb der Amerikaner.

Von Irene Meichsner |
    Robert E. Peary (1856-1920) auf dem Schiff "Roosevelt", während einer Expedition 1905
    Robert E. Peary wollte den Nordpol als erster Mensch erreichen (Everett Collection/dpa)
    "Man könnte wohl die Erreichung des Nordpols mit dem Gewinnen eines Schachspiels vergleichen, in dem alle die verschiedenen Züge, welche zu dem günstigen Schluss führten, lange im Voraus überlegt worden waren. Es war für mich ein altes Spiel, ein Spiel, das ich 23 Jahre mit wechselndem Glück gespielt hatte. Immer war ich freilich geschlagen worden; aber mit jeder Niederlage erhielt ich neue Kenntnis von dem Spiel, und mit jedem neuen Versuch kam der Erfolg etwas näher."
    Robert Edwin Peary war 30 Jahre alt, als er sich das Ziel seines Lebens setzte: Er wollte als erster Mensch den Nordpol erreichen. 1856 in Cresson in Pennsylvania geboren, war Peary als Halbwaise groß geworden - ein verhätscheltes Muttersöhnchen, das schon früh einen überbordenden Ehrgeiz entwickelte. Peary ging als Ingenieur zur US-Marine und diente mehrere Jahre in Nicaragua, aber sein Geltungsbedürfnis war damit nicht befriedigt. Als ihm eines Tages ein Buch des schwedischen Polarforschers Adolf Erik Nordenskiöld in die Hände fiel, der als erster die Nordostpassage durchfahren hatte, stürzte er sich Hals über Kopf in das arktische Abenteuer.
    Traum vom Ruhm
    "Ich werde den höchsten gesellschaftlichen Kreisen angehören. Ich werde mächtige Freunde finden, mit denen ich meine Zukunft gestalten kann, statt sie auf mich zukommen zu lassen. Denk dran, Mutter, ich MUSS berühmt werden."
    Schrieb Peary 1886 nach einem vergeblichen Versuch, als erster Mensch den grönländischen Eisschild zu überqueren. Dass er den Marsch vorzeitig hatte abbrechen müssen, bremste ihn nicht in seinem Eifer. Peary nahm Urlaub von der Marine und zog zu den Inuit. Sechs von ihnen - zwei Männer, eine Frau und drei Kinder – verschleppte er später in die USA, wo sie im Keller des Naturhistorischen Museums in New York untergebracht wurden und den Anthropologen als lebende Forschungsobjekte dienten. Peary hielt Vorträge über seine Reisen, schwärmte vom Reiz der arktischen Tage und Nächte.
    "Mehr als einmal habe ich mir gesagt, dass das meine letzte Fahrt war. Aber es dauerte nie länger als ein paar Monate, bis ich mich wieder zu sehnen begann nach der Stille und Weite des großen, weißen, einsamen Nordens."
    Verbund reicher Amerikaner unterstützte Peary
    Pearys Begeisterung war ansteckend. 1898 wurde auf Initiative des Bankiers und Philanthropen Morris Ketchum Jesup der Peary Arctic Club gegründet – ein Verbund reicher Amerikaner, dessen einziger Zweck darin bestand, ihm die Eroberung des Nordpols zu ermöglichen. Bei einem gescheiterten Versuch verlor Peary acht Zehen durch Erfrierungen.
    Im Juli 1908 startete er zu seiner letzten, generalstabsmäßig geplanten Expedition. Mit einem Schiff ging es zunächst ins Winterquartier hoch im Norden und im folgenden Frühjahr dann zu Fuß weiter. Auf der letzten Etappe begleiteten Peary nur sein schwarzer Diener Matthew Henson und vier Inuit. Am 6. April 1909 hätten sie den Nordpol erreicht, behauptete er später:
    "Hier, inmitten großer Felder schweren Eises, über einem Ozean von mehr als zwei Meilen Tiefe, hissten wir das Sternenbanner und hinterließen einen Bericht mit einem Stück der Flagge."
    Doch dann war da plötzlich Frederick Cook, Pearys schärfster Konkurrent, der fast zeitgleich mit ihm nach Amerika zurückgekehrt war und behauptete, bereits ein Jahr vor ihm am Nordpol gewesen zu sein. Peary bezichtigte ihn der Lüge. Ein Untersuchungsausschuss des amerikanischen Kongresses gab Peary am Ende Recht.
    Vermutlich waren weder Cook noch Peary am Nordpol
    Aber war er wirklich am Pol gewesen? Viele Fragen blieben offen.
    "Robert Peary hat gesagt, er sei in 35 Tagen zum Nordpol hin und dann wieder zurück, insgesamt 55 Tage für Hin- und Rückweg. Wir haben in einem wirklich topfitten und erfahrenen Team 56 Tage für einen Weg gebraucht", sagt Arved Fuchs, der 1989 am Nordpol war.
    "Ich glaube nicht, dass Robert Peary dort gewesen ist und auch nicht sein Kontrahent Frederick Cook. Die haben beide Großes geleistet, aber ich glaube nicht, dass sie am Pol waren."
    Peary äußerte sich nicht mehr zur Sache. Er starb am 20. Februar 1920 in Washington an den Folgen einer Anämie und wurde auf dem amerikanischen Heldenfriedhof in Arlington beigesetzt.