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Expedition zum Atlantis-Massiv
Auf der Suche nach den Anfängen

Das Atlantis-Massiv ist 4000 Meter hoch und befindet sich am Grund des Nordatlantiks. Hier wurde ein bisher einmaliges Ökosystem entdeckt. Für Forscher ist es besonders interessant, denn hier könnten sich Hinweise auf die Entstehung des Lebens auf der Erde verbergen - eine Expedition führt deshalb nun Bohrungen durch.

Von Dagmar Röhrlich |
    Lost City liegt in 750 Metern Wassertiefe auf dem matterhornhohen Atlantis-Massiv. Bis zu 60 Meter hoch wachsen in dieser verlorenen Stadt schneeweiße Kalktürme, an denen sich ein besonderes Ökosystem entwickelt hat: Pelze aus Mikroorganismen überziehen die Türme, in deren Rissen und Spalten sich winzige, durchsichtige Muscheln verstecken, Würmer, Muschelkrebse und Schnecken. Ihren Lebensraum verdanken sie dem Umstand, dass das Atlantis-Massiv aus Mantelgestein besteht, das dort an großen tektonischen Störungen nach oben gezerrt wird und chemisch mit dem Meerwasser reagiert:
    "Bei dieser Serpentinisierung genannten Reaktion von Mantelmineralen und Meerwasser entstehen Fluide, die so basisch sind wie Rohrreiniger und die große Mengen an Methan und Wasserstoff enthalten. Sobald diese basischen, gasbeladenen Flüssigkeiten auf das Meerwasser treffen, fällt der darin gelöste Kalk aus und die Türme von Lost City wachsen."
    Beschreibt Expeditionsleiterin Gretchen Früh-Green von der ETH Zürich. Für die Forscher gibt es viele Gründe, von der Serpentisierung fasziniert zu sein. Einer ist, dass dieser Prozess auf der jungen Erde weit verbreitet war - und dass dabei rein chemisch Bausteine für Leben in hohen Konzentrationen fabriziert wurden und auch heute noch werden.
    "Wir möchten die chemischen Prozesse zwischen Mantelgestein und Meerwasser näher untersuchen und wie sie mit der Mikrobiologie verbunden sind."
    Mehrere Bohrungen bis Anfang Dezember
    Dazu wollen die Forscher nun bis Anfang Dezember mehrere Bohrungen in das Atlantis-Massiv abteufen, und zwar mit zwei Bohrsystemen:
    "Eines ist das Meeresbodenbohrgerät MeBo des Bremer Forschungsinstituts Marum, das bis zu 80 Meter tief in Fels bohren kann. Wir vermuten aufgrund der Eigenschaften des Gesteins, dass wir um die 70 Meter schaffen werden. Das zweite gehört dem britischen geologischen Dienst und seine maximale Reichweite liegt bei 50 Metern, sodass wir mit 40 bis 45 Metern rechnen."
    Die beiden Bohrgeräte sollen abwechselnd von Bord des Forschungsschiffs James Cook eingesetzt werden, erklärt Co-Expeditionsleiterin Beth Orcutt vom Bigelow Laboratory for Ocean Sciences:
    "Stellen Sie sich einen Überseecontainer vor, so groß ist jedes dieser Geräte, das auf dem Meeresboden abgesetzt wird. Dort entfaltet es sich und stützt sich auf seine Beine, um sich so für die Bohrungen zu stabilisieren. Wir rechnen damit, dass jede Bohrung zwei bis vier Tage dauert. Wir können von den Geräten aus auch während der Bohrarbeiten Proben nehmen und unterschiedliche Messungen durchführen."
    So sollen Sensoren den Methan- und Sauerstoffgehalt im Bohrloch messen oder wie basisch die Fluide sind. Außerdem werden Wasserproben direkt über dem Meeresboden gezogen, um zu sehen, was an Ort und Stelle eigentlich aus dem Untergrund austritt.
    "Wir wollen auch Sensoren in versiegelten Bohrlöcher zurücklassen, damit wir später zurückkommen können, um vor Ort die Veränderungen in der Fluidchemie zu analysieren. Dann wollen wir die Ergebnisse mit denen vergleichen, die wir an den Gesteinsproben gewonnen haben."
    Alle Aktionen werden vom jeweiligen Bohrteam an Bord der James Cook aus mit Kameras überwacht und ferngesteuert.
    "Vielleicht lege man mit einer Bohrung den Grundstein zu einem neuen Lost City", scherzt Gretchen Früh-Green: Schließlich öffne man Wege, über die Serpentinisierungsflüssigkeit ins Meerwasser gelange - und sobald das passiere, falle Kalk aus und ein neuer Turm beginne, zu wachsen.