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Experimentelle Archäologie
Langzeitversuch: Schneelast setzt Jungsteinzeithaus zu

Archäologie. - Als in Europa vor rund 8000 Jahren die sesshafte Lebensweise Einzug hielt, investierten die frühen Bauern und Viehzüchter auch mehr Arbeit in ihre Bauten. Die einfachen Häuser wurden fortan permanent bewohnt und mussten dementsprechend das ganze Jahr über Schutz vor Wind und Wetter bieten. Wie nachhaltig und stabil solche Hütten aus Holz, Putz und Reet waren, wollen Archäologen in Rumänien seit 2010 mit einem Langzeitversuch herausfinden.

Von Michael Stang |
    2001 entdeckten Archäologen im rumänischen Sultana eine jungsteinzeitliche Siedlung. Gut 80 Kilometer östlich der Hauptstadt Bukarest kamen die Überreste einfacher Häuser zum Vorschein. Bei solchen Ausgrabungen tritt immer ein Dilemma zutage, sagt Archäologe Cătălin Lazăr vom rumänischen Naturhistorischen Museum in Bukarest.
    "Als Archäologen machen wir zwar viele Ausgrabungen und finden viele Dinge aus dem Alltag früher Gesellschaften, aber manche Dinge bleiben für uns unsichtbar."
    Etwa der Konstruktionsplan eines Hauses. Um herauszufinden wie ein solches Haus errichtet wird, hat Cătălin Lazăr 2010 zusammen mit dem Architekten Sebastian Stan ein jungsteinzeitliches Haus nachgebaut, das typisch für die Zeit vor 7000 Jahren war. Zum Einsatz kamen nur lokale Materialien.
    "We used clay from the village, we used wood from the trees close to our sites and we used reed from the lake."
    Ton, Holz und Reet aus der direkten Umgebung hätten sie dazu verwendet, so Sebastian Stan. Auf den Einsatz moderner Werkzeuge haben sie beim Bau des drei mal fünf Meter großen Hauses mit einer Höhe von 2,5 Metern verzichtet.
    Sebastian Stan: "Das war eigentlich die größte Herausforderung: ein einfaches Haus ohne moderne Technik zu bauen, also auch keine Nägel oder Metallteile zu verwenden."
    Eine solche Hausrekonstruktion sei erst einmal nichts Besonderes, gibt er zu, sie hätten jedoch einen anderen Fokus. Da in archäologischen Hinterlassenschaften meist nur verbrannte Überreste von Häusern zu finden sind, werden im Rahmen der experimentellen Archäologie die neuen Häuser zum Vergleich mit den Überresten aus den Ausgrabungen ebenso verbrannt. Das neue Haus in Sultana sollte aber stehenbleiben, so Archäologe Cătălin Lazăr.
    "Der Aufwand hier war damit größer, denn wir mussten die Veränderungen im und am Haus permanent überwachen und regelmäßig entscheiden, wie und was wir an dem Gebäude reparieren wollen."
    Steinzeithaus hält nicht lang
    Die ersten Winter hätte das Haus noch gut gehalten. Aber nach dem mittlerweile vierten Winter seien Witterungsspuren an allen Ecken und Enden zu sehen, so Sebastian Stan, der an der „Ion Mincu" Universität für Architektur und Urbanistik in Bukarest lehrt.
    "In diesem Sommer haben wir beschlossen, das Haus sich selbst zu überlassen, einfach um zu schauen, was passiert, wenn es Wind und Wetter ausgesetzt ist und nicht mehr repariert wird. Das Dach ist mittlerweile halb zusammengebrochen und hat die Wände ein wenig auseinandergedrückt. Jetzt warten wir was passiert, wenn der nächste Schnee kommt."
    Vor allem die riesigen Schneemassen hatten das Haus verformt. Das Reetdach war vermutlich zu dünn angelegt, da beim letzten Tauwetter Wasser durch das Dach kam. Hinzukam die jedes Jahr stärker werdende Torsion durch die Trocknung des Holzes. Außerdem hatten sie Probleme mit dem Fundament, das oberhalb des gefrorenen Bodens angelegt war und im Tauwetter versumpfte. Im kommenden Frühjahr werden sie alle wieder nach Sultana fahren.
    Sebastian Stan: "Dann wollen wir schauen, wie schwierig eine Reparatur wird, wenn das Dach kaputt ist und die Wände auch nicht mehr gerade stehen. Ist Abreißen oder Verbrennen das Mittel der Wahl oder lohnt sich eine Instandsetzung noch?"
    Im Sommer 2015 ist das für fünf Jahre ausgelegte Projekt beendet. Dann werden die rumänischen Forscher wissen, ob sich eine Reparatur eines stark beschädigten Hauses tatsächlich lohnt oder nicht. Natürlich sei dies nun ein grobes Herantasten an die damalige Wirklichkeit, denn in ihrem Haus hätte nie jemand gewohnt. Dennoch gebe es nun Hinweise darauf, dass diese jungsteinzeitlichen Häuser mehrere Jahre gehalten haben.