"Darmstadt ist wirklich ein besonderer Treffpunkt für Neue Musik. Es gibt nicht so viele Gelegenheiten, um ein so großes Festival zu besuchen."
"Man kann einfach nicht alles machen hier, weil es so viele Angebote gibt."
Alle zwei Jahre sind die Internationalen Ferienkurse für Neue Musik sicher das Highlight in Darmstadt für Studierende aus aller Welt, die sich für aktuelle Strömungen der Avantgarde-Musik interessieren. Dabei lässt man – wie im letzten Jahr – auch mal Überwachungsdrohnen über den Köpfen der Open-Air- Konzertbesucher kreisen. Oder nach Partitur Feuerstöße in das Innere von Fesselballons los.
Nachdenken über Musik
Doch zum Musik-Spektakel gehört in Darmstadt immer schon das Nachdenken über Musik. Begründet wurde dies nicht zuletzt durch den Theodor W. Adorno, dem Nestor der Kritischen Theorie. Der musikbegeisterte Denker kam in den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg regelmäßig zu den Ferienkursen nach Darmstadt und diskutierte etwa mit Karl-Heinz Stockhausen oder Pierre Boulez über Musiktheorie:
"Man hatte doch damals bei all diesen Veranstaltungen und dabei möchte ich vor allem auch Darmstadt einbeziehen, ja man hat doch das Gefühl gehabt: Ja, es ist alles möglich."
"Man hatte doch damals bei all diesen Veranstaltungen und dabei möchte ich vor allem auch Darmstadt einbeziehen, ja man hat doch das Gefühl gehabt: Ja, es ist alles möglich."
Jetzt ist in Darmstadt wieder etwas möglich im Bereich der Musikproduktion und Reflexion, das bundesweit wohl ziemlich einmalig ist: Die Darmstädter Akademie für Tonkunst, an der Musiker ausgebildet werden, begründet gemeinsam mit der Technischen Universität Darmstadt einen neuen Studiengang für "Musikalische Kultur".
Premiere in Darmstadt
Es ist der erste universitäre Musikstudiengang überhaupt in Darmstadt. Angehende Konzertmusiker bekommen damit ab dem Wintersemester die Chance, bei den Uni-Philosophen etwa Adornos Musiktheorie kennenzulernen.
Wenn sie Feuer fangen, können sie gegeben falls auch über die Kritische Musiktheorie promovieren. Das ist europaweit eine Besonderheit.
Bis zu sieben Studierende werden im Wintersemester dieses neue Angebot wahrnehmen, freut sich Cord Meijering, Direktor der Akademie für Tonkunst:
Bis zu sieben Studierende werden im Wintersemester dieses neue Angebot wahrnehmen, freut sich Cord Meijering, Direktor der Akademie für Tonkunst:
"Ob sie scharf auf Adorno sind, weiß ich nicht. Wir haben auf jeden Fall auf unserer neuen Website unter dem Fach Musiksoziologie Adorno aufgeschlagen. Die Typen musikalischen Verhaltens. Und als Lesezeichen ein Foto von Jimi Hendrix reingelegt.
Es ist nicht einfach nur so ein Scherz, sondern es soll auch zeigen, wie Dinge wirklich in Köpfen zusammenkommen. Es gab Zeiten, in denen man sagte: Das bitte nicht. Und die andere Seite sagte: Das schon gar nicht. Und jetzt kommen Dinge zusammen. Und zwar, was das Geistige angeht und was das Musikalische angeht."
Ungeahnte Möglichkeiten
Auch für musikbegeisterte Studierende der TU Darmstadt bietet der neue Studiengang "Musikalische Kultur" Möglichkeiten, die es bisher nicht gab, betont Professor Hans Jürgen Prömel, der Präsident der TU Darmstadt. Auffallend sei jedenfalls, dass schon bisher viele TU-Angehörige großes Interesse an Musik-Praxis gezeigt hätten, obwohl es bisher kein Musikinstitut an der TU gibt. Die unkonventionelle Form der Zusammenarbeit mit der Akademie für Tonkunst sei für ihn ein hoch interessantes Experiment, betont Prömel:
"An einer Universität, wo es ein großes Musikinstitut gibt, ist das irgendwo sehr natürlich. Aber dass wir hier ein Orchester haben, einen Chor haben, was die Musikkultur angeht, habe ich stark beeindruckend empfunden. Das ist etwas, was wir gerne pflegen. Und wenn wir da nun auch noch zusammenkommen, eröffnet das ganz viele Perspektiven."
Kritische Perspektiven erhofft sich der grüne Darmstädter Oberbürgermeister Jochen Partsch vom neuen Studiengang, der Musikpraxis und Reflexion verbindet. Partsch unterzeichnete für die kommunale Akademie für Tonkunst jetzt den Vertrag mit der TU Darmstadt.
Unterstützung aus der Politik
Attraktiv sei insbesondere, dass das Erlernen eines Instrumentes etwa mit Philosophie, Soziologie, Informatik oder Geschichte kombiniert werden könne, so Partsch:
"Das ist ja so angelegt, dass es auch ein Experiment ist. Wir werden ja sehen, was die Studierenden daraus machen. In der Soziologie: Musik und Macht. Oder Musik als Propagandainstrument. Da gibt es unendlich viele Kombinationen und Erkenntnisfelder, die wir da angehen können."
Cord Mejering von der Darmstädter Akademie für Tonkunst lobt in diesem Zusammenhang ausdrücklich den Bologna-Prozess. Ohne die Modularisierung wäre ein ungewöhnlicher Kooperations-Studiengang wie die "Musikalische Kultur" wohl nie möglich gewesen, betonte Mejering bei der Vorstellung des neuen Angebotes in der TU Darmstadt.