Dirk Müller: Energie ist teuer und in den vergangenen Jahren immer teurer geworden: Strompreise, Gaspreise, Ölpreise und auch die Spritpreise. Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine hat darüber hinaus mehr als deutlich gemacht: Europa, die europäischen Staaten sind nicht nur abhängig vom Energieimport, sondern vielleicht sogar auch erpressbar. Da mag die geplante deutsch-russische Gas-Pipeline eher noch ein beruhigender Schritt in Richtung künftige Energieversorgung sein, trotz einer zunehmend umstrittenen Rolle von Gerhard Schröder. Vor diesem Hintergrund ist jedoch auch eine andere Frage wieder virulent geworden: Wie umgehen mit der Atomkraft, mit den Laufzeiten für die deutschen Kernkraftwerke? Der Energiegipfel heute Abend im Kanzleramt hat also viele Antworten zu suchen und auch zu finden.
Die Deutsche Energie-Agentur DENA sitzt mit am Konferenztisch heute Abend im Kanzleramt. Sie agiert als nationales Kompetenzzentrum für Energieeffizienz und für regenerative Energien. DENA-Chef Stefan Kohler ist jetzt am Telefon. Guten Morgen!
Stephan Kohler: Guten Morgen!
Müller: Herr Kohler, wie viele Ideologen sitzen denn heute Abend am Tisch?
Kohler: Ich möchte jetzt die Herren und die Damen, die am Tisch sitzen, nicht in Ideologen, Fachleute oder sonstige Kategorien einteilen. Sicher ist, denke ich, dass die Wirtschaft, die Industrie, aber auch die Politik ernsthaft an einem Konsens interessiert ist und das, denke ich, ist schon eine gute Grundlage für eine Diskussion über die zukünftige nachhaltige Energieversorgung Deutschlands und Europas.
Müller: Warum stehen denn 2006 immer noch diese alten, klassischen, traditionellen Gräben im Raum?
Kohler: Es sind Gräben, die halt in den 70er, 80er Jahren aufgerissen worden sind. Es sind hinter den Gräben auch, sagen wir mal, andere Denkschulen. Die klassische Kernenergie-Denkschule ist ja eine sehr angebotsorientierte, also dass wir auf Stromversorgung, Energieversorgung das Hauptgewicht legen. Wir, die Effizienzleute, denken mehr vom Nutzer, vom Verbraucher her. Wir sehen zum Beispiel als Alternative nicht nur die regenerativen Energiequellen, sondern insbesondere Energieeffizienz, also die Vermeidung von Energieverbrauch durch innovative Techniken. Und da sind wir einfach noch ein Stück auseinander, aber ich bin seit '75 in der Anti-AKW-Bewegung aktiv gewesen. Ich kann Ihnen versichern: Heute gehen wir schon viel vernünftiger um wie zum Beispiel vor Brokdorf oder bei anderen AKW-Standorten.
Müller: Herr Kohler, wenn wir auf die Politik blicken, wer hat denn da am meisten dazugelernt?
Kohler: Ich denke beide Seiten. Beide Seiten diskutieren, wobei man natürlich auch feststellen muss, in beiden Lagern gibt es immer noch Leute, die nicht miteinander reden oder sehr kontrovers. Es gibt auf der EVU-Seite, aber auch auf der anderen Seite Leute, die aufeinander zugehen, die miteinander darüber diskutieren, wie die Energieversorgung gesichert werden kann. Es ist ja wirklich dramatisch, wie zum Beispiel die Öl- und Gaspreise zugenommen haben, wie die Versorgungsunsicherheit (sic!) – und jetzt nicht wegen Russland, sondern weltweit – abgenommen hat. Wir haben eine krisenhafte Entwicklung, und deshalb müssen wir schnell etwas tun.
Müller: Wie viel von der Energiepolitik sind Wirtschaftsinteressen?
Kohler: Ich habe Sie jetzt gerade nicht verstanden. Wie viel von der Energiepolitik ...
Müller: … sind Wirtschaftsinteressen?
Kohler: Natürlich ist Energiepolitik insbesondere natürlich durch wirtschaftliche Fragen geprägt. Die Leute, die Atomenergie befürworten, die Kohlekraftwerke befürworten, aber auch die, die regenerative Energiequellen befürworten, haben natürlich massives Wirtschaftsinteresse und wir müssen natürlich auch für die Sicherung des Standortes Deutschland verträgliche Energiepreise haben, weil sonst nämlich unsere Wettbewerbsnachteile zunehmen werden.
Müller: Wie groß ist denn die Abhängigkeit der Politik von diesen Interessen?
Kohler: Ich denke, dass heute ein Gleichgewicht besteht. Natürlich können sich Politiker nicht von den wirtschaftlichen Interessen unserer großen Konzerne unabhängig machen. Aber heute haben natürlich auch die Umweltschützer, die Verbraucherschützer ein deutliches Gewicht, weil eben über die Medien doch auch ein öffentlicher Druck erzeugt werden kann, wie man auch in der letzten Zeit gesehen hat. Ich denke, die einseitige Druckmöglichkeit nur der Industrie, nur der Wirtschaft, die ist nicht mehr vorhanden, sondern heute haben wir auch in diesem Bereich schon ein ausgeglichenes Verhältnis.
Müller: Herr Kohler, die Energiekonzerne wollen oder müssen ja in den kommenden Jahren viele Milliarden investieren, um Kraftwerke moderner, sauberer, effizienter zu machen. Im Gegenzug fordern die dann die Verlängerung der AKW-Laufzeiten. Haben Sie dafür Verständnis?
Kohler: Nein, nicht ganz, weil nicht nur die Energieversorger müssen Milliarden investieren, auch die Verbraucher müssen in der Summe Milliarden investieren. Weil wir können, um jetzt nur mal im Strombereich zu bleiben, weil dort werden ja die Atomkraftwerke betrieben, allein bis zum Jahr 2020 ungefähr 20 bis 25 Prozent unseres Stromverbrauches vermeiden, indem die Nutzer, die Verbraucher, hoch effiziente Geräte einsetzen. Es geht also nicht nur darum, neue Kraftwerke zu bauen, sondern wir müssen 80 Millionen deutsche Bürger und Bürgerinnen dazu bringen, dass sie Strom effizient nutzen, indem sie eben moderne Technik kaufen. Und da werden auch Milliardeninvestitionen getätigt, die man berücksichtigen muss insbesondere für die deutsche Industrie, weil wir sind ein Hochtechnologieland. Wir haben innovative Technologien, die die Verbraucher nutzen können.
Müller: Herr Kohler, ganz gleich welche Prioritäten und Schwerpunkte in den nächsten Jahren gesetzt werden, ist das für Sie ausgemachte Sache, dass Energie in den nächsten Jahren für jeden von uns teurer wird?
Kohler: Ich denke, dass Energie, die Kilowattstunde, der Kubikmeter Gas oder der Liter Heizöl, teuer bleiben oder sogar noch teurer werden. Das ist aber nicht das Interessante für den Verbraucher. Nur ein Beispiel: Wenn ich von meinem heutigen Energieverbrauch 20, 30 Prozent einsparen kann, dann kann ich damit die spezifischen hohen Energiekosten reduzieren und mein Budget, das ich für Energie ausgeben muss, bleibt gleich. Das ist für uns eigentlich die wichtigste Strategie, die wichtigste Botschaft für heute Abend, dass wir durch effiziente Energienutzung die Energiekostenrechnung senken können.
Müller: Stefan Kohler war das, Chef der Deutschen Energie-Agentur. Vielen Dank für das Gespräch.
Kohler: Herzlichen Dank.
Die Deutsche Energie-Agentur DENA sitzt mit am Konferenztisch heute Abend im Kanzleramt. Sie agiert als nationales Kompetenzzentrum für Energieeffizienz und für regenerative Energien. DENA-Chef Stefan Kohler ist jetzt am Telefon. Guten Morgen!
Stephan Kohler: Guten Morgen!
Müller: Herr Kohler, wie viele Ideologen sitzen denn heute Abend am Tisch?
Kohler: Ich möchte jetzt die Herren und die Damen, die am Tisch sitzen, nicht in Ideologen, Fachleute oder sonstige Kategorien einteilen. Sicher ist, denke ich, dass die Wirtschaft, die Industrie, aber auch die Politik ernsthaft an einem Konsens interessiert ist und das, denke ich, ist schon eine gute Grundlage für eine Diskussion über die zukünftige nachhaltige Energieversorgung Deutschlands und Europas.
Müller: Warum stehen denn 2006 immer noch diese alten, klassischen, traditionellen Gräben im Raum?
Kohler: Es sind Gräben, die halt in den 70er, 80er Jahren aufgerissen worden sind. Es sind hinter den Gräben auch, sagen wir mal, andere Denkschulen. Die klassische Kernenergie-Denkschule ist ja eine sehr angebotsorientierte, also dass wir auf Stromversorgung, Energieversorgung das Hauptgewicht legen. Wir, die Effizienzleute, denken mehr vom Nutzer, vom Verbraucher her. Wir sehen zum Beispiel als Alternative nicht nur die regenerativen Energiequellen, sondern insbesondere Energieeffizienz, also die Vermeidung von Energieverbrauch durch innovative Techniken. Und da sind wir einfach noch ein Stück auseinander, aber ich bin seit '75 in der Anti-AKW-Bewegung aktiv gewesen. Ich kann Ihnen versichern: Heute gehen wir schon viel vernünftiger um wie zum Beispiel vor Brokdorf oder bei anderen AKW-Standorten.
Müller: Herr Kohler, wenn wir auf die Politik blicken, wer hat denn da am meisten dazugelernt?
Kohler: Ich denke beide Seiten. Beide Seiten diskutieren, wobei man natürlich auch feststellen muss, in beiden Lagern gibt es immer noch Leute, die nicht miteinander reden oder sehr kontrovers. Es gibt auf der EVU-Seite, aber auch auf der anderen Seite Leute, die aufeinander zugehen, die miteinander darüber diskutieren, wie die Energieversorgung gesichert werden kann. Es ist ja wirklich dramatisch, wie zum Beispiel die Öl- und Gaspreise zugenommen haben, wie die Versorgungsunsicherheit (sic!) – und jetzt nicht wegen Russland, sondern weltweit – abgenommen hat. Wir haben eine krisenhafte Entwicklung, und deshalb müssen wir schnell etwas tun.
Müller: Wie viel von der Energiepolitik sind Wirtschaftsinteressen?
Kohler: Ich habe Sie jetzt gerade nicht verstanden. Wie viel von der Energiepolitik ...
Müller: … sind Wirtschaftsinteressen?
Kohler: Natürlich ist Energiepolitik insbesondere natürlich durch wirtschaftliche Fragen geprägt. Die Leute, die Atomenergie befürworten, die Kohlekraftwerke befürworten, aber auch die, die regenerative Energiequellen befürworten, haben natürlich massives Wirtschaftsinteresse und wir müssen natürlich auch für die Sicherung des Standortes Deutschland verträgliche Energiepreise haben, weil sonst nämlich unsere Wettbewerbsnachteile zunehmen werden.
Müller: Wie groß ist denn die Abhängigkeit der Politik von diesen Interessen?
Kohler: Ich denke, dass heute ein Gleichgewicht besteht. Natürlich können sich Politiker nicht von den wirtschaftlichen Interessen unserer großen Konzerne unabhängig machen. Aber heute haben natürlich auch die Umweltschützer, die Verbraucherschützer ein deutliches Gewicht, weil eben über die Medien doch auch ein öffentlicher Druck erzeugt werden kann, wie man auch in der letzten Zeit gesehen hat. Ich denke, die einseitige Druckmöglichkeit nur der Industrie, nur der Wirtschaft, die ist nicht mehr vorhanden, sondern heute haben wir auch in diesem Bereich schon ein ausgeglichenes Verhältnis.
Müller: Herr Kohler, die Energiekonzerne wollen oder müssen ja in den kommenden Jahren viele Milliarden investieren, um Kraftwerke moderner, sauberer, effizienter zu machen. Im Gegenzug fordern die dann die Verlängerung der AKW-Laufzeiten. Haben Sie dafür Verständnis?
Kohler: Nein, nicht ganz, weil nicht nur die Energieversorger müssen Milliarden investieren, auch die Verbraucher müssen in der Summe Milliarden investieren. Weil wir können, um jetzt nur mal im Strombereich zu bleiben, weil dort werden ja die Atomkraftwerke betrieben, allein bis zum Jahr 2020 ungefähr 20 bis 25 Prozent unseres Stromverbrauches vermeiden, indem die Nutzer, die Verbraucher, hoch effiziente Geräte einsetzen. Es geht also nicht nur darum, neue Kraftwerke zu bauen, sondern wir müssen 80 Millionen deutsche Bürger und Bürgerinnen dazu bringen, dass sie Strom effizient nutzen, indem sie eben moderne Technik kaufen. Und da werden auch Milliardeninvestitionen getätigt, die man berücksichtigen muss insbesondere für die deutsche Industrie, weil wir sind ein Hochtechnologieland. Wir haben innovative Technologien, die die Verbraucher nutzen können.
Müller: Herr Kohler, ganz gleich welche Prioritäten und Schwerpunkte in den nächsten Jahren gesetzt werden, ist das für Sie ausgemachte Sache, dass Energie in den nächsten Jahren für jeden von uns teurer wird?
Kohler: Ich denke, dass Energie, die Kilowattstunde, der Kubikmeter Gas oder der Liter Heizöl, teuer bleiben oder sogar noch teurer werden. Das ist aber nicht das Interessante für den Verbraucher. Nur ein Beispiel: Wenn ich von meinem heutigen Energieverbrauch 20, 30 Prozent einsparen kann, dann kann ich damit die spezifischen hohen Energiekosten reduzieren und mein Budget, das ich für Energie ausgeben muss, bleibt gleich. Das ist für uns eigentlich die wichtigste Strategie, die wichtigste Botschaft für heute Abend, dass wir durch effiziente Energienutzung die Energiekostenrechnung senken können.
Müller: Stefan Kohler war das, Chef der Deutschen Energie-Agentur. Vielen Dank für das Gespräch.
Kohler: Herzlichen Dank.