Georg Ehring: Herr Kloke-Lesch, sie sind vom SDSN Deutschland, das ist ein Netzwerk für die Umsetzung der Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung, zu denen der Klimaschutz genauso gehört wie die Beseitigung von Hunger und Armut. Die Bevölkerung wächst und wächst. Dieses Wachstum der Bevölkerung zunächst einmal mit Blick auf Afrika, was bedeutet das für den CO2-Ausstoß der Welt?
Adolf Kloke-Lesch: Relativ wenig. Wir wissen, dass der weltweite Ausstoß von Emissionen zwischen dem 19. Jahrhundert und heute sich um den Faktor 100 erhöht hat, während die Weltbevölkerung sich in der Zeit, sagen wir mal, vervierfacht hat. Afrika trägt heute zu den aktuell weltweiten Emissionen gerade mal vier Prozent bei und die Pro-Kopf-Emissionen in Afrika liegen in der Regel unter einer Tonne pro Kopf, das ist ein Zehntel von dem, was wir in Europa haben, oder ein Zwanzigstel von dem, was wir in den nordamerikanischen Staaten haben.
"Entscheidend ist der Lebensstil"
Ehring: Das heißt, wenn die Zahl der Menschen in Afrika zum Beispiel oder auch in manchen Ländern Asiens oder Lateinamerikas deutlich wächst, dann heißt das für das Klima nicht sehr viel?
Kloke-Lesch: Es heißt zunächst mal nicht sehr viel. Entscheidend ist tatsächlich der Lebensstil, der sich da entwickelt, und insofern ist Entwicklung die Lösung, sowohl für das Thema Klima wie auch für das Thema Bevölkerung. Wir wissen, dass, wenn die Menschen bessere Aussichten auf Bildung haben, bessere Aussichten auf Jobs haben, die Zahl der Kinder nachlässt. Wir wissen, dass Frauen, die sechs Jahre zur Schule gehen, nur halb so viele oder ein Drittel so viele Kinder bekommen wie Frauen, die nur ein oder zwei Jahre zur Schule gehen.
Ehring: Wenn wir jetzt gesehen haben, dass Afrika und arme Länder in anderen Regionen gar nicht so viel zur Erderwärmung beitragen – wie sieht es denn in den Regionen aus, die heute viel CO2 ausstoßen? Gibt es da auch das Problem des Bevölkerungswachstums?
Kloke-Lesch: Kaum. Nehmen wir mal China als den weltweit größten Emittenten von CO2. China hat eine heute mehr oder weniger stabile Bevölkerungszahl und trotzdem explodieren die CO2-Emissionen unverändert. Chinas Bevölkerung wird sich nach einigen Prognosen in den nächsten Jahren vermutlich deutlich reduzieren. Man spricht davon, dass die bis zum Ende des Jahrhunderts durchaus bei 500 bis 600 Millionen liegen könnte, also die Hälfte von dem, was heute ist. Entscheidend ist die Art und Weise, wie wir leben und wie wir produzieren.
Kloke-Lesch: Lieber ein Kind, als ein Geländefahrzeug in der Stadt
Ehring: Das heißt, wenn wir jetzt auch mal nach Europa blicken: Müssten wir die Kinderzahl reduzieren, um das Klima zu retten? Wir stoßen ja pro Kopf relativ viel aus.
Kloke-Lesch: Ja, aber ich würde immer noch sagen, lieber entscheide ich mich für ein Kind, als für ein Geländefahrzeug in der Stadt. Also ich glaube, auch hier ist der Lebensstil entscheidend, und die Aufforderung, dass wir die Zahl der Menschen in Europa reduzieren müssten, halte ich für abwegig.
Ehring: Klimaschutz entscheidet sich im nächsten Jahrzehnt, sagen viele Wissenschaftler. Das heißt, es geht um andere Dinge?
Kloke-Lesch: Ja, es geht darum, dass wir die Energieerzeugung in erster Linie dekarbonisieren, das heißt also, weg von der Emission von CO2, weg von der Kohle. Da hat Deutschland jetzt Schritte unternommen. Das muss in Europa deutlich vorangehen. Das sehen wir auch in Ländern wie Indien, die immer noch sehr stark von Kohle abhängen, die auch noch neue Kohlekraftwerke bauen, aber auch bei einigen der neuen indischen Kohlekraftwerken sieht man heute, dass die unwirtschaftlich werden, weil man in Indien heute Strom mit Solarenergie billiger erzeugen kann als durch Kohle. Und diesen Weg kann man konsequent vorangehen.
Hohe Bevölkerungszahlen sind Antwort auf Armut
Ehring: Die hohen Geburtenzahlen in manchen Ländern, vor allem in Afrika, sind ja trotzdem ein Problem für die Ernährung der Menschen zum Beispiel. Was ist der Weg, um von diesen hohen Zahlen runterzukommen?
Kloke-Lesch: Ja, die hohen Bevölkerungszahlen und Zuwachsraten sind ja vor allem eine Antwort auf die Armut: Weil die Menschen wenig Perspektive haben, reagieren sie mit mehr Kindern. Das ist ein paradoxes Phänomen, aber ein Phänomen, was man ja sonst in der Natur beobachten kann, und die Lösung kann nur Zuversicht in die Zukunft sein, das heißt, Chancen auf gutes Leben, eine sichere Altersversorgung und Jobs. Das trägt dazu bei, dass Frauen sich seltener entscheiden, Kinder zu bekommen. Und damit [Red. Anm.: unverständliche Passage] ganz entscheidendes Phänomen an, ich habe eben schon genannt: Die Bildung von Frauen ist entscheidend, ihre Rechte sind entscheidend und ihre Stellung in der Gesellschaft, und dann ändert sich auch was, und wir sehen das auch in Afrika. Die Wachstumsraten liegen zum Beispiel in Kenia bei der Bevölkerung – Kenia ist ein wirtschaftlich etwas erfolgreicheres Land – nur noch halb so hoch wie in Ländern der Sahelzone oder Zentralafrikas.
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