Georg Ehring: Datenschutz kann ganz schön auf die Nerven gehen: In den vergangenen Wochen habe ich Dutzenden von Informationsdiensten und Newslettern mitgeteilt, dass ich sie weiter beziehen möchte - und, ich gebe es zu - kein einziges Mal die dazu gehörenden Erläuterungen zum Datenschutz von vorne bis hinten durchgelesen. Anlass war natürlich die Europäische Datenschutz-Grundverordnung, vor genau einem Monat ist sie in Kraft getreten. Für mehr Datenschutz setzt sich Markus Beckedahl vom Online-Portal Netzpolitik.org ein und ihn habe ich vor dieser Sendung gefragt, ob die vielen Einverständniserklärungen und Erläuterungen wirklich nötig waren.
Markus Beckedahl: Es war offensichtlich nötig, weil die Datenschutzbestimmungen von ganz vielen, eigentlich von allen Unternehmen geändert wurden, und da müssen sie dann auch wiederum rein einwilligen.
Mehr Gedanken um Schutz von personenbezogenen Daten
Ehring: Sind denn meine Daten jetzt besser geschützt und wenn ja, vor wem?
Beckedahl: Die Datenschutz-Grundverordnung zwingt jetzt Unternehmen vor allen Dingen dazu, sich mehr Sorgen oder mehr Gedanken um den Schutz von personenbezogenen Daten zu machen, aber auch gleichzeitig Datensicherheitskonzepte zu entwickeln. Das Ausmaß sieht man aktuell noch nicht so ganz, aber dieser veränderte Rechtsrahmen schafft die Basis dafür, dass wir zukünftig im Idealfall besseren Datenschutz haben, aber vor allen Dingen auch als Nutzer, als Bürger bessere Datenschutz-Durchsetzungsrechte gegenüber Unternehmen haben, die in der Vergangenheit mit unseren Daten vielleicht nicht immer so sorgsam umgegangen sind, wie man es erwarten könnte.
"Fällt jetzt leichter, gegen Google und Facebook vorzugehen"
Ehring: Große Portale wie Facebook oder Google, die haben mich ja bisher mit großen Mengen an zielgenauer Reklame zugepflastert. Fällt ihnen das jetzt schwerer?
Beckedahl: Vor allen Dingen fällt es uns jetzt leichter, gegen Google und Facebook gerichtlich vorgehen zu können, weil bisher musste man immer nach Irland gehen, weil diese US-Konzerne gerne nach Irland gegangen sind, weil sie dort eine laxe Datenschutzaufsicht hatten und niedrige Steuern. Das ist bisher nur dem Österreicher Max Schrems einmal gelungen, quasi dieses rechtliche Spiel durchzuspielen. Mir selbst wäre das gar nicht so möglich gewesen, in einem fremden Land, in einer fremden Sprache meine Rechte durchzusetzen. Zukünftig kann ich das in Deutschland machen, beziehungsweise können das Verbände in meinem Namen für meine Rechte vor unseren Gerichten versuchen durchzusetzen.
"Gerne so getan haben, als ob sie etwas löschen"
Ehring: Wissen denn solche Portale jetzt weniger über mich, oder müssen sie was vergessen, wenn ich da Widerspruch eingelegt habe?
Beckedahl: Sie müssen auf jeden Fall uns besser informieren, welche Daten sie wie verarbeiten, und wir haben verbesserte Löschrechte gegenüber Unternehmen, die bisher ja auch ganz gerne so getan haben, als ob sie etwas löschen, aber dann tatsächlich nicht so richtig gelöscht haben und keiner sich das genau anschauen konnte.
"Schuld einer verkorksten Informationspolitik"
Ehring: Durch die Flut von Einverständniserklärungen und durch den Zwang, sich damit zu beschäftigen, ist diese Grundverordnung ziemlich unbeliebt geworden. Wie gefällt Sie Ihnen denn?
Beckedahl: Mir gefällt jetzt nicht alles, was da drinsteht, aber ich finde, es ist eine ganz gute Basis geworden, dass man sich mal mehr mit Datenschutz beschäftigt, dass unsere Rechte besser geschützt sind und vor allen Dingen besser durchsetzbar sind. Nichts desto trotz bleibt das Datenschutzrecht relativ komplex und hier kann man auch ganz klar sagen: Die Bundesregierung hat leider versagt, rechtzeitig ausführliche Informationen für all die verunsicherten Menschen, die Daten verarbeiten in ihren Vereinen, in ihren Unternehmen, zu liefern. Das ist jetzt nicht unbedingt die Schuld der Datenschutz-Grundverordnung, sondern es ist die Schuld einer verkorksten Informationspolitik dazu.
"Von Abmahnwellen kann man nicht sprechen"
Ehring: Es gibt ja die Befürchtung, Missbrauch der Verordnung selber, zum Beispiel zu Abmahnungen bei kleinen Anbietern. Das wird befürchtet. Meinen Sie, dass das zurecht besteht? Haben die ersten Wochen gezeigt, dass es solche Abmahnwellen tatsächlich gibt?
Beckedahl: Von Abmahnwellen kann man nicht sprechen. Es gibt Einzelfälle, wo versucht wird, mit Abmahnungen gegen Wettbewerber vorzugehen. Und hier muss man auch ganz klar sagen: Das ist ein deutscher Sonderweg, dass wir uns ein solches Abmahnsystem leisten. Hier könnte die Bundesregierung klare Grenzen setzen und dieses Abmahnsystem, was es in diesem Ausmaß in keinem anderen Land in der Europäischen Union gibt, beenden - beispielsweise indem man klar regelt, dass die erste Abmahnung kostenlos sein muss, quasi eine Informationsaufforderung, und erst wenn man der nicht nachkommt, quasi eine kostenpflichtige zweite Abmahnung zu verschicken. Das würde der Rechtsunsicherheit besser entgegenwirken.
"Datenschutzfreundliche Voreinstellungen verpflichtend einführen"
Ehring: Wo sind denn jetzt noch Lücken in der Datenschutz-Grundverordnung und wie schlagen Sie vor, die zu schließen?
Beckedahl: Es wird ja gerade auf europäischer Ebene die kleine Schwester der Datenschutz-Grundverordnung diskutiert, die sogenannte ePrivacy-Verordnung, wo es unter anderem darum geht, ob man jetzt zukünftig in diesem ganzen Internet der Dinge Gerätschaften beziehungsweise in Browsern datenschutzfreundliche Voreinstellungen verpflichtend einführt. Das heißt, im Moment ist es ja so: Alles ist erst mal offen und ich muss mich dann ausführlich damit beschäftigen, meine Rechte quasi zu sichern, indem ich die Datenschutzeinstellungen auf scharf schalte. Das könnte man umdrehen und wer dann freizügig sein will, kann sich dann quasi selbst freiklicken.
Auf der anderen Seite bringt die Datenschutz-Grundverordnung nicht ganz so viel gegen sogenanntes Online-Tracking. Hier könnte die ePrivacy-Verordnung auch helfen, unsere Rechte besser durchzusetzen gegen all die intransparenten Tracking-Versuche. Wenn ich auf eine Webseite gehe und im Hintergrund werden 40, 50 verschiedene Werbenetzwerke darüber informiert, welchen Artikel ich lese, dann sehe ich das schon als invasiven Eingriff in meine Grundrechte an, und das könnte man mit der ePrivacy-Verordnung ändern.
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