Christoph Heinemann: Venezuela und Ecuador haben die diplomatischen Beziehungen zu Kolumbien abgebrochen. Begründung: der kolumbianische Militäreinsatz gegen Farc-Rebellen. Am Wochenende waren kolumbianische Soldaten auf ecuadorianisches Gebiet vorgedrungen und hatten dort einen Führer der linken Rebellengruppe Farc getötet. Kolumbien wirft den Regierungen in Caracas und Quito vor, sie unterstützten die Farc-Rebellen, in deren Hand sich unter anderen die frühere kolumbianische Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt befindet. Am Telefon ist Claudia Zilla. Sie ist Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik für Mittelamerika. Guten Tag!
Claudia Zilla: Guten Tag Herr Heinemann!
Heinemann: Frau Zilla, trifft der Vorwurf zu, der in Bogotá erhoben wird? Unterstützen die Regierungen von Venezuela und Ecuador die Farc-Rebellen?
Zilla: Man konnte in den letzten Monaten auf jeden Fall eine Annäherung der Regierung Venezuelas an die Farc beobachten, eine Annäherung, die in den politischen Reden von Chávez zu hören war. Inwiefern jenseits dieser politischen symbolischen Unterstützung auch eine materielle Unterstützung stattgefunden hat, das bleibt ungewiss, obwohl auch zugleich im Rahmen des Möglichen. Die kolumbianische Regierung möchte nun, dass eine Untersuchungskommission der OAF sich mit der Frage beschäftigt, inwiefern diese Dokumente echt sind.
Heinemann: Welche Strategie oder welches Ziel verfolgt Hugo Chávez denn mit dieser Unterstützung für die Farc?
Zilla: Das ist zu verbinden mit dem regionalen Führungsanspruch von Chávez in Südamerika. Es gibt auch auf der deklaratorischen Ebene im Sinne der Revolution eine gewisse Verbindung. Dadurch gewinnt Chávez an Symbolkraft. Gleichzeitig ist eine mögliche Erklärung, dass er dadurch von den Problemen im Inland, von den Versorgungsproblemen in Venezuela ablenken kann.
Heinemann: Und ansonsten passt ihm Álvaro Uribe, der Präsident Kolumbiens, ideologisch nicht in den Kram, weil das der einzige konservative Präsident in einem Umfeld ist, wo fast sonst nur noch linke Staatsoberhäupter regieren?
Zilla: Ideologisch stehen sie weit auseinander und zu dem kommt natürlich die politische und ökonomische Unterstützung der USA in Kolumbien im Rahmen des "Plan Colombia".
Heinemann: In Ecuador heißt es nun Uribe, also der kolumbianische Präsident, habe die Freilassung von Ingrid Betancourt vereitelt. Versucht Uribe die Freilassung seiner politischen Gegenspielerin zu verhindern?
Zilla: Ich glaube es ist nicht davon auszugehen, dass er das extra verhindern wird. Die Frage ist nur, ob gerade dieser Angriff im Rahmen von Verhandlungen für einen humanitären Austausch eine Maßnahme ist, die zur Lösung des Konflikts beiträgt. Eine Möglichkeit ist, dass die Farc dadurch geschwächt wird. In der letzten Erklärung der Farc wurde deutlich gesagt, dass das, was passiert ist, kein Hindernis sein wird für einen humanitären Austausch. Förderlich ist dies aber sicherlich nicht.
Heinemann: Präsident Uribes Vater ist von der Farc ermordet worden. Führt Álvaro Uribe auch einen Privatkrieg gegen die Rebellen?
Zilla: Es gehörte zu seiner Wahlkampagne der "Plan Colombia", der Kampf gegen die Drogen und gegen die Guerilla, und mit diesem Auftrag wurde er auch wiedergewählt, so dass es zu seiner politischen Strategie gehört, die bekannt ist im Lande.
Heinemann: Der Vizechef der Farc Raúl Reyes ist jetzt getötet worden. Die Rebellen verfügen "nur" noch über 8.000 bis 9.000 Kämpfer. Wie stark oder schwach ist die Farc jetzt und welche Ziele verfolgt diese Organisation?
Zilla: Das ist sehr schwer einzuschätzen. Wir bewegen uns immer in einer Grauzone von Daten, die nicht prüfbar sind. Auf jeden Fall war das der zweite Mann und er hatte auch eine wichtige Funktion inne, nämlich als Sprecher der Farc. Deswegen war er die Kontaktperson für die französische Regierung für die Freilassung von Betancourt. Das macht die Situation etwas komplexer, aber es ist nicht davon auszugehen, dass diese Verhandlungen unterbrochen wären.
Heinemann: Ist der Kampf gegen die Farc militärisch zu gewinnen?
Zilla: Sicherlich nicht. Die Drogenproblematik und die Guerillaproblematik in Kolumbien ist nicht nur eine militärische Problematik, sondern eine gesellschaftliche und eine soziale. Das ist möglicherweise der Schwachpunkt der Strategie von Uribe, die sicherlich zu viel mehr Sicherheit im Lande geführt hat, aber das Drogenproblem nicht gelöst hat, denn diese Strategie basiert grundsätzlich auf einer militärischen Komponente.
Heinemann: Frau Zilla, droht ein militärischer Konflikt zwischen Kolumbien und den Nachbarstaaten über den innerkolumbianischen Konflikt hinaus?
Zilla: Es ist davon auszugehen, dass es nicht zu einem Ausbruch eines Krieges kommt. Dennoch könnte ein kleiner Fehler dazu führen, aber es ist unwahrscheinlich. Venezuela hat viel zu verlieren - nicht nur Venezuela, aber vor allem Venezuela - in einem Krieg gegen Kolumbien. Man muss bedenken, dass Kolumbien möglicherweise besser ausgerüstet ist und seine Kräfte auch besser ausgebildet sind und mit einer großen Unterstützung von den USA zählt. Das ist nicht der Fall bei Venezuela. Hinzu kommt, dass sowohl die USA als auch Kolumbien die Haupthandelspartner von Venezuela sind. Das heißt ein Krieg wäre kein rationaler Schritt.
Heinemann: Die USA haben Sie jetzt mehrfach angesprochen. Der Konflikt spielt sich ja in deren sagen wir erweitertem Hinterhof ab. Wie wird sich Washington mittelfristig verhalten?
Zilla: Das hängt davon ab, wie die Entwicklungen weiterlaufen. Ich denke an erster Stelle wird die USA versuchen, sich zurückzuhalten, sich nicht einzumischen und darauf zählen, dass Brasilien zusammen mit anderen Regierungen Südamerikas sich um eine Vermittlung, um eine friedliche Lösung des Konflikts bemühen.
Heinemann: Gibt es denn eine schlüssige Latein- oder Mittelamerikapolitik von Washington aus?
Zilla: Immer weniger. Es gibt keine Strategie für die Region, auch nicht für die Subregionen, die jenseits der Suche nach bilateralen Freihandelsverträgen liegt. Die Prioritäten und die Sicherheitsprioritäten der USA liegen in anderen Regionen und wenn sie mit Lateinamerika zu tun haben, dann fokussieren sie die Länder Mexiko und Kolumbien.
Heinemann: Claudia Zilla, Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik für Mittelamerika. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
Claudia Zilla: Guten Tag Herr Heinemann!
Heinemann: Frau Zilla, trifft der Vorwurf zu, der in Bogotá erhoben wird? Unterstützen die Regierungen von Venezuela und Ecuador die Farc-Rebellen?
Zilla: Man konnte in den letzten Monaten auf jeden Fall eine Annäherung der Regierung Venezuelas an die Farc beobachten, eine Annäherung, die in den politischen Reden von Chávez zu hören war. Inwiefern jenseits dieser politischen symbolischen Unterstützung auch eine materielle Unterstützung stattgefunden hat, das bleibt ungewiss, obwohl auch zugleich im Rahmen des Möglichen. Die kolumbianische Regierung möchte nun, dass eine Untersuchungskommission der OAF sich mit der Frage beschäftigt, inwiefern diese Dokumente echt sind.
Heinemann: Welche Strategie oder welches Ziel verfolgt Hugo Chávez denn mit dieser Unterstützung für die Farc?
Zilla: Das ist zu verbinden mit dem regionalen Führungsanspruch von Chávez in Südamerika. Es gibt auch auf der deklaratorischen Ebene im Sinne der Revolution eine gewisse Verbindung. Dadurch gewinnt Chávez an Symbolkraft. Gleichzeitig ist eine mögliche Erklärung, dass er dadurch von den Problemen im Inland, von den Versorgungsproblemen in Venezuela ablenken kann.
Heinemann: Und ansonsten passt ihm Álvaro Uribe, der Präsident Kolumbiens, ideologisch nicht in den Kram, weil das der einzige konservative Präsident in einem Umfeld ist, wo fast sonst nur noch linke Staatsoberhäupter regieren?
Zilla: Ideologisch stehen sie weit auseinander und zu dem kommt natürlich die politische und ökonomische Unterstützung der USA in Kolumbien im Rahmen des "Plan Colombia".
Heinemann: In Ecuador heißt es nun Uribe, also der kolumbianische Präsident, habe die Freilassung von Ingrid Betancourt vereitelt. Versucht Uribe die Freilassung seiner politischen Gegenspielerin zu verhindern?
Zilla: Ich glaube es ist nicht davon auszugehen, dass er das extra verhindern wird. Die Frage ist nur, ob gerade dieser Angriff im Rahmen von Verhandlungen für einen humanitären Austausch eine Maßnahme ist, die zur Lösung des Konflikts beiträgt. Eine Möglichkeit ist, dass die Farc dadurch geschwächt wird. In der letzten Erklärung der Farc wurde deutlich gesagt, dass das, was passiert ist, kein Hindernis sein wird für einen humanitären Austausch. Förderlich ist dies aber sicherlich nicht.
Heinemann: Präsident Uribes Vater ist von der Farc ermordet worden. Führt Álvaro Uribe auch einen Privatkrieg gegen die Rebellen?
Zilla: Es gehörte zu seiner Wahlkampagne der "Plan Colombia", der Kampf gegen die Drogen und gegen die Guerilla, und mit diesem Auftrag wurde er auch wiedergewählt, so dass es zu seiner politischen Strategie gehört, die bekannt ist im Lande.
Heinemann: Der Vizechef der Farc Raúl Reyes ist jetzt getötet worden. Die Rebellen verfügen "nur" noch über 8.000 bis 9.000 Kämpfer. Wie stark oder schwach ist die Farc jetzt und welche Ziele verfolgt diese Organisation?
Zilla: Das ist sehr schwer einzuschätzen. Wir bewegen uns immer in einer Grauzone von Daten, die nicht prüfbar sind. Auf jeden Fall war das der zweite Mann und er hatte auch eine wichtige Funktion inne, nämlich als Sprecher der Farc. Deswegen war er die Kontaktperson für die französische Regierung für die Freilassung von Betancourt. Das macht die Situation etwas komplexer, aber es ist nicht davon auszugehen, dass diese Verhandlungen unterbrochen wären.
Heinemann: Ist der Kampf gegen die Farc militärisch zu gewinnen?
Zilla: Sicherlich nicht. Die Drogenproblematik und die Guerillaproblematik in Kolumbien ist nicht nur eine militärische Problematik, sondern eine gesellschaftliche und eine soziale. Das ist möglicherweise der Schwachpunkt der Strategie von Uribe, die sicherlich zu viel mehr Sicherheit im Lande geführt hat, aber das Drogenproblem nicht gelöst hat, denn diese Strategie basiert grundsätzlich auf einer militärischen Komponente.
Heinemann: Frau Zilla, droht ein militärischer Konflikt zwischen Kolumbien und den Nachbarstaaten über den innerkolumbianischen Konflikt hinaus?
Zilla: Es ist davon auszugehen, dass es nicht zu einem Ausbruch eines Krieges kommt. Dennoch könnte ein kleiner Fehler dazu führen, aber es ist unwahrscheinlich. Venezuela hat viel zu verlieren - nicht nur Venezuela, aber vor allem Venezuela - in einem Krieg gegen Kolumbien. Man muss bedenken, dass Kolumbien möglicherweise besser ausgerüstet ist und seine Kräfte auch besser ausgebildet sind und mit einer großen Unterstützung von den USA zählt. Das ist nicht der Fall bei Venezuela. Hinzu kommt, dass sowohl die USA als auch Kolumbien die Haupthandelspartner von Venezuela sind. Das heißt ein Krieg wäre kein rationaler Schritt.
Heinemann: Die USA haben Sie jetzt mehrfach angesprochen. Der Konflikt spielt sich ja in deren sagen wir erweitertem Hinterhof ab. Wie wird sich Washington mittelfristig verhalten?
Zilla: Das hängt davon ab, wie die Entwicklungen weiterlaufen. Ich denke an erster Stelle wird die USA versuchen, sich zurückzuhalten, sich nicht einzumischen und darauf zählen, dass Brasilien zusammen mit anderen Regierungen Südamerikas sich um eine Vermittlung, um eine friedliche Lösung des Konflikts bemühen.
Heinemann: Gibt es denn eine schlüssige Latein- oder Mittelamerikapolitik von Washington aus?
Zilla: Immer weniger. Es gibt keine Strategie für die Region, auch nicht für die Subregionen, die jenseits der Suche nach bilateralen Freihandelsverträgen liegt. Die Prioritäten und die Sicherheitsprioritäten der USA liegen in anderen Regionen und wenn sie mit Lateinamerika zu tun haben, dann fokussieren sie die Länder Mexiko und Kolumbien.
Heinemann: Claudia Zilla, Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik für Mittelamerika. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!