Einfache Sprache
Expertin Herrmann: Neues Tagesschau-Angebot ist "unglaublich viel wert"

Die Wissenschaftlerin Friederike Herrmann hat vor dem Hintergrund ihrer Forschungsarbeit auf die Bedeutung von Inklusionsangeboten wie der "Tagesschau in einfacher Sprache" verwiesen. Deutschlands bekannteste Nachrichtensendung hatte mit dem neuen Format teils kritische Reaktionen ausgelöst.

    Das Logo der Tagesschau in Einfacher Sprache
    Die Tagesschau gibt es jetzt auch in Einfacher Sprache. (NDR / dpa / NDR)
    Bei den Betroffenen herrsche große Freude, sagte Herrmann im Podcast "Medien – Cross und Quer" des Saarländischen Rundfunks (SR). Dass nun die bekannteste deutsche Nachrichtensendung ein solches Angebot mache, sei unglaublich viel wert. Dabei gehe es nicht nur um das neue Angebot an sich, betonte Herrmann. "Zwölf Prozent der erwachsenen Bevölkerung hat sich bisher missachtet gefühlt. Leute, die Schwierigkeiten haben, komplexe Texte zu verstehen, sprechen das nach unseren Forschungsergebnissen zwar offen aus. Aber: Die Leute werden alleine gelassen mit ihren Problemen", erklärt die Wissenschaftlerin.

    Hermann: Nachrichten erzählerischer gestalten

    Mit Blick auf die Gestaltung von journalistischen Inhalten in sprachlich vereinfachter Form betonte Herrmann, dabei gehe es nicht ausschießlich um die Sprache. Eine große Rolle spiele die Erzählweise. Gerade bei Nachrichten gebe es das Problem, dass Einzelinformationen häufig nicht über einen Erzählstrang verbunden seien. "Man sollte also versuchen, Nachrichten erzählerischer zu gestalten."
    Friederike Herrmann leitet das Forschungsprojekt "Leichte und Einfache Sprache im Journalismus" an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Nach Angaben der Hochschule werden im Rahmen des Projektes Menschen mit Behinderung, Menschen, die nicht richtig lesen und schreiben gelernt haben sowie Geflüchtete in qualitativen Studien befragt.

    Kritik an neuem "Tagesschau"-Inklusionsangebot

    Die "Tagesschau in Einfacher Sprache“ richtet sich an Menschen mit Lese-, Lern- oder Hörschwierigkeiten sowie an Personen mit geringen Deutschkenntnissen, wie der federführende Norddeutsche Rundfunk (NDR) mitteilte. Die Sendung ist um 19 Uhr auf Tagesschau24 zu sehen und steht auf "tagesschau.de" und in der ARD-Mediathek bereit. Die Universität Hildesheim begleitet das Projekt. Laut einer LEO-Studie aus dem Jahr 2018 lesen und schreiben etwa 17 Millionen Menschen in Deutschland zwischen 18 und 64 Jahren auf Vierte-Klasse-Niveau oder schlechter.
    In den sozialen Medien löste das neue Angebot geteilte Reaktionen aus. Die Frankfurter Rundschau (FR) etwa zitiert User des Onlinedienstes X, die von "Armutszeugnis“ und "Kinderfernsehen" sprachen. Ein Nutzer erklärte demnach, "man wird schon ein wenig dümmer beim Zuhören". Der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie (BVL) bezweifelt der Zeitung zufolge, dass das Angebot hilfreich für Menschen mit Leseschwierigkeiten ist. Betroffene hätten bei Fernseh- und Radiobeiträgen kein Problem, die Inhalte zu verstehen, da sie in ihrer Auffassungsgabe nicht beeinträchtigt seien, erklärte BVL-Sprecherin Höinghaus. Die „Tagesschau in einfacher Sprache" könne den Eindruck erwecken, dass ihre Zuschauerinnen und Zuschauer Bildungslücken hätten. "Nur, weil eine Person eine Leseschwäche hat, bedeutet das aber nicht, dass sie nicht weiß, was zum Beispiel ein Finanzminister ist", erläuterte Höinghaus.

    Weitere Informationen:

    SR-Podcast ”Medien – Cross und Quer”
    Die ”Tagesschau in einfacher Sprache”
    Die ”Nachrichten in einfacher Sprache” des Deutschlandfunks
    Diese Nachricht wurde am 24.06.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.