„Hannover führt zum ersten Mal eine Exportmesse durch, die für die Gesamtwirtschaft der Westzonen von überragender Bedeutung ist. Ein ehemaliger Rüstungsbetrieb in dem Vorort Laatzen wurde in das Ausstellungsgelände verwandelt.“
Konkurrenz zu Leipzig
Die deutschen Städte lagen in Trümmern, als die "Wochenschau" in den Kinos eine Sensation verkündete: In Konkurrenz zum traditionsreichen Standort Leipzig, der in der Sowjetischen Besatzungszone lag, wurde in Hannover - Britische Zone - eine Messe begründet, die der maroden Wirtschaft wieder aufhelfen sollte. Der CDU-Politiker Erich Köhler, Vorsitzender des Wirtschaftsrates der „Bi-Zone“, bei der Eröffnung am 18. August 1947:
„So möge denn diese Exportausstellung ein Zeugnis deutschen wirtschaftlichen Könnens und Wollens sein. Ein wichtiger Schritt vorwärts sowie der Eingliederung der deutschen Wirtschaft in die Weltwirtschaft.“
Eine Exportgüter-Schau nach dem Hungerwinter 1946/47
Die Initiative zur Gründung der Exportmesse, die im Laufe der Jahrzehnte als „Hannover Messe“ zu einer riesigen Investitionsgüterschau wuchs, ging von den Briten aus. Mit den gerade erst geschaffenen Ländern Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen kontrollierte die Besatzungsmacht Kerngebiete der deutschen Industrie. Der Krisenwinter 1946/47 zeigte, dass eine hungernde Bevölkerung, für die die Militärregierung Nahrungsmittel importieren musste, nicht in der Lage sein würde, die Produktion auch nur annähernd wieder auf Vorkriegsniveau zu bringen.
Zugleich gab es aber Bereiche der Industrie, die exportfähige Waren herstellten. Sie sollten als Devisenbringer dienen, um die Belastung des britischen Staatshaushaltes zu verringern. Brian Robertson, der Chef der britischen Militärverwaltung, ein ehemaliger Dunlop-Manager, gab im April 1947 für Hannover die Direktive:
"Vom 18. August bis 7. September 1947 hat eine Exportmesse stattzufinden. Am 18. August um 11 Uhr wird sie eröffnet. Die Deutschen sind dafür verantwortlich, dass die Exportmesse ein Erfolg wird.“
Die Stunde der "Messemuttis"
In wenig mehr als drei Monaten räumten rund 1.600 Arbeiter die Hallen der ehemals kriegswichtigen Vereinigten Leichtmetallwerke in Hannover-Laatzen für die Exportmesse. Zugleich mussten im stark zerstörten Hannover Quartiere für die anreisenden Gäste beschafft werden. Um sie in Schulgebäuden unterzubringen, wurden die Sommerferien verschoben. Trotz knappen Wohnraums stellten Privatleute Zimmer zur Verfügung. Es war die Geburtsstunde der legendären „Messemuttis“, die Schlafplätze vermieteten:
„Wir hatten nur einen einzigen Messegast 1947. Und da wurde in der Wohnküche ein Bett aufgestellt, naja, und da schlief der Gast. Und das Einzige, was ich in Erinnerung habe, dass der Messegast das Stück Seife hinterließ, was für uns 1947 ja schon ein kleines Wunder war.“
Deutsche Besucher durften nur zuschauen
Für den Transport der Messebesucher, die vorwiegend aus den Niederlanden, England, Belgien, Dänemark, Jugoslawien und Finnland anreisten, aber auch aus den USA, sorgten Militärlastwagen. An das Warenangebot, das ihnen präsentiert wurde - Deutsche waren nur als Zuschauer zugelassen - erinnerte sich der hannoversche Journalist Dieter Tasch:
„Normalerweise in den Läden war ja nichts. Aber die Messe war wirklich reichlich bestückt. Sie konnten den ersten VW-Käfer kaufen, wenn Sie Dollars hatten, und Sie konnten genauso gut irgendwelche Mobiliargegenstände erwerben, auch wiederum nur gegen Dollars.“
Zum "geläuterten Kapitalismus" via Fischbrötchen
Dazu Maschinen und Elektrotechnik zur Industrieausrüstung, Schneidwaren, Metalle, optische Geräte, Textilien - bis hin zu Miederwaren. Eben alles, was in der britischen und der amerikanischen Zone in den ersten beiden Nachkriegsjahren produziert wurde.
Abschlüsse über 31 Millionen Dollar wurden in Hannover getätigt. Wirtschaftspolitisches Ziel der britischen Besatzungsmacht war nach Aussage des Historikers Werner Plumpe die Etablierung eines „geläuterten Kapitalismus“ nach westlichem Vorbild. Die Dinge des alltäglichen Bedarfs wurden jedoch bis zur Währungsreform 1948 rationiert. Die Hoffnung, dass die Verhältnisse sich bessern könnten, signalisierte den Bürgern von Hannover vor allem eins:
„Während der Eröffnungszeit gab es Fischbrötchen ohne Marken. Und da standen die Leute natürlich Schlange. Und das ist auch vielen Hannoveranern noch ins Gedächtnis gekommen: Fischbrötchenmesse sagt man auch zum Teil heute noch.“