Pferde, Rehe, Katzen: Die Motive des Malers Franz Marc wirkten harmlos, nicht jedoch die Art, wie er sie darstellte. Er malte aus der Erinnerung, betonte die typischen Bewegungen der Tiere, adelte die Pferde durch ein vergeistigtes Blau, die Rehe standen in erdhaftem Rot oder versöhnendem Gelb beieinander. Er verschränkte deren Körper mit der Landschaft, splitterte den Raum auf, sodass seine Bilder wie Blicke durch ein Kaleidoskop wirkten. Er sehnte sich nach einem Gleichgewicht zwischen Kreatur und Kosmos, entwarf Gegenwelten zum technizistischen Fortschritt, zum kalten Materialismus der boomenden Industrie nach der Jahrhundertwende.
Der Erste Weltkrieg hatte für Marc etwas Imposantes
Den Ersten Weltkrieg verstand er als großes Welttheater und genoss es, trotz widerwärtiger Szenen, an der Front dabei zu sein. Franz Marc 1914 in einem Brief an seine Frau Maria:
"Der Leichengeruch auf viele Kilometer im Umkreis ist das Entsetzlichste. Ich kann ihn weniger vertragen als tote Menschen und Pferde (zu) sehen. Diese Artilleriekämpfe haben etwas unsagbar Imposantes und Mystisches. Ich bin körperlich sehr wohl, der Rotwein hält meinen Magen zusammen. Rheumatismus kenne ich nicht mehr."
"Ja, das ist uns natürlich ein bisschen rätselhaft. Die meisten Künstler, fast alle Künstler, sind innerhalb weniger Monate der Kriegserfahrung zu Kriegsgegnern oder mindestens zu großen Skeptikern geworden. Bei Franz Marc war das ein bisschen anders. Der hat immer noch dieses Ideal einer Reinigung der Gesellschaft gehabt, er hat immer noch die Vorstellung gehabt, es könne dann durch den Krieg ein Europa entstehen, das hat er sich aber nicht als eine Einrichtung gleichberechtigter Länder vorgestellt, wie wir das heute praktizieren, sondern natürlich unter deutscher Führung. Und dabei ist er geblieben. Und man muss sagen, die engen Freunde haben ihn darin nicht verstanden", sagt der Kunsthistoriker Uwe M. Schneede. Besonders befremdet von Franz Marcs Kriegsbegeisterung war Paul Klee. In seinem Tagebuch notierte er nach einem Wiedersehen im November 1915:
"Kurz darauf erhielt Marc Urlaub und kam, obwohl sehr ermüdet und sichtlich abgemagert, unausgesetzt erzählend nach München. Anhaltender Druck und Freiheitsberaubung lasteten deutlich auf ihm. Das verdammte Habit, eine mäßig sitzende Unteroffiziersuniform mit Portepeesäbel, begann ich nun richtig zu hassen."
Späte Erkenntnis über die Sinnlosigkeit der Schlachten
Ein Foto aus jenen Tagen zeigt einen hochgewachsenen, sich aufrecht haltenden Mittdreißiger mit kantigen Gesichtszügen. Franz Marc hatte schon als junger Mann als Einjähriger gedient – eine Vorbedingung für das Studium. Der Sohn eines Münchner Malers wollte anfangs Pfarrer werden, dann Lehrer und erst spät entschied er sich für das Kunststudium. Er verfügte über eine solide humanistische Bildung und hatte während mehrerer Paris-Aufenthalte die französische Kunst lieben gelernt. Seine Mutter, eine Elsässerin, nannte er Maman. Ansichten von Dörfern an der Westfront wurden ihm in seinen Briefen zu impressionistischen Gemälden. Für französische Kinder mimte er sogar den Weihnachtsmann, da er als einer der wenigen deutschen Soldaten französisch sprach. Und dennoch zog er begeistert gegen die benachbarte Kulturnation zu Felde. Erst spät sah er die Sinnlosigkeit der apokalyptischen Materialschlachten ein.
In einem Brief an die Malerin Marie Schnür schrieb er:
"Die Welt ist um das blutigste Jahr ihres vieltausendjährigen Bestehens reicher. Es ist fürchterlich, daran zu denken; und das alles um nichts, um eines Missverständnisses willen, aus Mangel, sich dem Nächsten menschlich verständlich machen zu können!"
Wenige Wochen später, am 4. März 1916, traf ihn während eines Erkundungsritts nahe Verdun ein Granatsplitter am Kopf. Franz Marc verblutete.
Hinwendung zum Abstrakten
Marcs Tierbilder künden bis heute von der Sehnsucht nach einem Dasein jenseits moderner Entfremdung. Aber schon in seinem Skizzenbuch aus dem Feld waren die Tiere weitgehend abstrakten Formengebilden gewichen. Das letzte, was er malte, waren Camouflage-Muster auf Militärzeltplanen, Kandinskys, wie er scherzend in einem Brief an seine Frau schrieb.