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Extravagant und androgyn

David Bowie, Marc Bolan, Bryan Ferry, Andy Warhol – sie alle stehen für den Stil des "Glam". Respektlos und hochartifiziell stellten sie Begriffe wie Identität und Geschlecht in Frage. Eine Frankfurter Ausstellung zeigt, welchen Einfluss der Glam bis heute hat.

Von Klaus Walter |
    David Bowie besingt Andy Warhol, 1971, 25 Jahre später spielt Bowie im Kino den Warhol, mit silberner Perücke. Silbern sind Warhols Wölkchen aus Stanniol, die durch die Rotunde der Frankfurter Schirn schweben, silbern die Wände in Warhols Factory in den Sechzigern. Silber - die Farbe des Glam, Bowie und Warhol - die Helden des Glam. Aber was ist das eigentlich?

    "Glam, das ist eine gewisse Sensibilität, eine Haltung, ein Stil, eine Art, über Identität nachzudenken. Ein extravaganter Stil, sehr künstlich und androgyn","

    sagt Darren Pih, Kurator der Frankfurter Ausstellung. Glam ist das Pop-Kürzel von Glamour, mehr als nur der Glam-Rock der Siebziger Jahre.

    ""Im Glam kommen mehrere Dinge zusammen: Kunst, Mode und Musik, exemplarisch bei Roxy Music, der Prototyp der Art-School-Band."

    Die Kunstschulen mit ihren ökonomischen wie kreativen Freiräumen auch für die weniger Betuchten sind Brutstätten des Glam in Großbritannien. Den Schwerpunkt legt Kurator Darren Pih auf die Sechziger- und Siebzigerjahre. Er versteht Glam als gesellschaftliches Phänomen.

    "Es war das Resultat aus mehreren Dingen. Es gibt Spuren von Glam in Warhols Factory, in der Kunst von Jack Smith. Es gibt Verbindungen zur Performance-Kunst, zum Dandyismus, zur Identitätspolitik der Sechziger, Feminismus und Schwulenbewegung. Glam war eine Fortsetzung verschiedenster Befreiungstendenzen und Bewegungen der Sechziger, eigentlich endeten die Sechziger erst 1973, mit dem Höhepunkt von Glam-Rock."

    Marc Bolan im Glitteranzug, Bryan Ferry in Gold-Lamé, Brian Eno mit Federboa, Bowie in immer neuen Kostümen, mal Ziggy Stardust, mal Aladdin Sane – Glam war auch ein großer Maskenball,

    Die Kleidung modellierte den Körper.

    So die Kritikerin Judith Watt im Katalog über die Jagd nach Glamour in der britischen Mode. Als Schlüsselfigur sieht Watt den Londoner Modedesigner Anthony Price. Sie bezeichnet ihn als

    Image-Macher. Das Neue an Price’ Herrenmode war die Kombination einer ‚heterosexuellen‘ Clark-Gable-Silhouette mit einer schwulen Sensibilitat.

    Im Glam werden auch die sexuellen Karten neu gemischt. Die Grenzen verschwimmen, Stars wie Lou Reed, Iggy Pop und David Bowie kokettieren mit ihrer Bisexualität. In den Siebzigern markiert Glam einen Paradigmenwechsel, der erst viel später an den Universitäten ankommen sollte als Gender Studies.

    "Im Glam gab es die Idee, dass Gender etwas Konstruiertes ist. Der Gegensatz der Geschlechter wurde in Frage gestellt, das hat Glam für Künstler interessant gemacht. Die Erfahrung, dass man Identität konstruieren kann, dass man die Kunst nutzen kann, um sich als Person neu zu erfinden, deshalb hat Glam heute noch so eine Bedeutung."

    Glamrock ist Geschichte, aber Glam ohne Rock ist geblieben, das zeigt die Frankfurter Ausstellung, eine multimediale Reise in die Vergangenheit hilft, die Gegenwart zu verstehen.

    "Glam ist nie verschwunden, er ist ein postmodernes Phänomen, das immer wieder aufgegriffen wird. Schau dir Lady Gaga an oder Goldfrapp, das Make Up, die Modeschauen, der Style hat heute noch eine Dringlichkeit und eine Bedeutung."