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Extremismusbekämpfung
Konfliktforscher: "Demokratieförderung geht nicht durch Gesetz"

Im Kampf gegen Rechtsextremismus soll das Demokratiefördergesetz eine wirksame Waffe werden. Der Konfliktforscher Andreas Zick sieht den besten Schutz vor allem in einer starken Zivilgesellschaft, die frühzeitig extremistische Ideologien erkenne. Wichtig sei dafür die Stärkung von Bildung in Schulen und an Universitäten, so Zick im Dlf.

Andreas Zick im Gespräch mit Michael Köhler | 12.06.2022
Mehrere hundert Menschen stehen mit Plakaten gegen die Corona-Maßnahmen sowie mit Reichsflaggen vor dem Berliner Reichstag. Das Foto ist im August 2020 entstanden.
Teilnehmende einer Demonstration gegen die Corona-Schutzmaßnahmen im August 2020 vorm Berliner Reichstag: Die meisten sind dem rechtsextremen Milieu zuzuordnen. (imago images/Achille Abboud)
Die Zahl politisch-motivierter Straftaten mit extremistischem Hintergrund ist im letzten Jahr auf fast 33.500 gestiegen. Laut Verfassungsschutzbericht geht dabei die größte Bedrohung weiterhin vom Rechtsextremismus aus. Dessen Anhänger waren in den letzten zwei Jahren weitgehend unbehelligt auf diversen Corona-Demonstrationen zu sehen. "Proteste wie diese holen Menschen ab und geben ihnen eine neue nationale Identität", sagte der Bielefelder Konflikt- und Gewaltforscher Thomas Zick im Dlf. Diese Identität biete ihnen "bessere Zukunft in einem völkisch-orientierten, homogenen Nationalismus" an.
Konfliktforscher Andreas Zick im Porträt
"Demokratie ist am besten geschützt durch eine starke Zivilgesellschaft", sagte der Gewalt- und Konfliktforscher Andreas Zick im Dlf (imago/photothek/Thomas Imo)

"Inszenierung des Radikalen"

Statt großer politischer Ideen über die Zukunft eines Landes, fände man im Bereich des Rechtsextremismus heutzutage eher die "Inszenierung des Radikalen" und lokale Aktionen. Diese Idee komme aus den USA und umfasse unter anderem Guerilla-Taktiken, die Eroberung von Medien oder lokalen Räumen, so Zick. Das habe bei vielen Menschen Bindekraft gewonnen.
Im Hinblick auf das von der Bundesregierung geplante Demokratiefördergesetz sagte der Konfliktforscher, gelte die alte Regel: "Demokratie ist am besten geschützt durch eine starke Zivilgesellschaft." Diese sei selbst fähig, frühzeitig Ideologien, die extremistisch, die Demokratie-gefährdend sind, zu erkennen. Sie halte Vorurteile gering und das Gewaltmonopol beim Staat. "Das kann man per Gesetz nicht verordnen."

Blindstellen bei der Gefährdung durch Rechtsextremismus

Gut sei das Ziel des Gesetzes, Projekte länger zu fördern, damit diese längerfristige Strukturen aufbauen könnten. Im Vergleich zu dem, was nach den Terroranschlägen 2015 im Bereich des islamistischen Extremismus getan worden sei, gäbe es im Bereich des Rechtsextremismus "absolute Blindstellen". Diese Lücke wolle man mit dem geplanten Gesetz schließen. Reichen werde das aber nicht, so Zick. So brauche man im Bereich der digitalen Radikalisierung andere Maßnahmen.
Fragen müsse man sich vor allem, ob bestimmte Maßnahmen den Kern des aktuellen Rechtsextremismus auch treffen würden. So gebe es ein vollkommen neues Phänomen, "nämlich die Delegitimierung der staatlichen Autorität ohne eine klare rechtsextreme Einordnung". Im Kern handle es sich, so Zick, um neue völkische Ideologien, die auch aus intellektuellen Kreisen kämen und von den Behörden nicht so einfach als extremistisch einzustufen seien.