Ende Juli läuft im Achtelfinale der Fußball-Europameisterschaft zwischen Deutschland und Dänemark die 35. Spielminute. "Also die Wolken werden dunkler, die Blitze heller, der Wind stärker und der Donner kommt näher. Da geht Sicherheit vor – sowohl für die Zuschauer gerade draußen, als natürlich auch hier für die Spieler", sagt ein Reporter.
Nike Lorenz: "Planbarkeit geht verloren, was das Wetter angeht"
Der Schiedsrichter muss das Spiel für gut zwanzig Minuten unterbrechen. Nur eine Woche vorher, beim Tennisturnier Ladies Open in Berlin oder auch beim Hockey Final4 in Bonn sorgt starker Regen für Spielverschiebungen. "Diese Planbarkeit geht einfach sehr verloren, was das Wetter angeht", sagt Hockey-Nationalspielerin Nike Lorenz, die sich für Klima- und Umweltschutz einsetzt.
Aktuell bereitet sie sich auf ihre dritten Olympischen Spiele vor. "Es kann halt jetzt vom einen auf den anderen Tag passieren, dass man dann doch in Paris steht und halt acht Spiele unter dreißig Grad macht und das hat halt die letzten sechs Monate überhaupt nicht stattgefunden für uns."
Bei der Weltmeisterschaft in Argentinien vor zwei Jahren habe sie erlebt, wie Zuschauer während eines Gewitters auf einer Tribüne sich selbst überlassen worden seien.
Experte: "Es braucht mehr verschließ- und klimatisierbare Sportstätten"
Bei den Olympischen Spielen in Paris werden über 15 Millionen Besucherinnen und Besucher erwartet. Die Zuschauerinnen und Zuschauer sitzen zum Beispiel am Place de la Concorde oder im Stadion am Eiffelturm im Freien auf mobilen Tribünen, die extra für die Spiele aufgebaut werden und keine Überdachung haben – ein Risiko. Bei den French Open Ende Mai mussten an manchen Tagen alle Spiele auf den nicht überdachten Außenplätzen wegen starken Regens abgesagt werden.
Stefan Wagner ist der 1. Vorsitzende im Verein Sports for Future. Er glaubt, dass bei der Planung von Sportgroßveranstaltungen wie den Olympischen Spielen Extremwetter deutlich stärker mitgedacht werden muss: "Natürlich wird es dann mehr und mehr Sportstätten geben müssen, zum Beispiel in Fußballstadien, die dann eben auch verschließbar und klimatisierbar sind, sodass da eben auch Sportveranstaltungen möglich sein werden."
Solche Umbaumaßnahmen an den Sportstätten könnten Vereine, Verbände oder Kommunen viel Geld kosten. Auch die Agenturen, die große Sportveranstaltungen wie "Die Finals" in der Region Rhein-Ruhr oder den Berlin-Marathon umsetzen, müssten Kosten für Regen- oder Hitzeschutz einrechnen.
Flexibilität bei der Terminierung erforderlich
Richard Röhrhoff ist Geschäftsführer bei der Essen Marketing GmbH und der Meinung, dass auch kostengünstige Alternativen die Sicherheit der Zuschauer und Athleten verbessern könnten: "Ich denke, dass man insbesondere über die Wetterprognosen zusehen muss, dass man die Veranstaltungen stärker schützt. Die Digitalisierung gibt auch die Möglichkeit, mit den Gästen der Veranstaltungen in Echtzeit zu kommunizieren, die Besucherlenkung zu verbessern. Ich glaube das sind keine Dinge, die groß ins Geld gehen."
Röhrhoff geht davon aus, dass auch in Zukunft viele Sportveranstaltungen regulär stattfinden: "Ich glaube, es braucht in Zukunft ein bisschen Flexibilität, vielleicht auch in der Terminierung, weil die Wettereignisse in Deutschland eigentlich nicht dauerhaft sind – immer nur kurz und temporär und dann zeitlich verschoben werden können, sodass am Stattfinden sich nichts ändern wird."
Das System und die Planung der Spielpläne ist komplex. Gerade kleinere Sportarten sind etwa darauf angewiesen, dass sie zu geeigneten Tageszeiten stattfinden, um auch medial abgebildet zu werden. Außerdem bedeuten Verlegungen in die Morgen- oder Abendstunden auch, dass Flutlicht auf den Sportanlagen installiert sein muss.
Dazu kommt die Qualität der Wetterprognosen. Auf der Internetseite des Deutschen Wetterdienstes heißt es dazu: "Es liegt in der Natur der Wettervorhersage, sogar selten exakt richtig zu liegen." Dass das Gewitter beim Spiel zwischen Deutschland und Dänemark genau über dem Stadion passierte, war nicht abzusehen.
Klare Kriterien für Unterbrechungen nötig
Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe spricht sich deshalb dafür aus, für solche Situationen vorzusorgen: "Kostenlose Trinkwasserspender, Sonnencremespender, ausreichend Schattenflächen. Es gibt sogar Ideen zur Bereitstellung von Blitzschutzhütten. Das sind alles Möglichkeiten, um solchen Extremwetterereignissen entgegenzuwirken und Veranstaltungen in gewisser Weise wetterfest zu machen."
Es brauche außerdem klare Kriterien von den Organisatoren, um im Ernstfall eine Unterbrechung der Wettkämpfe durchzuführen. Alle Beteiligten müssten sich mit dem "neuen Normal" von Extremwetterereignissen auseinandersetzen. Zuletzt hatte ein Bericht der British Association for Sustainable Sport die Folgen extremer Hitze für Athleten aufgezeigt. Darin wurde außerdem vor ähnlichen Bedingungen wie 2021 in Tokio mit Temperaturen von 34 Grad und höher gewarnt.
Einige internationale Sportverbände haben bereits angekündigt, dass sie ihren Athletinnen und Athleten für die Zeit im Olympischen Dorf tragbare Klimaanlagen zur Verfügung stellen werden. Ob es während der Olympischen Spiele in Paris tatsächlich zu einer Hitzewelle kommt, kann bislang aber keine Wetterprognose mit Gewissheit zeigen.