Sollte die globale Erwärmung um zwei Grad steigen, dann wären weltweit zirka 25 Prozent mehr Menschen durch tropische Wirbelstürme betroffen als bei einem Anstieg um nur ein Grad. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie vom Potsdam-Institut für Klimaforschung. "Die Frage hier ist natürlich nicht nur, wie stark werden die Stürme, sondern wie viele Menschen leben auch in diesen Regionen, wie viele Menschen werden in Zukunft in diesen Regionen leben", sagte der Erstautor der Veröffentlichung, Tobias Geiger. Er ist Forscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.
Denn in Verbindung mit dem Bevölkerungswachstum könnte dieser Wert bis 2050 sogar auf 40 Prozent steigen. Durch eine rasche Reduktion der Treibhausgasemissionen ließe sich der Schaden jedoch begrenzen, so Geiger.
Christiane Knoll: Wieviele Menschen sind heute schon von Wirbelstürmen betroffen?
Tobias Geiger: Tropische Wirbelstürme gibt es auf der Welt pro Jahr circa 80. Von denen treffen aber nicht alle auf Land. Von denen, die auf Land treffen, sind im Mittel ungefähr 150 Millionen Menschen pro Jahr betroffen.
Knoll: Sie haben jetzt ausgerechnet, wie sich das in den nächsten Jahren verändern wird. Wie wird es sich denn verändern?
Geiger: Wir sehen durch den Klimawandel eine Zunahme in der Intensität von Stürmen und eine Zunahme vor allem in den stärksten tropischen Wirbelstürmen und teilweise auch eine Zunahme der Häufigkeit, sodass unter dem Klimawandel mehr Menschen durch tropische Wirbelstürme betroffen sein werden. Die Frage hier ist natürlich nicht nur, wie stark werden die Stürme, sondern wie viele Menschen leben auch in diesen Regionen, wie viele Menschen werden in Zukunft in diesen Regionen leben. Und da kann ich sagen, dass dieses Wechselspiel zwischen Klimafolgen und Klimawandel wirklich so ist, wir haben einerseits eben die tropischen Wirbelstürme, die stärker werden, und andererseits die Weltbevölkerung, die zunimmt.
Und da müssen wir dann genau auf das Timing achten. Wenn wir zwei Grad Erwärmung in 2050 erreichen, dann werden wir circa 40 Prozent mehr Menschen durch tropische Wirbelstürme betroffen haben als heute. Wenn wir aber eine strikte Klimawandelvermeidungspolitik fahren und unter zwei Grad Erwärmung bis 2100 bleiben, da werden wir nur circa 20 Prozent mehr Menschen durch tropische Wirbelstürme betreffen. Das liegt einfach daran, dass die Bevölkerungsprognosen voraussagen, dass ungefähr Mitte des Jahrhunderts die Weltbevölkerung ihr Maximum erreicht und danach stetig abnehmen wird.
Betroffen ist die Hälfte der Welt
Knoll: Sie sagen also, wenn wir uns mehr Zeit lassen für diese Erwärmung beziehungsweise sie so stark dämpfen, wie es nur irgendwie möglich ist, dann hat die Weltbevölkerung Zeit, diesen Peak zu überwinden und zu schrumpfen, sodass am Ende weniger Menschen betroffen sind. Aber ist denn Bevölkerungswachstum wirklich das entscheidende Kriterium? Es ist ja so, dass Menschen auf diese Veränderungen auch reagieren werden, sie werden wandern und den Schäden ausweichen und im Endeffekt werden dann am Ende doch weniger Menschen betroffen sein.
Geiger: Das entscheidende Kriterium ist natürlich, Leid, Schäden, Todesopfer zu vermeiden. Wie wir das erreichen und wie die Menschen das erreichen, da gibt es natürlich verschiedene Wege, Sie haben vollkommen recht. Wenn die Folgen der tropischen Wirbelstürme zu groß werden, werden auch Bevölkerungsgruppen ausweichen, fliehen und manche Gebiete eventuell nicht mehr so stark bewohnen wie heute. Aber das wird immer nur ein Teil der Bevölkerung sein und Teile der Gebiete sein. Es betrifft ja im Prinzip die halbe Welt, die halbe Welt wird sich nicht umsiedeln. Aber natürlich gibt es diese Effekte, aber die sind in den Bevölkerungsprojektionen so erst mal explizit nicht berücksichtigt.
Indirekte Folgen auch für Deutschland
Knoll: Warum haben Sie eigentlich Wirbelstürme als Beispiel ausgewählt? Hitze und Dürre, ist das weniger relevant?
Geiger: Alle Impacts sind sehr relevant. Bei den tropischen Wirbelstürmen geht es vor allem darum, dass sie eigentlich die Ereignisse sind, die die größten Schäden und die größten Folgen durch Wetter- oder Klimaextreme in der Welt bringen jährlich, damit sind sie natürlich ein wichtiger Faktor. Aber nichtsdestotrotz sind Hitzewelle, Dürren auch für Menschen relevant, die erst mal nicht in den tropischen Gebieten leben, und treffen dort eine Vielzahl von Menschen.
Knoll: Deutschland zum Beispiel ist ja von den tropischen Wirbelstürmen gar nicht betroffen.
Geiger: Genau, Deutschland ist da eigentlich im sicheren Hafen, es gibt ein paar Berechnungen, dass Europa doch stärker betroffen werden könnte durch Ausläufer aus dem Atlantik. Aber da reden wir eher von Portugal oder der französischen Küste. Deutschland ist dann häufig oder wahrscheinlich indirekt dadurch betroffen. Einerseits durch Migrationsströme, wenn irgendwelche Gebiete durch Klimawandel nicht mehr gut belebt werden können, wenn die Lebensbedingungen nicht mehr gut sind, werden Menschen natürlich sich auf die Reise machen. Da ist Europa ein Ziel. Das andere ist natürlich über Handelsketteneffekte: Werden durch tropische Wirbelstürme zum Beispiel Produktionsstätten lahmgelegt irgendwo auf der Welt, und wir sind abhängig von den Produkten, die dort hergestellt werden, so werden wir diese Effekte dann natürlich auch in Europa und Deutschland spüren.
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