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EZB kauft Firmenanleihen
"Faule Kredite könnten umgewandelt werden"

Der Kauf von Firmenanleihen europäischer Unternehmen durch die EZB könnte zur Folge haben, dass faule Kredite durch EZB-Anleihen ersetzt werden, sagte ifo-Chef Clemens Fuest im DLF. Dabei würden Firmen saniert, bei denen eigentlich Gläubiger haften müssten. Die Haftung würde bei überteuerten Anleihen am Ende aber der europäische Steuerzahler tragen.

Clemens Fuest im Gespräch Jessica Sturmberg      |
    Die Zentrale der Europäischen Zentralbank
    Seit heute kann die EZB Unternehemens Anleihen in der EU kaufen (picture-alliance / dpa / Frank Rumpenhorst)
    Jessica Sturmberg: Ab heute kauft die Europäische Zentralbank auch Unternehmens-Anleihen auf. Sie will auf diese Weise dafür sorgen, dass die Anleihezinsen sinken. Unternehmen können sich dann günstiger finanzieren, was der Wirtschaft zugutekommt. Aber viele Ökonomen halten das für ein gefährliches Programm. Vor der Sendung habe ich darüber mit Professor Clemens Fuest, Präsident des Münchner ifo-Instituts gesprochen. Und ihn habe ich gefragt, ob er das auch für gefährlich hält?
    Clemens Fuest: Ich halte es wenigstens für problematisch. Es gibt einmal die Frage, ist das überhaupt richtig, eine so expansive Geldpolitik zu machen, immer mehr Assets aufzukaufen. Da würde ich sagen, die EZB geht mir da auch ein bisschen zu aggressiv vor. Andererseits müssen wir sehen, dass wir ja eine sehr, sehr niedrige Inflationsrate haben. Die Frage ist: Ist sie vielleicht etwas zu aggressiv? Ich würde sagen, das ist sie in der Tat. Sie sollte vielleicht erst mal abwarten, ob die letzten Maßnahmen wirken. Und die zweite Frage ist dann: Dieser spezielle Bereich Unternehmensanleihen, ist das ein Bereich, in den die EZB einsteigen sollte? Und da würde ich sagen, erstens ist dieser Markt heute nicht sehr groß. Das heißt, es wird nicht so sehr viel bringen für die Geldpolitik, für die Inflation, wenn die EZB hier aufkauft.
    Zweitens bedeutet die geringe Größe des Marktes, dass jetzt Eingriffe der EZB Verzerrungen nach sich ziehen, also da sehr, sehr stark die Preise verändern werden, die Zinsen nach unten drücken.
    Und drittens, wichtiger Punkt: Die EZB hat sich entschieden, direkt von den Unternehmen zu kaufen. Bei den Staatsanleihen macht sie es ja so, dass sie nur Anleihen kauft, die schon im Markt gehandelt werden, die andere Investoren halten. Hier will sie aber jetzt direkt von den Unternehmen Anleihen kaufen, und das halte ich für problematisch, weil da die Gefahr besteht, dass faule Kredite in Anleihen verwandelt werden und die dann an die EZB verkauft werden. Das ist nicht gut.
    "Bei kleineren Unternehmen kommt das nicht an"
    Sturmberg: Ich würde gern noch auf einen anderen Aspekt zu sprechen kommen. Wenn die EZB direkt von den Unternehmen die Anleihen kauft, betreibt die EZB damit auch Industriepolitik, zum Beispiel zugunsten großer Konzerne? Sie haben ja selber gesagt, der Markt ist überschaubar von Unternehmensanleihen, die sie überhaupt erwerben kann.
    Fuest: Davon profitieren dann in der Tat bestimmte Unternehmen, die, die groß genug sind, um überhaupt Anleihen zu emittieren. Bei kleineren Unternehmen kommt das nicht an. Das ist für die Geldpolitik vielleicht kein Hauptproblem, aber es ist in der Tat eine Nebenwirkung. Das führt dazu, dass eher die größeren Unternehmen Zugang zu mehr Liquidität bekommen. Nun kann man sagen, es ist ja immerhin schon was, wenn überhaupt irgendwelche Unternehmen mehr investieren und mehr Geld ausgeben. Das soll ja letztlich erzielt werden. Aber es ist richtig, der Mittelstand wird da nicht erreicht.
    "Wettbewerbsverzerrung zu Lasten des Mittelstands"
    Sturmberg: Wie verzerrt das den Wettbewerb zwischen den Unternehmen, wenn vor allen Dingen die Großen davon profitieren?
    Fuest: Ja, es verzerrt den Wettbewerb in der Tat zu Lasten des Mittelstands oder zu Lasten der kleineren Unternehmen, und das ist ja ein Wettbewerb, in dem die Kleinen sich ohnehin schon schwertun. Aber das würde ich vielleicht nicht als Hauptproblem der Maßnahmen sehen. Das Hauptproblem scheint mir zu sein, dass es ja auch bei den großen Unternehmen viele gibt, gerade in Südeuropa, in den ehemaligen Krisenstaaten viele Unternehmen, denen es schlecht geht und bei denen Banken Kredite vergeben haben, die jetzt aber faul sind, die nicht mehr bedient sind, und die Versuchung ist groß, dass jetzt gerade diese Unternehmen die Kredite ersetzen durch Anleihen, die sie dann direkt an die EZB verkaufen können und damit würde ja im großen Umfang umverteilt zwischen Ländern, zwischen Banken. Es würden Unternehmen saniert, bei denen eigentlich die Gläubiger haften müssen. Das ist aus meiner Sicht die größere Gefahr.
    Sturmberg: Und wer haftet?
    Fuest: Ja, am Ende haften da die Steuerzahler. Wenn die EZB zu überteuerten Preisen Anleihen aufkauft, dann haften am Ende die Steuerzahler in der gesamten Eurozone dafür.
    "EZB kann Risiken gar nicht richtig einschätzen"
    Sturmberg: Die Gefahren, die von diesem Unternehmensanleihe-Aufkaufprogramm ausgehen, sind ja das eine. Die andere Frage ist: Für wie wirksam halten Sie dieses Programm?
    Fuest: Der Vorteil des Programms ist, dass das Geld direkter in die Wirtschaft geht. Sonst hat ja die EZB das Problem, dass sie nur Banken mehr Liquidität geben kann, aber ob die Banken das dann an die Wirtschaft, an Haushalte, an Unternehmen auch weiterreichen, das kann die EZB nicht steuern. Der Vorteil ist hier, dass man einen direkten Weg in die Wirtschaft findet. Das ist aber auch gleichzeitig das Problem. Es hatte einen guten Grund, dass man Geschäftsbanken dazwischenschaltet bei Krediten, weil Geschäftsbanken darauf spezialisiert sind, Risiken bei Krediten richtig einzuschätzen. Das kann die EZB nicht, dafür ist sie gar nicht ausgerichtet. Das heißt, hier gibt es ein Problem, dass die EZB eigentlich nicht direkt für die Finanzierung der Wirtschaft zuständig ist.
    Sturmberg: Das Mandat der Europäischen Zentralbank lautet Geldwertstabilität. Das Bundesverfassungsgericht hatte sich ja bereits mit der Frage befasst, ob das Ankaufprogramm von Staatsanleihen durch die EZB nicht schon zu weit geht und das nicht mehr im Rahmen ihres Mandates steht. Das Gericht befand ja, der EuGH nein. Wie die Karlsruher Richter jetzt damit umgehen, das Urteil steht ja noch aus. Wenn die EZB jetzt Unternehmensanleihen kauft, ist das Ihrer Ansicht nach auch noch durch das EuGH-Urteil gedeckt?
    Fuest: Es ist gar nicht erfasst durch das EuGH-Urteil. Das EuGH-Urteil war sehr pauschal und hat eigentlich gesagt, dass die Europäische Zentralbank selbst bestimmen muss, was die Grenzen der Geldpolitik sind, und das hat natürlich viele Leute empört. Ich glaube, zurecht. Das EuGH-Urteil setzt der EZB keine klaren Grenzen. Das Thema Unternehmensanleihen ist aber überhaupt nicht angesprochen worden.
    "Vielleicht Fundamente für nächste Krise gelegt"
    Sturmberg: Welche langfristigen Folgen dieses Programms, was jetzt heute startet, sehen Sie?
    Fuest: Die eine Folge ist wohl, dass der Kapitalmarkt immer stärker verzerrt wird. Eigentlich haben ja Kapitalmärkte, an denen Unternehmensanleihen gehandelt werden, die Aufgabe, das Kapital, die Ersparnisse in die bestmögliche Verwendung zu lenken, und das Steuerungsinstrument ist da der Zins. Das ist jetzt weg. Im Grunde kann jetzt so ziemlich jedes Unternehmen, das Grundvoraussetzungen erfüllt, meinetwegen ein einigermaßen vernünftiges Rating kriegt, solche Anleihen auf den Markt bringen, und die werden dann aufgekauft von der EZB. Das heißt, die Kontrollfunktion der Kapitalmärkte ist weitgehend ausgeschaltet und das wird zur Folge haben, dass wir neue Fehlinvestitionen kriegen und dass vielleicht die Fundamente für die nächste Krise schon gelegt werden.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.