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EZB macht Geld noch billiger

Europas Währungshüter schreiben Geschichte: Im Kampf gegen den zuletzt mickrigen Preisauftrieb und die schwache Konjunktur macht die EZB das Geld im Euroraum so billig wie nie zuvor. Die Wirkungen des neuen Zinsschrittes sind umstritten.

Von Brigitte Scholtes |
    Mit dieser Zinssenkung hatte kaum jemand gerechnet. Die Begründung, die EZB-Präsident Mario Draghi heute Mittag für den Schritt aufgab, zeigte, dass der EZB-Rat sich vor allem wegen der niedrigen Inflation Sorgen macht und der immer noch schwachen Kreditnachfrage:

    "Eine solche Konstellation lässt vermuten, dass wir eine längere Phase niedriger Inflation erleben werden. Der dürfte eine langsame Aufwärtsbewegung folgen in Richtung von Inflationsraten, die unter, aber nahe an zwei Prozent liegen. Deshalb bleibt unsere geldpolitische Haltung konjunkturbegleitend, so lange, wie das nötig ist. Damit werden wir auch die allmähliche Wirtschaftserholung unterstützen, wie sie sich in den Geschäftsklimaindizes bis Oktober gezeigt hat."

    Dass er die Märkte damit überrascht habe, kann Draghi nicht nachvollziehen. Man solle doch bitte einmal nachlesen, was er vor einem Monat gesagt habe, nämlich, dass man die Zinsen beibehalte, solange sich nichts ändere:

    "If it were to change, we do change.”"

    Aber es habe sich etwas geändert, nämlich, dass im Oktober die Inflation in der Eurozone von 1,1 auf nur noch 0,7 Prozent gesunken sei, und darauf habe man reagiert. Die Finanzmärkte haben das anders gesehen. Sie machen sich jetzt Sorgen, dass die EZB ihr Pulver verschossen haben könnte. So meint etwa David Kohl, Chefvolkswirt vom Bankhaus Julius Bär:

    ""Es wird einem die Möglichkeit genommen, zu versprechen nach vorne hin, die "guidance" zu geben, tatsächlich einen Hinweis zu geben, dass die Zinsen nochmal lockerer werden könnten. D.h. hier dieser Hang, diese Tendenz zu einer lockeren Geldpolitik, die wird jetzt schwieriger zu kommunizieren sein von der Europäischen Zentralbank. Diese Möglichkeit hat man sich teilweise zumindest genommen durch diese Leitzinssenkung."

    Die EZB habe noch genügend Instrumente im Kasten, versicherte der Draghi jedoch. Sie könne die Einlage von Geldern bei der EZB mit einem Preis versehen, also einen negativen Einlagezins einführen, oder über langfristige Geschäfte und eine weitere Zinssenkung noch mehr Geld ins System pumpen. Droht nun eine Deflationsspirale? Draghi verneint dies:

    "Wenn wir mit Deflation eine sich selbst erfüllende Prophezeiung meinen von sinkenden Preisen in vielen Warengruppen und vielen Ländern, dann sehen wir das nicht."

    Man könne die Lage auch nicht mit der in Japan vergleichen. Anders als dort sei die Eurozone auf dem Weg der wirtschaftlichen Erholung. Sorgen vor einer Immobilienblase seien aber zumindest in Deutschland unbegründet, glaubt David Kohl vom Bankhaus Julius Bär:

    "Es hat natürlich Auswirkungen auch auf die ganze Zinskurve. Das heißt, die zehnjährigen Finanzierungsgeschäfte, die man für die Immobiliengeschäfte klassisch verwendet, dort wird’s ein bisschen günstiger. Und natürlich spielen dann auch strukturelle Faktoren eine Rolle. In Deutschland ist man nicht ganz so anfällig ob dieser Boomphasen im Immobilienbereich. Das hängt viel damit zusammen, dass es hier weniger diese Rückkopplungseffekte gibt, dass höhere Immobilienpreise, höhere Werthaltigkeit von Immobilien, tatsächlich zu mehr Krediten genutzt werden können. D.h. diese Rückkopplungsschleife, die ist nicht so ausgeprägt in Deutschland."