"Das ist ein Tartanbelag, man sieht unter den Körben sind große Löcher. Und wenn ein Platz so intensiv genutzt wird, ist es zu erwarten, dass irgendwann das Material auch leidet."
Zwischen den kleinen, dicht gesäten Kratern drängen und tänzeln trotzdem viele Füsse unter den vier Körben am Frankfurter Main-Ufer. Etwa acht Spielerinnen und Spieler pro Korb. An den schmalen Rändern sitzen nochmal doppelt so viele Leute.
Sie rauchen, reden, nehmen einen tiefen Zug aus der Wasserflasche oder dem Energy-Drink. Und beobachten das Spiel in den zwei Stahl- und Drahtkäfigen, die hier nebeneinander liegen, im Frankfurter Hafenpark – die verglasten Doppeltürme der Europäischen Zentralbank im Rücken.
"Im Prinzip ist es eigentlich das Schönste, was im öffentlichen Raum passieren kann, dass er genutzt wird. Und dann verstehe ich nicht, wie man diesen Schritt nicht gehen kann, das auch zu wertschätzen, was man hat, also zum Beispiel diesen Belag zu erneuern. Dazu muss man auch keine Landschaftsarchitektin sein, um das zu sehen."
Johanna Moraweg ist Landschaftsarchitektin, engagiert sich bei der stadtpolitischen Bürgerinitiative Making Frankfurt und ist Unterstützerin von „EZB Basketball“, einer Initiative, die sich für die Renovierung und Beleuchtung der Streetballanlage einsetzt.
Thorsten de Souza ist einer von ihnen: "Es war der 21. Juni 2020 und ich dachte mir so abends 21 Uhr: Wäre doch cool, wenn hier Lichter hinkommen und dachte mir, heute Abend mache ich einen Petition auf."
Renovierungs-Petition bleibt hartnäckig
Die Petition geht an den Oberbürgermeister. Erst passiert lange nichts, dann lehnt die Stadt die Pläne der Initiative ab. Die damals gerade mal fünf Jahre alte Anlage sollte nicht saniert werden – im Haushalt einer der europäischen Finanzhauptstädte fehlt das Geld. Dabei wäre es vielleicht geblieben, hätten sich Menschen wie Thorsten de Souza nicht in ihre Idee verbissen:
"Wir möchten die Anerkennung für die Streetballkultur nach Deutschland holen, wir möchten das Zusammenkommen unter Gleichgesinnten. Es ist wirklich sehr familiär hier, ich weiß nicht, wie viele Nationen, mindestens 50. Wir möchten, dass Stars, NBA-Stars, BBL-Stars, Bundesliga, also Stars aus der Bundesliga, hier vorbeikommen. Und das Ganze folgt dem Volbild des Rucker Parks in New York."
Streetball-Ursprung: der Rucker Park in New York
Der Rucker Park in New York: Die Wiege des Streetballs. Basketball unter freiem Himmel, ohne feste Regeln, ohne Coach, ohne Schiedsrichter. Bühne und Experimentierfeld für Tricks und Moves, HipHop und einer bestimmten Mode.
Spätestens seit Beginn der Nullerjahre ist Streetball nicht nur Sport, sondern Teil vorwiegend afroamerikanischer Kultur. Und der Rucker Park im Stadtteil Harlem ist eines der Zentren dieser afroamerikanischen Kultur.
"Ich war da tatsächlich schon, ich bin ja beruflich viel unterwegs." Marlene Erbs, 23 Jahre alt, Lehramtsstudentin, die als Flugbegleiterin jobbt und seit sie denken kann, Basketball spielt. Im Rucker Park mitgespielt hat sie aber nicht:
"Nein, ich hab mich nicht getraut. Aber ich habe es schon genossen, dort zuzugucken und mich so ein ganz kleines bisschen wie ein kleiner Teil davon zu fühlen."
Frauen beim Streetball in der Minderheit
Frauen und Streetball. Bei aller Egalität, die dieser Sport reklamiert, sie sind in Harlem genau so wie im Frankfurter-Hafenpark in der Minderheit. Mit Marlene sind es an diesem Nachmittag in Frankfurt etwa eine Handvoll und weil das so ist, müssen die eine Extraportion Selbstbewusstsein mitbringen – und sich gegenseitig unterstützen, sagt Fatma Bozcurt, 39 Jahre alt, Assistentin der Leitung einer Frankfurter Hochschule:
"Ich pushe die Marlene, die ist ja auch ein bisschen jünger und ich habe halt gelernt, mich selbstbewusst zu präsentieren, weil das nicht anders geht, vor allem nicht hier in Frankfurt. Das hat zwei Jahre lang gedauert, bis ich hier hinkommen und sagen konnte: 'Hey Jungs, ich bin next und da gibt’s keine Widerworte.'"
Marlene: "Ich wollte was ähnliches sagen. Man wächst damit auf jeden Fall, man wächst da in so eine Rolle rein und irgendwann ist es cool."
Umweltfreundliche Sanierung beschlossen
Die nächsten Monate werden allerdings hart für die Streetball-Community an der EZB – weil sich das Engagement der Initiative am Ende doch ausgezahlt hat. Jahrelang hat die Initiative Konzepte für die Sanierung ausgearbeitet, hat persönlich beim Grünflächenamt und der Umweltschutzbehörde angeklopft und die Idee vorgestellt.
Jetzt hat die Stadt die Sanierung beschlossen: Von Mai bis August sollen beide Plätze nacheinander erneuert werden, für insgesamt 360.000 Euro. Mit neuem Belag, neuen Körben aus Plexiglas und spezieller, insektenfreundlicher Beleuchtung. Thorsten de Souza:
"Wir haben von Anfang an in das Konzept reingeschrieben, sogar Beispielbilder verwendet, dass kein Licht in den Himmel gestreut wird, dass nur der Platz beleuchtet werden soll."
Der Hafenpark ist als Landschaftsschutzgebiet deklariert, ist Lebensraum für Insekten und Fledermäuse. Die Initiative EZB-Baksetball muss und will die Tiere genauso mitdenken wie die Menschen, die bald in die neuen edlen Wohntürme nebenan einziehen - und dann vielleicht ein bisschen New Yorker Flair von oben genießen können.