Die EZB wird morgen liefern, also zumindest ankündigen, dass sie Staatsanleihen am Markt aufkaufen wird. Da sind sich Befürworter und Gegner einer solchen geldpolitischen Lockerung einig. So meint Alexander Erdland, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft:
"Ich habe den Eindruck, sie ist Opfer ihrer eigenen Ankündigung. Sie hat das noch mal annonciert, und die Märkte haben sich darauf eingestellt, und jetzt kann sie da wohl nicht mehr raus."
Doch dass die EZB und vor allem deren Präsident Mario Draghi sich hätten gefangen nehmen lassen von der Erwartung der Märkte, diesen Eindruck hat Sebastian Wanke vom Analysehaus sentix nicht:
"Er ist selbst jemand, der von den Finanzmärkten kommt, er hat früher für eine sehr renommierte Investmentbank gearbeitet. Er weiß, was es bedeutet, Erwartungen zu setzen und diese Erwartungen dann auch erfüllen zu müssen. Und deshalb bin ich mir ziemlich sicher, dass er das auch tun wird."
Auch Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken ist sicher:
"Die Märkte haben das auch schon ein Stück weit vorweggenommen. Es wäre sehr unprofessionell und unerwartet, wenn es zu keinen solchen Handlungen käme. Und das würde die Märkte, so viel wage ich zu prognostizieren, auf dem falschen Fuß erwischen."
Euphemistische Beschreibung
Auf dem falschen Fuß erwischen – das wäre dann wahrscheinlich eine etwas euphemistische Beschreibung. Analyst Wanke, der sich bei Sentix auch mit der Psychologie der Märkte beschäftigt, wird da schon deutlicher:
"Wenn morgen das Programm enttäuscht, vielleicht sogar gar keins kommt, dann wäre das wirklich ein Schock für die Märkte, für die Anleger, die rechnen eben damit. Die würden sich dann zurückziehen, das heißt, die Aktien würden sehr stark fallen und dann bedarf es natürlich wieder einiger Zeit, um Vertrauen aufzubauen."
Umgekehrt könnte die EZB auch – aus Sicht der Finanzmärkte – positiv überraschen, indem sie etwa ein höheres Volumen ankündigt. Bisher gehen Beobachter von 500 Milliarden Euro aus, die die Notenbank für den Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen ausgeben will. Doch auch dann erwartet Michael Kemmer vom Bankenverband keine großartigen Reaktionen an den Märkten:
"Mein Gefühl ist, dass die Märkte da schon sehr weit voraus gelaufen sind und dass jetzt vom Volumen, von der Art der Ausgestaltung her noch einmal etwas so Überraschendes kommt, dass das zu einem massiven Boost führt – ausschließen kann man es nie, keiner kann vorhersagen, wie die Märkte reagieren. Mich persönlich würde es überraschen."
Vor allem deutsche Ökonomen zweifeln
Ob das Programm Wirkung entfalten kann, also das Ziel einer Stabilisierung der Wirtschaft im Euroraum erreicht wird, daran zweifeln vor allem deutsche Ökonomen. Dadurch soll die spärliche Kreditvergabe wieder angekurbelt werden. Doch die liege auch in den Krisenländern nicht an mangelnder Liquidität, glaubt Michael Kemmer:
"Dort liegt es daran, dass die Bonität der Unternehmenskunden nicht ausreichend ist, weil das wirtschaftliche Umfeld schwach ist, weil es geringe Wachstumsraten gibt, weil es Rezessionen gibt. Und das kann nur behoben werden durch beherzte, mutige wirtschaftliche Reformen. Das kann nicht durch Geldpolitik gehen, sondern hier muss der Staat, die Finanzpolitik, die Steuerpolitik eingreifen."
Die Bereitschaft zu solchen Reformen könnte durch ein Staatsanleihekaufprogramm der EZB eher sinken, glauben Kritiker.