Claudia Wehrle: Es kam wie erwartet: Die EZB belässt den Leitzins bei null Prozent, bei dem Rekordtief. Die Leitzinsen werden auch mindestens bis über den Sommer 2019 hinaus auf dem aktuellen Niveau bleiben, auf jeden Fall so lange wie nötig, so heißt es. Was die Anleihekäufe betrifft, die werden bis Ende Dezember nur noch 15 Milliarden Euro pro Monat sein. Also alles auf Kurs momentan.
Klemens Kindermann: Frau Wehrle, der EZB-Rat tagt eigentlich in einer besonderen Situation, mitten im eskalierenden Streit zwischen der EU-Kommission und Italien um den römischen Haushalt. Kann die EZB denn zur Beruhigung der Lage etwas beitragen?
Wehrle: Darüber möchte ich mit Ulrich Kater sprechen. Er ist Chefvolkswirt bei der Deka Bank. Herr Kater, was dürfte denn den Rat der Europäischen Zentralbank veranlasst haben, die Zinsen niedrig zu lassen?
Ulrich Kater: Der Rat hat heute in keiner Weise etwas verändert an seiner Kommunikation aus den letzten Monaten. Die EZB will raus aus dieser extremen Politik mit null Zinsen und Anleihekäufen. Sie hat einen Pfad formuliert, schon zwei Jahre lang in die Zukunft, und dieser Pfad ist heute bestätigt worden.
Wehrle: Trägt das zur Beruhigung bei?
Kater: Die Stetigkeit der Notenbank trägt zur Beruhigung bei. Wenn die EZB beispielsweise vor dem Hintergrund von Börsenentwicklungen oder auch von Konjunkturindikatoren wie dem Ifo-Index heute erklärt hätte, dass sie diesen Pfad ändern würde, dann wäre der Markt beunruhigt.
Übergreifen auf andere Länder unwahrscheinlich
Wehrle: Nun ist es ja eben schon angesprochen worden: Italien könnte dem EZB-Chef schlaflose Nächte bereiten. Die italienische Regierung will höhere Schulden machen, will ihre Wahlversprechen einhalten. Gleichzeitig sagt die EU-Kommission, so nicht. Auch die Italiener müssen sich an Spielregeln halten. Wie groß ist denn die Gefahr, dass dieser, ich sage mal, Schlendrian auf andere Länder übergreift?
Kater: Es ist ein italienisches Thema. Die Italiener haben eine zu hohe Staatsschuld. Die letzte Regierung hatte sich dazu bereit erklärt, ihren Kurs der Eindämmung der Staatsverschuldung fortzusetzen, der auch einigermaßen erfolgreich beschritten wurde. Dieser Kurs ist durch die neue Regierung jetzt abgesagt worden. Das ist ein Thema, was die Finanzpolitik angeht. Die EZB kann in diesem Spiel nur Leitplanken setzen und beispielsweise deutlich machen, dass es keine Geldpolitik à la Italien geben wird. Das heißt, trotz dieser Auseinandersetzung und der Probleme im großen südlichen europäischen auch Gründungsland der Europäischen Union wird sie ihre Geldpolitik, diesen Pfad nicht verändern. Genau diese Aussage hat Präsident Draghi auch schon getan, und zwar sogar symbolisch auf Italienisch in Richtung zu den italienischen Politikern in Rom.
Gründe für Zinserhöhung werden weniger
Wehrle: Wenn die EZB zu einer normaleren Geldpolitik zurückkehren will, dann tut sie das ja in einer Zeit, wo sich eigentlich der Wind wieder dreht. Die Konjunktur läuft nicht mehr so rund wie bisher. Kann man daraus schlussfolgern, die EZB könnte gezwungen sein, an ihrer Niedrigzinspolitik festzuhalten?
Kater: Das wird das große Thema sein in der sich jetzt anschließenden Pressekonferenz, wo die Journalisten die EZB-Spitze, Herrn Draghi löchern werden, und genau hier spielt die Musik. Was sind die Gründe für die Zinserhöhung, die die EZB vorhat in den nächsten Jahren? Die Gründe sind nämlich die Erholung der Konjunktur. Diese ist aber unter Umständen schon wieder vorbei, bevor die Zinserhöhungen begonnen haben. Es wird wahrscheinlich so laufen, dass die EZB in jedem Fall ihren Zinserhöhungspfad umsetzt, wahrscheinlich bis zu einer Region von einem Prozent. Viel weiter wird sie nicht kommen.
Wehrle: Das sagt Ulrich Kater, der Chefvolkswirt der Deka Bank.
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