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Facebook als Meinungsmacht

Während in Griechenland die traditionellen Medien ums Überleben kämpfen und das Misstrauen gegen Fernsehnachrichten und Informationssendungen stark gewachsen ist, hat Facebook in den letzten beiden Jahren als Forum zur Meinungsbildung massiv an Wichtigkeit hinzu gewonnen.

Von Marianthi Milona |
    "Im Augenblick leiden alle unter der Finanznot. Mit den beschlossenen Sparmaßnahmen sind wir am Ende unserer Kräfte angekommen. Wir können unsere Kreditraten nicht mehr pünktlich zahlen, ebenso unsere Strom- und Telefonkosten. Sich innerhalb der Facebook Seiten zu bewegen hilft uns ein wenig aufzuatmen und unserem Frust freien Lauf zu lassen. Wir diskutieren im Facebook über politische Entscheidungen und fechten diese öffentlich an, aber wir beschimpfen in diesem Webforum auch unsere Politiker."

    Sagt Andreas Palamas. Der 48-jährige Beamte verbringt bis zu acht Stunden täglich auf der Facebook Oberfläche. Gleich nach seiner Arbeit loggt er sich ein. Dazu braucht er nur seine Email Adresse und sein Kennwort einzugeben. Und schon kann es losgehen. Im Facebook findet er bei Mitstreitern Trost und Verständnis für die dramatische Situation, in der sich griechische Beamte im Augenblick befinden. Schließlich gehören sie zu den großen Opfern der griechischen Wirtschaftskrise. Palamas lädt unentwegt politische Webseiten herunter und verbreitet sie unter seinen Freunden. Und diese sind reichlich! Allein 5000 Freunde hat er im vergangenen Jahr gesammelt. Auf der ganzen Welt. Er könnte natürlich noch mehr Freunde haben, doch 5000 ist bei Facebook die oberste Grenze. In Griechenland stellt Palamas damit keine Ausnahme dar. Nach den USA und China befindet sich Griechenland an dritter Stelle der Facebook Nutzer weltweit.

    "In Griechenland hat Facebook eine Funktion übernommen, die bisher den etablierten Medien vorbehalten war. Doch diese berichten leider nicht immer überparteiisch. Viele Griechen fühlen sich nicht mehr durch Funk und Fernsehen richtig informiert und repräsentiert. Andere Teilnehmer, die sich täglich ins Facebook einloggen sind arbeitslos und nutzen dieses Forum zur individuellen Jobsuche. Mich erreichen täglich Hunderte anfragen, ob es in meiner Gegend irgend eine Arbeit gibt."

    Von den weltweit 100 Millionen Nutzern die Facebook im Jahr 2008 zählte, ist die Zahl im Dezember 2011 auf 845 Millionen angestiegen. Die 20 Millionen aktiven Nutzer in Deutschland, nehmen darin bisher nur einen relativ geringen Teil ein. Während sich in Deutschland nur jeder Vierte mindestens einmal pro Monat bei Facebook einloggt, gehören die Griechen zu den 50 Prozent aller Nutzern weltweit, die diese Kommunikationsplattform täglich für sich in Anspruch nehmen. Nachdem viele Tageszeitungen ihre Druckauflage reduzieren mussten, zum Beispiel nur noch am Wochenende erscheinen oder für die griechischen Leser zu teuer geworden sind, wird nach allen wichtigen Informationen auf der Facebook Oberfläche gesucht. Im Vergleich dazu hören 80 Prozent der Facebooknutzer, so eine aktuelle Umfrage, überhaupt kein Radio mehr, weil dort nur Musiksendungen abgefahren werden oder stundenlang über Fußball geredet wird. Ebenso stark ist das Misstrauen für die Fernsehnachrichten- und Informationssendungen gewachsen, erklärt Eleni Dorougideni.

    "Ich benutze Facebook schon seit sechs Jahren täglich. Ich treffe mich dort mit Freunden, die sich lange außerhalb meiner Reichweite befunden haben und ich kommuniziere mit Verwandten auf Übersee. Ich trete also in Kontakt mit Hunderten Menschen, ohne dass es mich viel Geld kostet. Für eine Tagezeitung müsste 1,50 bis 2,00 Euro zahlen. Das ist für mich als Arbeitslose nicht drin. Ich höre Musikstücke, die mir Freunde schicken. Oder ich spreche über einen Artikel, den viele gelesen haben. Entweder lachen wir gemeinsam oder wir regen uns gemeinsam auf. Manchmal kommuniziere ich über die aktuellen Ereignisse zusammen mit Politikern, die bei Facebook angemeldet sind. Durch das Facebook fühle ich mich mit meinen Sorgen einfach nicht mehr so allein."

    Eleni Dorougideni, ist seit sechs Jahren arbeitslos. Im Facebook kann die 35-jährige Arzthelferin ihre Meinung schriftlich verbreiten. In Windeseile erhält sie Rückmeldung. Manchmal entfacht sich auf diese Weise eine stundenlange Diskussion, die Zündstoff hat.

    "Du kannst Facebook mit Fernsehen überhaupt nicht vergleichen. Das Fernsehen ist überhaupt nicht mehr auszuhalten. Da wird Dir eine Meinung serviert und Du kannst sie schlucken, wenn Du dich nicht so gut auskennst. Wenn Du aber regelmäßig fernschaust, dann erkennst Du recht bald, wie sehr sich die Journalisten für die eine oder andere Partei stark machen. Da kann von unabhängiger Berichterstattung nicht mehr die Rede sein."

    Facebook hat in den letzten beiden Jahren in Griechenland als Forum zur Meinungsbildung an Wichtigkeit hinzu gewonnen. Viele Griechen haben sich zum Beispiel dazu entschlossen ihre Stimme bei den Wahlen erst dann einer bestimmten Partei zu geben, nachdem sie sich im Facebook gegenseitig beraten haben. Das wird genauso für die kommenden Wahlen am 17.Juni der Fall sein. Kritische Beobachter sind inzwischen der festen Überzeugung, dass Facebook Nutzung in Griechenland so einflussreich geworden ist, dass es Regierungen sogar zum Sturz führen kann.