12. Mai 2010. Ich würde so gern Getto-Rapperin werden, und dann will ich ein Video drehen, wo ich Kunststudenten mit ihren Staffeleien verprügel, und Schulkindern auf den Schultaschen tret, und Bobos mit Balsamico-Reduktion die Zähne einschlag.
Es kann mitunter derbe zugehen bei einer Lesung von Stefanie Sargnagel. Die geborene Wienerin steht in direkter Tradition von Wiener Künstlern wie dem Karikaturisten Manfred Deix oder dem Regisseur Ulrich Seidl. Wie sie pflegt sie mal ein verzweifeltes, mal ein zärtliches Verhältnis zu Schmutz, Hässlichkeit und dem Absonderlichen.
Zunehmender Bekanntheitsgrad
Ihre Facebook-Einträge sind Alltagsbeobachtungen, ob aus der U-Bahn, von ihrem Arbeitsplatz, einer Telefonauskunft, vom heimischen Sofa, von ihren Reisen oder aus dem Beisl, so heißt das österreichische Wirtshaus. Aber im Prinzip dreht es sich immer um sie, ob als Beobachterin oder als Beobachtete. Anfangs, als sie fast nur für Freunde und Bekannte schrieb, war die private und öffentliche Stefanie Sargnagel ein und dieselbe Person, aber das hat sich mit zunehmenden Bekanntheitsgrad geändert.
"Jetzt ist es schon eine Kunstfigur, weil die Leute halt mich gar nicht kennen und halt irgendwas reinprojizieren und eine Erwartungshaltung haben, wie ich bin oder so. Aber das ist mehr so ein Comedy-Charakter. Das hat schon mit meinem echten Leben zu tun, aber das ist halt eine humoristische Überzeichnung von mir selbst irgendwie."
"Mein Problem mit der generellen Lebensgestaltung lässt sich an diesem einfachen Beispiel sehr gut veranschaulichen. Die Glühbirne im Vorzimmer ist seit fünf Jahren kaputt, und ich fühle mich davon extrem unter Druck gesetzt."
"Humor hat immer so eine Außenseiterposition, wenn du nicht grad Comedy machst, dann darf es nicht zu lustig sein, dann ist es eben nicht Hochkultur. Es darf so hühü amüsant sein, aber es darf nicht wirklich witzig sein. Aber es ist mir jetzt nicht wichtig. Ich mach halt, was ich mach, und es ist mir eigentlich egal, wie das eingeordnet wird."
Comics ohne Bilder
Stefanie Sargnagel bezeichnet ihre Text-Miniaturen auch als Comics ohne Bilder. Mit Cartoons kennt sie sich aus. Immerhin kann die fast 30jährige auf ein unvollendetes Kunststudium zurückblicken, Daniel Richter war ihr Professor. Doch mit Kunst hat sie gar nicht so viel am Hut, Museen und Konzerte meidet sie weitgehend. Lieber pflegt sie ihren Ruf als Bier liebende Tag-Träumerin und prekär beschäftigte Bohemienne. Und wer das seltsam oder unziemlich findet, den kann sie nicht verstehen.
"Im Kunstbetrieb war ich immer eher so die Bodenständigere. Ich find's auch gar nicht so provozierend, was ich mache. Im Kunstbetrieb würde das auch gar nicht so provozieren. Das sind ständig Leut auf irgendwas und schlagen sich gegenseitig und feiern Orgien, alle sind transgender. Ich hab das Gefühl, der Literaturbetrieb ist da schon spießiger."
"Eine immer wirksame Methode gegen schlechte Laune ist es, sich die eigenen Eltern als Hip-Hopper vorzustellen."
"Große Verlage schreiben mich an plötzlich. Aber sie schreiben alle: Ja super, was du machst, aber bitte was Längeres, dann sind wir im Geschäft. Aber ich will wirklich nicht, oder es liegt mir auch überhaupt nicht. Gut, ein Reisebericht oder so was, das könnte länger sein. Weil da erlebt man was an einem Stück. Ich find, die Kurzform ist eh in Ordnung."
Voller urkomischer Betrachtungen
Ihre Magazin-Reportagen oder ihre Dekonstruktion des neuen österreichischen Popwunders Wanda in der Süddeutschen sind zwar genial geschrieben und voller urkomischer Betrachtungen. Aber leider werden wir davon nicht allzu viel zu lesen bekommen. Der Auftrag muss passen, und wenn Thema oder Event sie langweilt, dann mag sie sich auch nichts aus den Fingern saugen.
"Eigentlich ist es ja so, dass ich möglichst wenig machen will. Und jetzt mach ich halt alles mit, weil ich mir denk, dann muss ich nichts mehr machen, und dann will ich halt meine Ruhe haben und nur so kassieren quasi."
Am liebsten würde sie sich gerade tatsächlich als Rapperin versuchen. Sie hat das bereits auf Facebook angekündigt, und schon schickten ihr die Künstler Beats zu. Stefanie Sargnagel, die Hip-Hop Queen aus Wien - das klingt doch gut.
"Ich bin zu verkopft für eine Partymaus, aber zu versoffen für eine Intellektuelle. Das Dilemma meines Lebens."