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Facebook
Die illegale Datensammlung von Cambridge Analytica

Laut einem Whistleblower soll die Firma "Camebridge Analytica" auf Daten von bis zu 60 Millionen Facebook-Nutzer zugegriffen haben - ohne deren Einverständnis. Die Auswertung der Personendaten zu politischen Zwecken könnte Einfluss auf die letzte US-Wahl und das Brexit-Votum gehabt haben.

Maximilian Schönherr im Gespräch mit Arndt Reuning |
    Das Profil eines Frauengesichtes ist in der Dunkelheit zu erkennen. Grüne und rote Lichjtpunkte leuchten auf ihrem Gesicht und um ihrem Kopf
    Wer ist die Person hinter einem Facebook-Profil? Um das herauszufinden, reichen Analysten schon wenige Profil-Daten. (imago stock&people)
    Arndt Reuning: Cambridge Analytica, das ist der Name eines Unternehmens, dass angeblich Einfluss genommen hat auf zwei große Abstimmungen. Zum einen auf die Präsidentenwahl in den USA und zum anderen auf das Brexit-Votum in Großbritannien. Ob diese Aktionen tatsächlich das Zünglein an der Waage gespielt haben, lässt sich nur schwer beurteilen. Nun hat sich aber ein ehemaliger Mitarbeiter zu Wort gemeldet. Der Whistleblower Chris Wylie packte Details aus. Frage an meinen Kollegen Maximilian Schönherr: Was ist denn hier passiert, was nicht schon vorher bekannt war?
    Maximilian Schönherr: Vorher war bekannt, dass hinter Cambridge Analytica eine Firma steckt, die davon lebt, mit Computerdaten auf Politik Einfluss zu nehmen und zwar von rechts. Mit den Äußerungen des Programmierer Chris Wylie gegenüber dem "Observer" und der "New York Times" konkretisieren sich die Vermutungen nicht nur, sondern sie bekommen eine völlig neue Dimension.
    Wir wissen jetzt, dass nicht 270.000 Facebook-Profile statistisch analysiert wurden - das ist die Zahl, die bisher kursiert hat -, sondern etwa 50 bis 60 Millionen, das sind über fünf Prozent der kompletten Facebook-Gemeinschaft.
    Daten von Personen ausgelesen, die nicht eingewilligt hatten
    Arndt Reuning: Woher kamen denn diese ursprünglichen 270.000 Datensätze, und wie sprang dann diese Zahl auf über 50 Millionen?
    Maximilian Schönherr: Spannende Geschichte: Ein Psychologe an der Universität von Cambridge in England, Aleksander Kogan, trat vor ungefähr fünf Jahren an Facebook heran, um konkret auf Mitglieder zugehen, und zwar mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App namens "thisisyourdigitallife".
    Facebook ist wie Twitter und andere soziale Netze wenig freizügig, aber für akademische Zwecke wird das immer wieder mal zugesagt. 270.000 vorwiegend US-amerikanische Facebook-Mitglieder willigten ein, die App zu installieren und damit einen Einblick in ihr digitales soziales Leben zu geben. Was Facebook offenbar nicht mitbekam oder nicht so genau wissen wollte, war, dass die App sich dann auch an die Freunde und die Freunde der Freunde - also das ganze Netzwerk - gewandt hat , und die Daten von eben mal 300 mal mehr Personen auslas. Eben diesen 50 bis 60 Millionen. Die wussten natürlich davon nichts.
    Facebook wollte, dass die Daten gelöscht werden
    Arndt Reuning: Damit hatte nun einmal ein Wissenschaftler diesen riesigen Datensatz. Wie gelangte die Information dann aus der akademischen Forschung an eine Privatfirma?
    Maximilian Schönherr: Also der Akademiker hat schon eine Privatfirma, für die er forscht - psychologische Profile aufbaut, um soziale Strukturen zu erkennen -, aber er kannte auch den jetzigen Whistleblower und die beiden haben dann sich die Daten übergeben.
    Facebook erfuhr das schon vor einiger Zeit und bestand darauf, dass die Daten gelöscht wurden - die waren als inzwischen bei dieser Privatfirma Cambridge Analytica -, aber Facebook konnte das nie nachhalten, hat es auch nicht, wie sollte das auch gehen? Jedenfalls der Chef von Cambridge Analytica, Alexander Nix, hat jetzt gesagt, man habe die natürlich gelöscht. Während Christopher Wylie dem widerspricht, von wegen, wer wäre so blöd, diesen Datenschatz wegzugeben, wenn das ganze Firmenkonzept darauf aufbaut ist? Er selbst habe die Daten ja ausgewertet.
    Konkrete Personenprofile aus sehr wenigen Daten
    Arndt Reuning: Welche Daten wurden denn da überhaupt abgeschöpft? Bloß Profilnamen oder tatsächlich auch mehr?
    Maximilian Schönherr: Also, wer Facebook von innen kennt, Facebook hat viele Parameter, wie ich sehr schnell von jemandem rausfinden kann, wie er tickt. Heute hat mich schon jemand mit dunkler Hautfarbe angespuckt, gestern habe ich ein Foto gepostet von einem Burger, der zwei Dollar oder zwei Euro gekostet hat. Solche Leute kann ich ansprechen, indem ich sage: Schmeiße hier einige Leute aus Ethnien aus dem Staat heraus und ich unterstütze die Landwirtschaft so, dass die Kühe inzwischen Burgerfleisch abgeben können, was dann bei einem Doller liegt statt bei zwei Dollar.
    Jedenfalls die "Gefällt mir"-Klicks gehören dazu. Und was jetzt herauskam, ist, dass offenbar auch Chats ausgelesen werden konnten. Man kann mit sehr wenigen Daten - also ungefähr mit zehn Daten, sagt man in der statistischen Welt, sehr komplette Personenprofile abgrasen.
    Und dass bei Cambridge Analytica nicht nur Datenanalyse betrieben wird, sondern auch Webseiten und Blogs entwickelt werden, um die Beeinflussung rund zu machen, das war auch neu.
    Vorgehen von Cambridge Analytica strafbar
    Arndt Reuning: Hat der Fall denn nun auch politische Auswirkungen?
    Maximilian Schönherr: Der hat große politische Auswirkungen. Und zwar gibt es jetzt Druck auf Facebook von Seiten der Politik in Großbritannien und den USA. Das Abernten von persönlichen Daten ohne Einverständnis der Betroffenen ist in beiden Ländern strafbar.
    Facebook selbst reagierte bisher unsicher. Man löschte zum Beispiel hektisch auch das Konto des Whistleblowers. Der Chef von Cambridge Analytica wird jetzt wegen Falschaussage vor dem Britischen Parlament belangt. Seine Firma hat jetzt vergeblich eine einstweilige Verfügung gegen den englischen Fernsehsender "Channel 4" erwirken wollen, der heute Abend um acht eine Sondersendung mit verdeckten Aufnahmen dazu bringt.