Jan Maleike: Facebook hat eine europaweite Kampagne gegen Hassreden im Internet gestartet und will Nichtregierungsorganisationen mit gut einer Million Euro fördern, die sich im Kampf gegen Online-Extremismus engagieren. Was kann eine solche Initiative überhaupt leisten?
Konstantin von Notz: Sicherlich ist es zunächst begrüßenswert, dass Facebook endlich mehr gegen menschenverachtenden Hass und eine ausufernde Hetze tun will. Das war lange überfällig. Die Situation in den sozialen Netzwerken war zuletzt besorgniserregend und nicht mehr hinnehmbar. Organisationen wie die Amadeo-Antonio-Stiftung haben zweifellos viel Know-How bezüglich des richtigen Umgangs mit "Hate Speech" im Netz. Es ist daher gut, dass Facebook auf diese Kompetenz zurückgreift.
Jan Maleike: In der vergangenen Woche hatte Facebook bereits bekannt gegeben, dass es mit sogenannten "Löschteams" von Deutschland aus gegen rassistische Einträge vorgehen will. Wie ernst ist das zu nehmen? Der bisherige Umgang des sozialen Netzwerks mit Hass-Kommentaren wurde ja wiederholt als recht schleppend kritisiert ...
Konstantin von Notz: Es war dringend notwendig, dass zukünftig klar strafbare Inhalte in Deutschland überprüft werden. Das haben wir immer gefordert und an das Unternehmen appelliert, die bisherige Praxis dringend zu überprüfen. Das Ergebnis der bisherigen Überprüfungen war alles andere als zufriedenstellend: Klar strafbare Inhalte blieben viel zu oft im Netz. Es reicht eben nicht aus, wenn Mitarbeiter in den USA, ohne spezifische Kenntnis der deutschen Rechtslage, Inhalte überprüfen. Das ändert sich nun hoffentlich. Wer in den letzten Tagen in den sozialen Netzwerken unterwegs war, konnte eine gewisse Verbesserung bereits spüren: Bereits überprüfte und vormals für nicht beanstandet erklärte Inhalte wurden plötzlich doch gelöscht. Das zeigt: Offenbar ist es mit ausreichend Willen plötzlich doch möglich, mehr gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Dass es hierfür erst eines enormen öffentlichen Drucks bedurfte, ist bedauerlich. Man würde sich von milliardenschweren Unternehmen wünschen, dass sie von sich aus die deutsche Rechtslage respektieren. Denn hierum geht es im Kern bei der Bekämpfung von "Hate Speech".
Jan Maleike: Das Entfernen von Inhalten in sozialen Netzwerken kann ja bestenfalls ein Teil der Lösung sein; wo sehen Sie weitere Ansatzpunkte?
Konstantin von Notz: Inhalte müssen nicht nur entlang der deutschen Rechtslage überprüft und schnellstmöglich gelöscht werden, sondern gelöschte Kommentare auch umgehend an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet werden. Ob dies nun tatsächlich geschieht, ist derzeit noch unklar. Hier werden wir nachhaken. Auch werden wir uns genau anschauen, wie viele Mitarbeiter Facebook tatsächlich in Deutschland angestellt hat und nach welchen Kriterien diese nun Löschungen vornehmen. Genauso werden wir uns anschauen, wie erfolgreich die Strafverfolgung in diesen Fällen ist.
Klar ist aber auch: Die Bundesregierung ist weiterhin in der Pflicht, nicht nur die Unternehmen an ihre Verantwortung und geltende Gesetze zu erinnern, sondern auch selbst klare rechtliche Vorgaben zu machen, beispielsweise, was den Datenschutz in den sozialen Netzwerken angeht. Hier gibt es weiterhin extrem viel zu tun. Das hat nicht zuletzt ein von den Verbraucherzentralen jüngst erstrittenes Urteil des Bundesgerichtshofs zur "Friends-Finder-Funktion" von Facebook noch einmal unterstrichen. In Richtung Bundesregierung sagen wir sehr deutlich: Auch der nationale Gesetzgeber ist weiterhin in der Pflicht, klare gesetzliche Vorgaben zu machen und diese auch nötigenfalls durchzusetzen.
Vorschläge wie von CDU-Generalsekretär Peter Tauber, "Hate Speech" und damit klar strafbare Inhalte im Netz zu belassen, würden die Kapitulation des Rechtsstaates vor rechten Pöblern bedeuten. Genauso wenig dürfen wir Antidemokraten entgegenkommen, indem wir Freiheitsrechte abbauen und die Diskussion um die Anonymität im Netz wieder aufmachen, wie dies zuletzt Ralf Stegner von der SPD getan hat. Ich halte wenig davon, offen rechtsextreme, homophobe und antisemitische Hetze nicht nach rechtsstaatlich klaren Kriterien zu löschen und erneut längst beendet geglaubte Debatten um ein Vermummungsverbot im Netz zu führen. Die Große Koalition sollte nicht weiter ablenken, sondern die Anbieter endlich an ihre klaren rechtlichen Verpflichtungen erinnern! Entsprechende Vorschläge liegen seit Jahren auf dem Tisch. Dass es durchaus erfolgsversprechend ist, am Ball zu bleiben, haben die letzten Wochen gezeigt.
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