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Facebook kauft WhatsApp
Was sich für die Nutzer ändert

Facebook verspricht, dass sich für die Nutzer nach der Übernahme von WhatsApp nichts ändert. Damit sich die Kaufsumme von 19 Milliarden Dollar aber rechnet, muss WhatsApp entweder irgendwie mit Facebook verwoben werden - oder selbst mehr Geld verdienen.

Stefan Römermann im Gespräch mit Georg Ehring | 20.02.2014
    Die Logos von Facebook und WhatsApp in einer Doppelbelichtung übereinandergelegt.
    Bislang funktioniert WhatsApp ohne Werbung. Mit dem Einstieg von Facebook könnte sich das ändern. (dpa / Daniel Reinhardt)
    Georg Ehring: Das soziale Netzwerk Facebook stemmt die größte Übernahme seiner Geschichte: Für 19 Milliarden Dollar kauft Facebook WhatsApp - eine enorme Summe. Zum Vergleich: Für den Fotodienst Instagram hatte Facebook gerade mal eine Milliarde Dollar auf den Tisch gelegt. Facebook verspricht sich also offenbar einiges von der neuen Tochtergesellschaft und das könnten auch die Nutzer irgendwie zu spüren bekommen.
    Was, darüber möchte ich jetzt mit meinem Kollegen Stefan Römermann sprechen. Viele Menschen nutzen WhatsApp, aber das Unternehmen ist erst fünf Jahre alt und viele kennen es nicht - wozu braucht der Mensch WhatsApp?
    Stefan Römermann: WhatsApp ist für die meisten Nutzer wohl zuallererst ein Ersatz und eine Verbesserung für die SMS. Man kann also mit Smartphone seinen Freunden kurze Textnachrichten austauschen - aber eben nicht nur das. Man kann auch Fotos oder andere Dateien teilen und die ganz einfach hin und her schicken. Das ganze funktioniert über das Internet. Anfangs war das komplett kostenlos. Inzwischen müssen Nutzer meist nach einem kostenlosen Jahr so eine Art Abo abschließen, das kostet allerdings weniger als einen Euro im Jahr - und das ist unter dem Strich erheblich billiger als jede SMS-Flatrate oder das Verschicken von MMS.
    Ehring: Wozu braucht Facebook WhatsApp?
    Römermann: Für Facebook sind vor allem die enormen Zuwächse bei den Nutzerzahlen interessant. WhatsApp hat inzwischen rund 450 Millionen Nutzer und ist damit längst erfolgreicher als der Kurznachrichtendienst Twitter. Und das Unternehmen wächst weiter. Täglich melden sich rund eine Million Nutzer neu an. Und durch den enormen Medienrummel dürften es zurzeit wohl noch erheblich mehr werden. Facebook schwächelt dagegen momentan vor allem bei jüngeren Nutzern - und die könnte man sich so quasi dazu kaufen. Außerdem wird die Nutzung von mobilen Endgeräten, sprich von Smartphones immer wichtiger - und genau da ist WhatsApp eben besonders stark.
    Einkaufssumme muss sich rechnen
    Ehring: Was ändert sich für die Verbraucher durch den Verkauf?
    Römermann: Das ist die große Frage. Facebook und WhatsApp versprechen, dass sich für Nutzer überhaupt nichts ändert. WhatsApp soll weiter seine Eigenständigkeit behalten. Werbung soll es weiter bei WhatsApp nicht geben. Und auch die Nutzerdaten sollen nicht ausgewertet und vermarktet werden. Die Nutzer sollen weiterhin nur über die niedrige Jahresgebühr den Dienst finanzieren.
    Wie lange diese Versprechen wirklich zu halten sind, ist allerdings eine berechtigte Frage. Facebook hat immerhin rund 19 Milliarden Euro für die Firma ausgegeben. Damit sich die Summe wirklich rechnet, muss WhatsApp entweder doch irgendwie mit Facebook verwoben werden - oder selbst mehr Geld verdienen. Denn mit einem Euro pro Nutzer pro Jahr, kommt man momentan gerade mal auf Einnahmen von rund einer Halbe Milliarden Euro - und davon muss man natürlich noch die Entwicklungskosten für die Software und die Kosten für die ganzen Internet-Server abziehen. Dass das Facebook und den Investoren langfristig reicht, wage ich zu bezweifeln.
    Also müssen sie entweder mittelfristig die Preise kräftig erhöhen - aber dann dürften ihnen die Nutzer auch schnell wieder weglaufen. Oder sie führen eben doch Werbung ein.
    Ehring: Beide Unternehmen stehen immer wieder in der Kritik als Datenkraken, sie nähmen es mit dem Schutz der persönlichen Daten nicht so genau. Wenn jetzt so ein Riesenunternehmen entsteht - haben Nutzer denn Alternativen?
    Römermann: Ja, das mit dem Datenschutz ist durchaus so eine Sache. So wurden die Nachrichten bei WhatsApp anfangs überhaupt nicht verschlüsselt. Hatte man die Anwendung in einem unverschlüsselten WLAN-Netzwerk benutzt hat, also beispielsweise in einer Kneipe oder einem Café, konnten Hacker so ohne viel Aufwand die Nachrichten mitlesen - oder sogar das eigene Benutzerkonto übernehmen. Hier hat WhatsApp inzwischen nachgebessert. Allerdings überträgt das Programm immer noch mein Adressbuch oder zumindest Teile davon an einen Zentralcomputer in den USA. Das finden Datenschützer hoch bedenklich.
    Das Problem ist: Wirkliche Alternativen gibt es kaum. Es gibt zwar eine ganze Reihe von Programmen, mit denen man genauso gut und teilweise sogar noch erheblich besser Textnachrichten, Bilder und andere Dateien verschicken kann. Allerdings geht das bei all diesen Diensten immer nur an andere Nutzer, die auch bei diesem Dienst angemeldet sind. Und hier hat WhatsApp als Marktführer ganz klar die Nase vorn. Und das macht es mit den Alternativen so schwierig. Was nützt es mir, wenn ich, Stefan Römermann, beim besten Dienst, mit den tollsten Funktionen den sichersten Datenschutzvorkehrungen angemeldet sind - aber keiner meiner Freunde ist, dem ich eine Nachricht schicken kann.
    Größte Konkurrenz mit vergleichsweise vielen Nutzern waren bisher vor allem Skype - und Facebook, die ja auch seit einiger Zeit eine Messenger-App für Smartphones haben. Die großen Mobilfunkanbieter haben außerdem vor anderthalb Jahren den Dienst "Joyn" gestartet, der eine Datenschutztechnisch vergleichsweise sichere Alternative gestartet. Allerdings machen da längst noch nicht alle Mobilfunkunternehmen mit - und die Nutzerzahlen sind noch vergleichsweise niedrig.