Facebook schaut Millionen Menschen in Deutschland beim Nachrichtenlesen über die Schulter - "grob ca. zehn oder elf Millionen Deutschen", schätzt der Journalist Matthias Eberl. Der Konzern tue dies über Tracking-Tools, also speziellen Analyse-Instrumenten, die auf sehr vielen Seiten von deutschen Medien eingesetzt würden.
Zu diesem Ergebnis kommt Eberl, der dafür rund 130 deutschen Medien-Seiten untersucht hat - darunter "Bild", "FAZ", "Kölner Stadt-Anzeiger", "Stern", "bento", "Chefkoch" oder "Brigitte". Laut seinen Untersuchungen fließen von mehr als zwei Drittel dieser Seiten Nutzerdaten der Leserinnen und Leser an Facebook ab.
"Da sind auch sehr viele sensible Daten dabei, die eigentlich auch besonders geschützt sein sollten: politische Einstellungen, Krankheiten, sexueller Mißbrauch - all das wird personenbezogen gespeichert. Da sieht man dann vielleicht schon die Problematik von diesem Tracking. Und da denken glaube ich die Verlage oft nicht dran", so Eberl im Gespräch mit @mediasres.
"Das ist klar rechtswidrig"
Für den Journalisten sei diese Praxis sehr klar rechtswidrig - es gebe gleich mehrere Gesetze, die solch ein Tracking untersagten.
"Am deutlichsten vielleicht das Telemediengesetz: Es darf zum Zwecke der Werbung getrackt werden mit Pseudonymen, aber diese pseudonymen Profile dürfen nicht mit den Daten des Trägers - des Pseudonyms - zusammengeführt werden. Und im dem Moment, wo Facebook die Login-Nummer über das Cookie mitbekommt, kann Facebook diese Seitenaufrufe zusammen führen - und das ist ja auch so gewollt. Weil ja dann auch im Stream von dieser Person personalisierte Werbung gezeigt werden soll."
Dazu käme laut Eberl aber auch noch die DSGVO, in der der Bergriff des "berechtigten Interesses" eine wichtige Rolle spiele. Dies bedeute, dass eine Abwägung stattfinden müsse.
DSGVO soll Datensammlungen verhindern
"Da entstehen sehr viele Nachteile für den Betroffenen. Die Daten werden mit anderen angereichert, das spricht dagegen. Es werden aus verschiedenen Quellen Daten gesammelt. Der Leser erwartet die Weitergabe mit Sicherheit nicht - weil das ja auf einer ganz anderen Plattform gesammelt wird. Es sind sensible Daten dabei. Die Daten werden länger aufbewahrt. Und das einzige, das eigentlich auf Verlagsseite dafür spricht, ist, dass der Verlag seine Werbung etwas besser auf Zielgruppen zuschneiden kann. Das steht in überhaupt keinem Verhältnis mehr."
Dass die Verlage glaubten, diese Praxis sei durch das Gesetz gedeckt, findet Eberl absurd. Die einzige Möglichkeit für Verlage, auf dieser Art und Weise Daten der Leserinnen und Leser zu sammeln, sei eine Einwilligung.
"Dass der Leser eben vorher sagt: 'Ja, ich will jetzt diesen Artikel lesen und dafür nehme ich auch in Kauf, dass meine Daten an Facebook weitergeleitet werden' - das wäre die rechtssichere Variante", so Eberl.