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Fachkräfteeinwanderungsgesetz
Tack (SPD): Gesetz bietet Rahmen, Wirtschaft muss aktiv werden

Im März 2020 wird das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft treten. Kerstin Tack (SPD) ist optimistisch, dass damit Rahmenbedingungen geschaffen wurden, die die Zuwanderung von Fachkräften erleichtern werden. Allerdings müsste auch die Wirtschaft aktiv werden und sich neben der Bundesregierung um Anwerbungen kümmern.

Kerstin Tack im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
Drei junge Flüchtlinge arbeiten im Ausbildungszentrum der Siemens Professional Education an der Verdrahtung eines Schaltschranks.
Auch die Wirtschaft müsse selber über ihre Auslandsagenturen für eine Anwerbung von Fachkräften sorgen, sagte SPD-Politikerin Kerstin Tack im Dlf. (picture alliance / dpa / Monika Skolimowska)
Tobias Armbrüster: Fachkräfte sind in vielen Branchen in der deutschen Wirtschaft Mangelware. In Krankenhäusern fehlen Pflegekräfte, IT-Unternehmen finden keine Programmierer, die Liste ließe sich lange fortsetzen.
Der Bundestag hat deshalb vor einigen Monaten das sogenannte Fachkräfte-Einwanderungsgesetz beschlossen. Das soll im kommenden Jahr im März in Kraft treten. Aber ob sich damit wirklich ausländische Fachkräfte finden lassen, das ist noch völlig offen.
Angela Merkel hat nun deshalb heute zum Fachkräftegipfel nach Berlin eingeladen mit Vertretern aus Unternehmen, Verbänden und Gewerkschaften.
Am Telefon ist jetzt Kerstin Tack von der SPD. Sie ist die arbeitsmarktpolitische Sprecherin ihrer Partei. Schönen guten Morgen, Frau Tack.
Kerstin Tack: Schönen guten Morgen!
Armbrüster: Frau Tack, warum ist Deutschland bislang so unattraktiv für Fachkräfte aus dem Ausland?
Tack: Na ja, es ist ja nicht so, dass wir keine Zuwanderung haben. Aber wir haben ja bisher insbesondere durch die EU, also durch die Freizügigkeit Fachkräfte angeworben, und jetzt macht es aber auch Sinn, dass wir den Blick erweitern, nicht nur die Fachkräftepotenziale im eigenen Land zu heben und in der EU, sondern auch in die Drittstaaten zu gucken.
Von daher bin ich sehr optimistisch, dass wir mit dem Einwanderungsgesetz Rahmenbedingungen geschaffen haben, die eine Einwanderung insbesondere auch von Fachkräften in unser Land ermöglichen.
Kerstin Tack, sozialpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion.
Kerstin Tack, sozialpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion. (imago stock&people)
"Wir brauchen eine Grundlage bei den Sprachkenntnissen"
Armbrüster: Was schätzen Sie denn? Was wird im nächsten Jahr passieren? Das Einwanderungsgesetz tritt im März in Kraft und danach kommen dann die Fachkräfte aus dem Ausland nur so nach Deutschland und füllen die leeren Stellen in den Unternehmen.
Tack: Ich glaube, ohne dass die Wirtschaft was tut und ohne dass auch die Bundesagentur für Arbeit was tut und wir die richtigen Rahmenbedingungen setzen, wird es nicht funktionieren. Deshalb hat das Einwanderungsgesetz ja auch zur Grundlage, dass wir die Erteilung von Visa, auch die Anwerbestrategien, auch die Auslandshandelskammern, auch eine weitere Ausstattung mit Goethe-Schulen, so dass auch Deutschkenntnisse erworben werden können - all das sind Rahmenbedingungen und Grundlagen, die müssen geschaffen werden. Dazu bietet das Gesetz den Rahmen.
Aber auch die Wirtschaft selber muss was tun, denn nicht die Bundesregierung wirbt an, sondern die Firmen müssen über ihre Auslandsagenturen und ihre Gemeinschaften auch für eine Anwerbung sorgen.
Armbrüster: Jetzt hören wir den ganzen Morgen schon in vielen Berichten, dass die Kriterien, die im Fachkräfte-Einwanderungsgesetz stehen, eigentlich viel zu hoch sind und wahrscheinlich viele Menschen aus dem Ausland eher abschrecken, zum Beispiel, wenn es um deutsche Sprachkenntnisse geht, oder um Qualifikationen. Ist das alles viel zu anspruchsvoll, zu hoch angesetzt?
Tack: Na ja, wir haben schon gesagt, dass wir eine Grundqualifikation im Herkunftsland uns angucken wollen, damit auch da schon geguckt werden kann, was sind eigentlich weitergehende draufsattelnde Qualifikationen, die dann entweder vor Ort oder hier erworben werden können. Das halte ich auch für richtig. Und dass wir eine Grundlage bei den Sprachkenntnissen brauchen, halte ich auch für richtig. Darauf kann man hier dann aufsatteln.
Aber bestimmte insbesondere auch Arbeitsschutzkenntnisse müssen wir natürlich voraussetzen können, und das geht nur, wenn man auch die deutsche Sprache mindestens im Ansatz erlernt hat. Deshalb ist es gut, dass wir nicht eine komplette deutsche Sprache voraussetzen, aber eine Grundlage schon gesetzt haben wollen, und ich glaube, dass man damit anfangen kann, und wir werden sehen, ob wir weiteres aufsatteln müssen.
Armbrüster: Frau Tack, warum muss ein indischer Programmierer, der in einen großen deutschen Software-Konzern kommt, unbedingt Deutsch sprechen?
Tack: Na ja, weil auch, wenn wir die englische Sprache als Grundsprache gerade im IT-Bereich haben, es trotzdem richtig und wichtig ist, dass wir in unserem Land darüber hinaus weitergehende Anstrengungen brauchen, um hier auch eine gute Integration und ein Willkommen auch in unserem Land herzustellen.
Deshalb sind Grundkenntnisse - und da reden wir ja wirklich von einfachsten Grundkenntnissen -, finde ich, trotzdem richtig und sinnvoll, dass die Voraussetzung sind.
"Wir sind nicht für jeden automatisch das größte Willkommensland"
Armbrüster: Aber reicht das nicht aus, wenn der oder die das dann in Deutschland macht?
Tack: In Deutschland wird man weiter aufsatteln, denn die Voraussetzungen, die wir bieten, reichen ja nicht aus, um sich in Deutschland gut zurechtzufinden. Aber erste Grundkenntnisse finden wir schon. Im Übrigen reden wir insbesondere nicht nur über den IT-Bereich, sondern auch über Arbeitsbereiche im Gesundheitswesen insbesondere, und da ist es schon relevant, dass man sich dem Grunde nach verständigen kann.
Armbrüster: Was ist denn eigentlich mit Flüchtlingen, die zu uns kommen? Können wir da mehr erwarten, dass auch bei denen verstärkt darauf geachtet wird, dass sie Fachkräfte sind und möglicherweise länger und bevorzugt bei uns bleiben können und bevorzugt behandelt werden?
Tack: Die Flüchtlinge kommen ja nicht zum Arbeiten, sondern sie sind entweder asylsuchend, oder sie sind nach der Genfer Flüchtlingskonvention hier, und da gucken wir nicht nach der Ausbildung, sondern nach dem Fluchthintergrund. Aber selbstverständlich - und das war ja nicht ganz einfach in der Koalition - haben wir auch die Frage, wie gehen wir daran, dass wir Flüchtlingen sehr, sehr schnell Integration in Arbeit, Sprachkurse und so weiter, ihnen alle Möglichkeiten der Unterstützung auch durch die Instrumente der Bundesagentur für Arbeit, das alles noch während des Verfahrens der Asylbeantragung für sie zugänglich machen, damit wir möglichst viele von ihnen, wenn sie in unserem Land sind, auch nutzen können für unseren Arbeitsmarkt.
Armbrüster: Kann es sein, dass viele Menschen im Ausland das durchaus sehr genau wahrnehmen, wie das hier in Deutschland diskutiert wird, dass auch viele Menschen bei uns etwas dagegen haben, wenn Arbeiter, wenn Mitarbeiter, Fachkräfte aus dem Ausland herkommen und sich hier niederlassen?
Tack: Selbstverständlich ist es so, dass man natürlich auch guckt, fühle ich mich nicht nur als Arbeitskraft oder Kollege oder Kollegin hier wohl, sondern stoße ich auch auf ein Klima in einer Gesellschaft, das mich auch willkommen heißt und das mich aufnimmt und mir das Leben in Deutschland leichter macht. Selbstverständlich!
Und natürlich gucken wir auch mit Sorge auf Strukturen, wie wir sie in den letzten Monaten sehr, sehr stark im Bereich von Ausländerfeindlichkeit wahrnehmen, und das treibt uns mit Sorge um. Da müssen wir offensiv auch drüber reden. Natürlich ist es so, dass wir nicht für jeden automatisch das größte Willkommensland sind, und das muss uns mit allergrößter Sorge umtreiben.
Armbrüster: Wie schätzen Sie das ein? Was wird da im kommenden Jahr passieren, wenn dieses Gesetz in Kraft tritt?
Tack: Ich glaube, der Vorteil ist: Diejenigen, die kommen, stoßen ja unmittelbar und sofort auf Kolleginnen und Kollegen, die auf sie gewartet haben, und das wird eine Integration auch vor Ort schneller und deutlicher möglich machen. Darauf setzen wir natürlich sehr, dass es auch Kulturen in den Unternehmen gibt, hier eine gute Willkommenskultur und eine gute Ankommenskultur und Mitnahmekultur in die Gesellschaft sich dadurch natürlich deutlich schneller entwickeln kann.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.