Genthin in Sachsen-Anhalt: Fred Sommer ist Schneidwerkzeugmechaniker und Meister. Der Lärm in seiner Werkstatt kommt von kastenförmigen Schleifmaschinen, die computergesteuert bis zu 60 Stunden am Stück laufen. „Wir fertigen hier Werkzeuge im Mü-Bereich, was Durchmesser angeht oder auch Längen, die dann halt für hochpräzise Teile im Automobilbaugetriebe, Motoren oder auch im Turbinenbau eingesetzt werden.“
Fred Sommer ist der Chef des kleinen mittelständischen Familienbetriebs an der Schnittstelle zwischen Handwerk und Industrie. Sein Vater hat das Unternehmen 1977 aufgebaut, Sohn Fred ist 1989 miteingestiegen, Mitte der Neunziger hat er die Firma dann übernommen. Inzwischen ist Fred Sommer 59 Jahre alt und muss so langsam an die Betriebsnachfolge denken. Schon jetzt ist klar: Ein Familienunternehmen wird es nicht bleiben, seine Kinder haben sich nicht fürs Schleifer-Handwerk, sondern für ein Studium entschieden. „Dadurch ist natürlich die Sache, wie es hier mit der Firma weitergeht, erstmal eine andere Sache wie in anderen Firmen, wo die Kinder mit eingestiegen sind.“
Die Nachfolgesuche gestaltet sich schwierig. Fachkräfte sind nicht in Sicht - den letzten Azubi hat Fred Sommer vor zehn Jahren ausgebildet. Der einzige, der für Fred Sommer als Betriebsnachfolger in Frage kommen würde, kommt aus seiner fünfköpfigen Mitarbeiterschaft. „Es ist einer dabei, der ist aber mittlerweile auch schon in so einem Alter, wo das fast zu spät ist. Der ist jetzt 52, wird der jetzt so.“
Fred Sommer ist der Chef des kleinen mittelständischen Familienbetriebs an der Schnittstelle zwischen Handwerk und Industrie. Sein Vater hat das Unternehmen 1977 aufgebaut, Sohn Fred ist 1989 miteingestiegen, Mitte der Neunziger hat er die Firma dann übernommen. Inzwischen ist Fred Sommer 59 Jahre alt und muss so langsam an die Betriebsnachfolge denken. Schon jetzt ist klar: Ein Familienunternehmen wird es nicht bleiben, seine Kinder haben sich nicht fürs Schleifer-Handwerk, sondern für ein Studium entschieden. „Dadurch ist natürlich die Sache, wie es hier mit der Firma weitergeht, erstmal eine andere Sache wie in anderen Firmen, wo die Kinder mit eingestiegen sind.“
Die Nachfolgesuche gestaltet sich schwierig. Fachkräfte sind nicht in Sicht - den letzten Azubi hat Fred Sommer vor zehn Jahren ausgebildet. Der einzige, der für Fred Sommer als Betriebsnachfolger in Frage kommen würde, kommt aus seiner fünfköpfigen Mitarbeiterschaft. „Es ist einer dabei, der ist aber mittlerweile auch schon in so einem Alter, wo das fast zu spät ist. Der ist jetzt 52, wird der jetzt so.“
"Babyboomer" verlassen in den nächsten Jahren den Arbeitsmarkt
Fred Sommer würde seinen Betrieb lieber heute als morgen an einen Nachfolger geben. Der 59-Jährige gehört zu den sogenannten „Babyboomern“ in Ostdeutschland. Also zu denjenigen, die um das Jahr 1960 herum geboren wurden. Eine Generation, die in den nächsten Jahren den Arbeitsmarkt verlassen wird. Im Bezirk der Handwerkskammer Magdeburg ist die Alterskohorte zwischen 56 und 60 Jahren die zahlenmäßig stärkste. Fred Sommer macht sich nicht nur um die Zukunft seines eigenen Handwerksbetriebs Sorgen. „Dass wir schon ein bisschen Angst haben, wie es dann hier weitergehen soll. Was kommt nach uns?“
Mit "hier" meint er seine Heimatstadt, meint er Sachsen-Anhalt, den Osten. Wer also kommt nach den Babyboomern in Ostdeutschland? Mit dieser Frage beschäftigt sich Per Kropp vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Halle. Dort ist er zuständig für die Bundesländer Sachsen-Anhalt und Thüringen. Der Soziologe zählt auf: Die Babyboomer-Jahrgänge in Sachsen-Anhalt seien mehr als doppelt so geburtenstark wie die Generation, die aktuell gerade die Schule verlässt. Allein das verdeutliche die demografische Klippe, sagt Per Kropp.
„Ich bin immer wieder überrascht, dass das Thema, dass jeden, der die Verwaltung oder auch Unternehmen berät - seit 20 Jahren reden wir vom demografischen Wandel - dass immer noch viele erstaunt sind, wenn man sie mal mit den Zahlen konfrontiert. Diese starke Diskrepanz zwischen ausscheidenden und neueintretenden Personen ins Arbeitsleben. Ich glaube, das wird einfach unterschätzt. Wahrscheinlich weil es verdrängt wird.“
„Ich bin immer wieder überrascht, dass das Thema, dass jeden, der die Verwaltung oder auch Unternehmen berät - seit 20 Jahren reden wir vom demografischen Wandel - dass immer noch viele erstaunt sind, wenn man sie mal mit den Zahlen konfrontiert. Diese starke Diskrepanz zwischen ausscheidenden und neueintretenden Personen ins Arbeitsleben. Ich glaube, das wird einfach unterschätzt. Wahrscheinlich weil es verdrängt wird.“
Für den Osten und seine Versorgung mit Fachkräften spielt der Faktor Demografie nochmal eine besondere Rolle. Speziell, wenn man sich die Generationen anschaut, die nach den Babyboomern, also nach den 1960ern, geboren wurden. Forscher Per Kropp nennt diese Jahrgänge den „Honecker-Buckel“. In den 1970ern führte der damalige Staatschef der DDR, Erich Honecker, den zinslosen staatlichen Ehekredit ein. Diesen konnte man dann „abkindern“. Sprich: je mehr Kinder in der Familie, desto weniger musste zurückgezahlt werden. Der sogenannte „Honecker-Buckel“ habe sich auf die 1970er- und 1980er-DDR-Jahrgänge bezogen, sagt Arbeitsmarktforscher Per Kropp. Danach sei der Einbruch gekommen.
„Das Auffällige bei dieser Generation ist, dass es nach 1990 keine Fortsetzung gab davon, weil die Ostdeutschen quasi ihre demografischen Tätigkeiten eingestellt haben, um es mal überspitzt zu formulieren. Die sind weniger gestorben, sind weniger krank geworden. Haben weniger geheiratet und weniger Kinder gekriegt. Das war die letzte große Generation. Halbwegs große.“
„Das Auffällige bei dieser Generation ist, dass es nach 1990 keine Fortsetzung gab davon, weil die Ostdeutschen quasi ihre demografischen Tätigkeiten eingestellt haben, um es mal überspitzt zu formulieren. Die sind weniger gestorben, sind weniger krank geworden. Haben weniger geheiratet und weniger Kinder gekriegt. Das war die letzte große Generation. Halbwegs große.“
Sachsen-Anhalt hat im Durchschnitt die älteste Bevölkerung
Ein Umstand, der den Osten und seine demografische Entwicklung zusätzlich belastet hat: Aus der Generation „Honecker-Buckel“ sind nach der Wiedervereinigung, also mit Beginn der 1990er-Jahre, viele Menschen in den Westen abgewandert - den Jobs und Perspektiven hinterher. Speziell Sachsen-Anhalt ist durch Wegzug und Rückgang der Geburtenrate um rund 700.000 Menschen geschrumpft. Kein anderes Bundesland hat daher im Durchschnitt eine so alte Bevölkerung.
Beides zusammen, die Abwanderung und die einbrechende Geburtenrate nach der Wende, sorgten dafür, dass es so wirke, als ob im Osten eine ganze Generation fehlen würde. „Das trifft für ganz Mitteldeutschland zu und für Sachsen-Anhalt noch ein bisschen stärker. Heißt es, dass jetzt die Generation fehlt, die jetzt die Kinder kriegen würde. Und das ist ein starkes sozialpolitisches Problem. Das äußert sich darin, dass viel weniger Erwerbstätige die Renten erwirtschaften müssen für die Babyboomer, die dann in Rente sind, beispielsweise.“
Die aktuell sichtbarste Form des demografischen Wandels ist der Fachkräftemangel. Er betrifft ganz besonders den Osten, aber auch ganz Deutschland. Schon jetzt können Unternehmen in Deutschland aktuell mehr als 500.000 Stellen nicht besetzen. So die Zahlen vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft.
Die aktuell sichtbarste Form des demografischen Wandels ist der Fachkräftemangel. Er betrifft ganz besonders den Osten, aber auch ganz Deutschland. Schon jetzt können Unternehmen in Deutschland aktuell mehr als 500.000 Stellen nicht besetzen. So die Zahlen vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft.
GEW: "Uns fehlt im Prinzip eine komplette Generation"
Nicht nur im Handwerk fehlt es an Personal, auch in der Verwaltung. Im Jugendamt Dessau war bis vor kurzem jede fünfte Stelle unbesetzt. Und: In kaum einem Arbeitsmarktbereich falle die fehlende Generation in Ostdeutschland so durch Abwesenheit auf wie im Lehrerzimmer. Das gibt Malte Gerken zur Auskunft, er ist stellvertretender Vorsitzender der Lehrergewerkschaft GEW in Sachsen-Anhalt.
„Direkt nach der Wende gab es zu viel Lehrkräfte, und man hat sie großzügig in Altersteilzeit, vorzeitige Ruhestände verabschiedet. Sogar noch gelockt, diese Modelle auch anzunehmen und hat nicht für ausreichenden Nachwuchs gesorgt. Uns fehlt im Prinzip eine komplette Generation. Also, entweder Sie sind 30, 35 oder 55, 60.“
„Direkt nach der Wende gab es zu viel Lehrkräfte, und man hat sie großzügig in Altersteilzeit, vorzeitige Ruhestände verabschiedet. Sogar noch gelockt, diese Modelle auch anzunehmen und hat nicht für ausreichenden Nachwuchs gesorgt. Uns fehlt im Prinzip eine komplette Generation. Also, entweder Sie sind 30, 35 oder 55, 60.“
Dabei ist anhand der Geburtenrate die Anzahl der Schüler und der absehbar in Rente gehenden Lehrer leicht zu berechnen. Kaum ein Arbeitsmarktbereich ist daher so planbar wie das Schulwesen, das in die Zuständigkeit der Länder fällt. Der Lehrermangel: in Sachsen-Anhalt ist er also nicht nur Resultat eines demografischen Wandels, sondern auch einer jahrelangen Sparpolitik.
Forscher: Lehrermangel wegen "Politik der knappen Kassen"
Durchgesetzt wurde er auf Landesebene von CDU und SPD in den 2010er-Jahren. Damals wurden gerade mal 75 neue Lehrer pro Jahr eingestellt. Jetzt schreibt das Bildungsministerium alle paar Monate mehr als 900 neue Lehrerstellen aus. Doch es gibt nicht genügend Nachwuchs. Für mehr als 320 dieser Stellen liegt laut Ministerium in der aktuellen Ausschreibung noch nicht einmal eine Bewerbung vor.
Eva Feußner, CDU, ist die Bildungsministerin von Sachsen-Anhalt. Sie verteidigt die Politik ihrer Partei: Sachsen-Anhalt sei nicht das einzige Bundesland, dass in der Vergangenheit an der Lehrerausbildung gespart habe. „Und wenn Sie in andere Länder schauen, da waren andere Regierungen, die haben das auch versäumt. Das ist in Gänze nicht gut eruiert worden.“
Der Arbeitsmarktforscher Per Kropp: „Das war eine Politik der knappen Kassen. Und eben der Druck in der öffentlichen Verwaltung, Stellen abzubauen. Das hat letztendlich gegenüber einer langfristigen Planung den Ausschlag gegeben. Das einzige, was man sonst hätte machen können, wäre, deutlich bevor es den Lehrermangel gab, schon über dem Bedarf einzustellen, und die Fachkräfte quasi zu binden, das trifft ja auch für viele andere Fachbereiche zu, aber das kostet ja einfach Geld.“
Mittlerweile ist die Not so groß, dass das Bildungsministerium in Magdeburg mit Headhunter-Agenturen neue Lehrer suchen lässt. Benötigten angehende Lehrerinnen und Lehrer noch vor zehn Jahren ein Einser-Staatsexamen, um an Schulen in Sachsen-Anhalt zu unterrichten, braucht es dort inzwischen nur noch einen akademischen Abschluss und einen zusätzlichen Didaktik-Kurs.
Der Arbeitsmarktforscher Per Kropp: „Das war eine Politik der knappen Kassen. Und eben der Druck in der öffentlichen Verwaltung, Stellen abzubauen. Das hat letztendlich gegenüber einer langfristigen Planung den Ausschlag gegeben. Das einzige, was man sonst hätte machen können, wäre, deutlich bevor es den Lehrermangel gab, schon über dem Bedarf einzustellen, und die Fachkräfte quasi zu binden, das trifft ja auch für viele andere Fachbereiche zu, aber das kostet ja einfach Geld.“
Mittlerweile ist die Not so groß, dass das Bildungsministerium in Magdeburg mit Headhunter-Agenturen neue Lehrer suchen lässt. Benötigten angehende Lehrerinnen und Lehrer noch vor zehn Jahren ein Einser-Staatsexamen, um an Schulen in Sachsen-Anhalt zu unterrichten, braucht es dort inzwischen nur noch einen akademischen Abschluss und einen zusätzlichen Didaktik-Kurs.
Bitte an die Babyboomer: Ruhestand verschieben
Weitere Maßnahmen gegen den Lehrermangel sehen so aus: in einem Modellprojekt soll die Unterrichtszeit an ausgewählten Schulen in Sachsen-Anhalt um fünf Minuten gekürzt werden, um mehr Kinder unterrichten zu können. Und: Bildungsministerin Feußner hat an die Generation der Babyboomer appelliert, an die, die bereits in Rente gegangen sind oder es demnächst tun wollen, zu bleiben.
„Wir haben auch einige Lehrkräfte, die vorzeitig den Schuldienst verlassen. Das ist für uns hochproblematisch. Aber auch die, die mit regulärem Rentenalter in Rente gehen, sind wir bestrebt noch länger zu halten. Die haben wir vor Weihnachten alle angeschrieben, und auch nochmal drum gebeten - und wenn es auch nur ein paar Stunden sind - um uns über dieses Tal des Lehrermangels hinwegzuhelfen.“
„Wir haben auch einige Lehrkräfte, die vorzeitig den Schuldienst verlassen. Das ist für uns hochproblematisch. Aber auch die, die mit regulärem Rentenalter in Rente gehen, sind wir bestrebt noch länger zu halten. Die haben wir vor Weihnachten alle angeschrieben, und auch nochmal drum gebeten - und wenn es auch nur ein paar Stunden sind - um uns über dieses Tal des Lehrermangels hinwegzuhelfen.“
Rund 50 Lehrer sind dieser Bitte in Sachsen-Anhalt bislang gefolgt und haben ihren Ruhestand nach hinten verschoben. Es sind Notlösungen, die im Bildungssystem den Mangel kaschieren sollen.
Wernigerode setzt auf Projekt mit Vietnam
Inwieweit Zuwanderung eine Lösung sein kann, dem Fachkräfte-Engpass zu begegnen, das lässt sich derzeit gut in Wernigerode beobachten. In einem Kongress- und Tagungshotel im Harz mit 540 Betten. „Mein Name ist Kim, ich komme aus Vietnam. Jetzt arbeite ich im HKK Hotel als Restaurantfachfrau in Wernigerode.“
Azubi Kim Hoang Nguyen arbeitet seit 8 Monaten in Wernigerode. Die 27-Jährige ist über das Wirtschafts- und Sozialpartnerprojekt „Hoi An“ hierhergekommen. Hoi An, so heißt die vietnamesische Partnerstadt von Wernigerode. Das Prinzip: schon in Vietnam lernen die jungen Leute deutsch, werden von einem Bildungsträger betreut, im Harz machen die 24 vietnamesischen Azubis derzeit ihre Ausbildung im Hotel- und Gastronomiebereich, aber auch in der Pflege. Nach der dreijährigen Ausbildung zur Restaurantfachfrau in Wernigerode steht für Kim Hoang Nguyen fest: „Ja, ich möchte hierbleiben“.
Azubi Kim Hoang Nguyen arbeitet seit 8 Monaten in Wernigerode. Die 27-Jährige ist über das Wirtschafts- und Sozialpartnerprojekt „Hoi An“ hierhergekommen. Hoi An, so heißt die vietnamesische Partnerstadt von Wernigerode. Das Prinzip: schon in Vietnam lernen die jungen Leute deutsch, werden von einem Bildungsträger betreut, im Harz machen die 24 vietnamesischen Azubis derzeit ihre Ausbildung im Hotel- und Gastronomiebereich, aber auch in der Pflege. Nach der dreijährigen Ausbildung zur Restaurantfachfrau in Wernigerode steht für Kim Hoang Nguyen fest: „Ja, ich möchte hierbleiben“.
Das möchte auch ihr Chef, Hoteldirektor Björn Rosenberg. Er hat gleich fünf Azubis aus Vietnam eingestellt. Gerade in der Hotellerie hat sich der Fachkräftemangel seit Corona nochmal verschärft. Das Projekt „Hoi An“ sei daher ein Glücksfall, so Hotel-Direktor Rosenberg: „Also, ich würde gerne alle übernehmen. Weil momentan ist das wirklich ein sehr gutes Zusammenarbeiten. Und vom Gefühl her, was mir so erzählt wird, würden sie auch gerne bei uns bleiben. Von daher ist das eine Win-Win-Situation, und wir würden Sie natürlich gerne als Facharbeiter in Deutschland auf ihrer Reise weiter begleiten und unterstützen. Und deswegen kann ich nur dafür plädieren, dass dieses Projekt weiter fortgetragen wird.“
Ostdeutsche Bundesländer profitieren von EU-Fördermitteln
Doch das Projekt „Hoi An“, zu 90 Prozent vom Land Sachsen-Anhalt gefördert, wird nicht weiterbestehen. Ende Juni ist Schluss. Dabei hatte Projektleiterin Katja Feldmer gehofft, dass es eine Anschlussförderung gibt. Sie hat der Landesregierung sogar einen Brief geschrieben. Half alles nichts.
„Uns wurde dann im Januar mitgeteilt, dass das nicht mehr der Fall ist. Dass die Prioritäten zumindest seitens des Wirtschaftsministeriums, aber auch des Arbeits- und Sozialministeriums auf anderen Arbeitsschwerpunkten liegen. Und damit waren wir natürlich erstmal enttäuscht. Zumal wir wissen, dass 25 Leute in Vietnam warten, die haben sich also schon beim Volkskomitee vorgestellt und wollen gerne nach Deutschland kommen, die wir aber jetzt leider über das Projekt nicht mehr fördern können.“
Der Deutschlandfunk hat beim Arbeitsministerium von Sachsen-Anhalt nachgefragt und bekam folgendes zur Antwort: das Modell der Anwerbung sei erfolgreich erprobt worden, könne aber nicht weiterfinanziert werden, weil die EU-Fördermittelperiode vorbei sei. Der Hintergrund: Das Projekt „Hoi An“ wird zwar über das Land Sachsen-Anhalt finanziert, aber das Geld kommt überwiegend aus dem Europäischen Sozialfond. Die ostdeutschen Bundesländer profitieren am meisten von diesen EU-Geldern.
„Uns wurde dann im Januar mitgeteilt, dass das nicht mehr der Fall ist. Dass die Prioritäten zumindest seitens des Wirtschaftsministeriums, aber auch des Arbeits- und Sozialministeriums auf anderen Arbeitsschwerpunkten liegen. Und damit waren wir natürlich erstmal enttäuscht. Zumal wir wissen, dass 25 Leute in Vietnam warten, die haben sich also schon beim Volkskomitee vorgestellt und wollen gerne nach Deutschland kommen, die wir aber jetzt leider über das Projekt nicht mehr fördern können.“
Der Deutschlandfunk hat beim Arbeitsministerium von Sachsen-Anhalt nachgefragt und bekam folgendes zur Antwort: das Modell der Anwerbung sei erfolgreich erprobt worden, könne aber nicht weiterfinanziert werden, weil die EU-Fördermittelperiode vorbei sei. Der Hintergrund: Das Projekt „Hoi An“ wird zwar über das Land Sachsen-Anhalt finanziert, aber das Geld kommt überwiegend aus dem Europäischen Sozialfond. Die ostdeutschen Bundesländer profitieren am meisten von diesen EU-Geldern.
Unternehmen müssen präsent sein - auch durch Marketing
Für Katy Löwe, Chefin einer Marketing-Agentur in Halberstadt, steht fest: „Bei vielen Förderprojekten ist meines Erachtens zu wenig Bedarfsorientiertheit Grundlage der Projekte. Sondern es ist eher häufig so, dass man überlegt, ja, wir haben jetzt einen Fachkräftemangel, schreiben wir mal Konzepte aus, und dann werden Konzepte geschrieben, aber die kommen nie so richtig in die Umsetzung. Anstatt zu schauen, es gibt da ein Projekt, das ist angelaufen und das fördern wir weiter, weil das macht Sinn, das hat Erfolg gezeigt, und wir fördern die Umsetzung und nicht nur die Konzept- und die Anlaufphase.“
Katy Löwe hat vor vier Jahren selbst ein Fachkräfte-Projekt gestartet, dabei bewusst darauf verzichtet, sich um öffentliche Fördermittel zu bewerben. Dafür beteiligen sich 20 Harzer Unternehmen finanziell an der Kampagne. „Heimvorteil Harz“ richtet sich an Pendler, Rückkehrer, an Schülerinnen und Schüler. „In den Schulen denke ich, haben wir inzwischen einen sehr guten Bekanntheitsgrad. Das hat etwa zwei Jahre gedauert, bis alle mit uns in Berührung gekommen sind. Aber in der breiten Masse ist es immer noch nicht komplett durchgedrungen. Da sind wir immer noch dabei. Und wir sind eben im vierten Jahr.“
Jobmessen organisieren oder auf Pendlerparkplätzen „Coffee to stay“ verteilen: Katy Löwes Aufgabe besteht darin, Unternehmen in der Region bekannter zu machen und auf potenzielle Auszubildende zuzugehen. Genau daran hapere es speziell bei kleineren ostdeutschen Betrieben, die sich jahrelang keine Gedanken um Nachwuchs machen mussten. Der müsse jedoch heute direkt angesprochen werden:
„Ich muss denen die Möglichkeit bieten, mal sich auszuprobieren in einem Praktikum zum Beispiel. Ich muss draußen als Unternehmen präsent sein. Und sagen: hier bin ich. Seht mich doch mal! Weil draußen natürlich viele andere Unternehmen sehr präsent sind und sich auch dementsprechend in den Vordergrund spielen. Das heißt, es ist für kleinere Betriebe wirklich schwer, dort mitzuhalten, weil sie durch den Personalmangel das Problem haben, gar nicht die Kraft zu haben, sich permanent ums Marketing zu kümmern.“
Katy Löwe hat vor vier Jahren selbst ein Fachkräfte-Projekt gestartet, dabei bewusst darauf verzichtet, sich um öffentliche Fördermittel zu bewerben. Dafür beteiligen sich 20 Harzer Unternehmen finanziell an der Kampagne. „Heimvorteil Harz“ richtet sich an Pendler, Rückkehrer, an Schülerinnen und Schüler. „In den Schulen denke ich, haben wir inzwischen einen sehr guten Bekanntheitsgrad. Das hat etwa zwei Jahre gedauert, bis alle mit uns in Berührung gekommen sind. Aber in der breiten Masse ist es immer noch nicht komplett durchgedrungen. Da sind wir immer noch dabei. Und wir sind eben im vierten Jahr.“
Jobmessen organisieren oder auf Pendlerparkplätzen „Coffee to stay“ verteilen: Katy Löwes Aufgabe besteht darin, Unternehmen in der Region bekannter zu machen und auf potenzielle Auszubildende zuzugehen. Genau daran hapere es speziell bei kleineren ostdeutschen Betrieben, die sich jahrelang keine Gedanken um Nachwuchs machen mussten. Der müsse jedoch heute direkt angesprochen werden:
„Ich muss denen die Möglichkeit bieten, mal sich auszuprobieren in einem Praktikum zum Beispiel. Ich muss draußen als Unternehmen präsent sein. Und sagen: hier bin ich. Seht mich doch mal! Weil draußen natürlich viele andere Unternehmen sehr präsent sind und sich auch dementsprechend in den Vordergrund spielen. Das heißt, es ist für kleinere Betriebe wirklich schwer, dort mitzuhalten, weil sie durch den Personalmangel das Problem haben, gar nicht die Kraft zu haben, sich permanent ums Marketing zu kümmern.“
Sachsen-Anhalt schrumpft stärker als alle anderen Bundesländer
So wie bei Fred Sommer in Genthin. Der Schneidwerkzeugmechaniker hatte die letzten Jahre so volle Auftragsbücher, dass er keine Zeit für Rekrutierungs-Offensiven fand. Grundsätzlich habe der Fachkräftemangel aber auch positive Effekte, sagt Arbeitsmarktforscher Per Kropp, zumindest für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
„Jetzt ändert sich der Arbeitsmarkt. Das ist durchaus auch ein Vorteil des demografischen Wandels, dass es auch ein arbeitnehmerfreundlicherer Arbeitsmarkt wird, der einige von den schlimmsten Diskrepanzen, die hier nach der Wende entstanden sind, auch wieder ausbügelt. Aber das Umdenken auch in der Verwaltung und Unternehmen, dass man halt mehr bieten muss als befristete Jobs und schlecht bezahlte Jobs, das ist etwas, was nicht von heute auf morgen passiert.“
Katy Löwe, die in Halberstadt das Projekt „Heimvorteil Harz“ leitet, sieht bereits Fortschritte in ihrer Region. Schlecht bezahlt seien die Jobs im Harz inzwischen nicht mehr. Der Arbeitsmarkt habe sich verbessert.
Insgesamt lässt sich für Sachsen-Anhalt heute sagen: zumindest die Abwanderung ist gestoppt. Seit 2019 ziehen mehr Menschen aus anderen Bundesländern nach Sachsen-Anhalt, als dass Menschen umgekehrt abwandern. Dennoch schrumpft Sachsen-Anhalt stärker als jedes andere Bundesland.
„Jetzt ändert sich der Arbeitsmarkt. Das ist durchaus auch ein Vorteil des demografischen Wandels, dass es auch ein arbeitnehmerfreundlicherer Arbeitsmarkt wird, der einige von den schlimmsten Diskrepanzen, die hier nach der Wende entstanden sind, auch wieder ausbügelt. Aber das Umdenken auch in der Verwaltung und Unternehmen, dass man halt mehr bieten muss als befristete Jobs und schlecht bezahlte Jobs, das ist etwas, was nicht von heute auf morgen passiert.“
Katy Löwe, die in Halberstadt das Projekt „Heimvorteil Harz“ leitet, sieht bereits Fortschritte in ihrer Region. Schlecht bezahlt seien die Jobs im Harz inzwischen nicht mehr. Der Arbeitsmarkt habe sich verbessert.
Insgesamt lässt sich für Sachsen-Anhalt heute sagen: zumindest die Abwanderung ist gestoppt. Seit 2019 ziehen mehr Menschen aus anderen Bundesländern nach Sachsen-Anhalt, als dass Menschen umgekehrt abwandern. Dennoch schrumpft Sachsen-Anhalt stärker als jedes andere Bundesland.
Zur Erinnerung: Nach besagtem Babyboom und Honecker-Buckel, der Abwanderung in den 90ern und dem einsetzenden Geburtenrückgang ist fast eine ganze Generation im Osten weggebrochen. In Sachsen-Anhalt soll es infolge dessen bis 2035 zu einem Rückgang der Bevölkerung um 12 Prozent kommen, so das Statistische Bundesamt. Aufrechterhaltung der Infrastruktur ist große Herausforderung.
Und das hat Konsequenzen. Denn: Mit dem Rückgang wird es für Kommunen und Land immer schwerer die öffentliche Infrastruktur aufrechtzuerhalten, vor allem in einem ländlichen und so dünn besiedelten Bundesland wie Sachsen-Anhalt. Für Arbeitsmarktforscher Per Kropp stellt die Infrastruktur eine große Herausforderung dar, größer noch als die Belastung des Rentensystems durch die Generation der sogenannten „Babyboomer“.
„In so einer Region die Infrastruktur selbst, die Krankenhausdichte, die Schuldichte und so weiter und so fort aufrechtzuerhalten, das ist natürlich ein Problem. Und wenn man sagt, das gehört zum Wohlstand einer Region dazu, dann sehe ich das schon gefährdet, im Gegensatz zu den individuellen Einkommen beispielsweise.“
„In so einer Region die Infrastruktur selbst, die Krankenhausdichte, die Schuldichte und so weiter und so fort aufrechtzuerhalten, das ist natürlich ein Problem. Und wenn man sagt, das gehört zum Wohlstand einer Region dazu, dann sehe ich das schon gefährdet, im Gegensatz zu den individuellen Einkommen beispielsweise.“
Beispiel Genthin, etwa 14.000 Einwohner. Vor fünf Jahren wurde das örtliche Krankenhaus geschlossen, auch das kulturelle Angebot sei nicht mehr wie früher. Dabei hätte Genthin das Potenzial, Anschluss an den Berliner Speckgürtel zu bekommen, sagt Schneidwerkzeugmechaniker Fred Sommer. „Es sind Familien, die gerne raus wollen aus den Großstädten in unsere Richtung. Möchten auch noch bisschen Kultur haben. Und das fehlt in Genthin im Moment ganz. Wir haben leider auch unser Kulturhaus im Moment verloren wegen Brandschutzauflagen, die bisher nicht erfüllt wurden. Und für die es auch kein Konzept gibt.“
Der langsame Abbau der Infrastruktur wirke eher abschreckend auf potenzielle Neu-Genthiner. Damit werde auch die Suche nach Fachkräften nicht leichter - und auch nicht die nach einem eigenen Nachfolger. Von der Handwerkskammer Magdeburg hat der 59-Jährige sein Firmenportfolio bewerten lassen, will sich helfen lassen. Jetzt muss nur noch ein passender Kandidat her.
„Und für mich ist wichtig, dass die Mitarbeiter, die ich hier hab, auch eine Zukunft haben. Wenn ich keinen finde, dann muss ich irgendwann mal leider einen Weg gehen, dass ich die Firma schließen werde. Weil irgendwo möchte man ja seinen Lebensabend verbringen mit dem, was man sich erarbeitet hat.“
Der langsame Abbau der Infrastruktur wirke eher abschreckend auf potenzielle Neu-Genthiner. Damit werde auch die Suche nach Fachkräften nicht leichter - und auch nicht die nach einem eigenen Nachfolger. Von der Handwerkskammer Magdeburg hat der 59-Jährige sein Firmenportfolio bewerten lassen, will sich helfen lassen. Jetzt muss nur noch ein passender Kandidat her.
„Und für mich ist wichtig, dass die Mitarbeiter, die ich hier hab, auch eine Zukunft haben. Wenn ich keinen finde, dann muss ich irgendwann mal leider einen Weg gehen, dass ich die Firma schließen werde. Weil irgendwo möchte man ja seinen Lebensabend verbringen mit dem, was man sich erarbeitet hat.“