"Herzlich Willkommen, hier haben wir die Übersicht mit den Unternehmen, die heute hier vertreten sind und hier vorne rechts ist die Garderobe...."
Es herrscht reger Andrang an diesem Morgen in Rößlers Ballsaal in Neugersdorf, unmittelbar an der deutsch-tschechischen Grenze. Ein Mann, Anfang 40, der seit 18 Jahren in Nordrhein-Westfalen lebt und arbeitet hält den Übersichtszettel vom Eingang in der Hand und schaut sich um. Gemischte Erwartungen:
"Ja, warum bin ich hier? Um mich zu informieren, wie es aussieht und was für Möglichkeiten es gibt. Ob’s wirklich so lukrativ ist, wie es immer so klingt in Film und Fernsehen. Die suchen krampfhaft Fachkräfte und schauen wir mal, ob es wirklich so ist, ne?"
Mehr als 30 Unternehmen aus dem Umfeld präsentieren sich im Ballsaal unter leuchtenden Herrnhuter Sternen zum 2. Rückkehrertag in der Region Zittau. Darunter auch Bauunternehmen, Maschinenbauer und Elektrotechnikfirmen. Sie alle konkurrieren hier um rückkehrinteressierte Heimatbesucher, die über die Feiertage bei Ihrer Familie in der Lausitz sind.
Unternehmen locken teilweise mit neuen Arbeitszeitmodellen
"Na, wir bieten Ausbildungsplätze an und sind aber hauptsächlich auf der Suche nach Bauleitern, also Bauingenieuren für die Bauleitung und für alles andere sind wir offen. Wir suchen gute Leute."
"Wir hätten Kapazität für ungefähr 20 Leute könnten wir jederzeit aufnehmen, da wir derzeit sehr viel Leasing-Leute haben. Monteure für Stark- und Schwachstrom-Kommunikationstechnik."
In ihrer Not greifen die Unternehmen zu neuen Arbeitszeit- und Produktionsmodellen, um die Jobs attraktiver zu gestalten:
"Dass wir eine Vier-Tage-Woche einführen, dass sie drei Tage für die Familie da sind. Das heißt, wir arbeiten vier Tage und 39 Stunden. Wir versuchen mal diesen Weg zu gehen. Das ist neu, der Freizeitsektor ist für diese Leute jetzt wesentlich mehr wert als die Arbeit."
Dutzende von bunt bedruckten Roll-Ups neben weiß behussten Stehtischen voller Prospekte und kleiner Werbegeschenke füllen die Ballsaalfläche vor einer kleinen Bühne. Die Besucher flanieren von einem Tisch zum anderen, überall bilden sich kleinere Grüppchen zum Gespräch. Mittendrin ein dunkelhaariger Mann, geschätzt Mitte 30, aus Berlin:
"Ja, ich interessiere mich für einen Job hier in der Region und wohne aktuell in Berlin und würde gerne hierher ziehen mit meiner Familie und deswegen schaue ich mich halt um."
"Was zieht Sie hierher, aus der Hauptstadt?"
"Ich habe hier geheiratet, finde die Landschaft unglaublich schön und die Leute sehr nett, und ja, ich sehe hier meine Zukunft."
Ein junges Pärchen mit einem Kleinkind auf dem Arm schlendert mit suchendem Blick über die Tanzfläche, bleibt hier und da an einem Tisch stehen. Sie wollen sich informieren, sagen sie. Seit sechs Jahren leben und arbeiten sie am anderen Ende Deutschlands in Freiburg im Breisgau. Mit dem Nachwuchs habe sich der Fokus auf das Leben geändert, sagt der junge Vater, der Physiotherapeut ist. Was würde diese Ex-Lausitzer zurück in die Heimat bringen?
Löhne und Gehälter immer noch deutlich unter West-Niveau
"Mmh, dass wir beide einen Job finden, der uns Spaß macht und gewisse Entwicklungsmöglichkeiten auch bietet und man muss auch sagen, dass der Wohnungsmarkt und Häusermarkt hier ein bisschen günstiger ist als in Freiburg, und um uns etwas Kleines aufzubauen, wäre das schon eine Option."
Eine gewichtige Rolle spielt dabei jedoch auch die Entlohnung. Obwohl die Löhne und Gehälter auch hier in der Region inzwischen fast überall deutlich angezogen haben, liegt das Niveau vielfach immer noch deutlich unter dem, was im Westen verdient wird.
"Also ehrenamtlich wollten wir nicht arbeiten, deshalb spielt das schon eine gewisse Rolle."
Unter den Gästen ist auch der Zittauer Oberbürgermeister. Thomas Zenker ist Anfang 40 und seit 2015 im Amt. Angetreten war er für die Wählergemeinschaft "Zittau kann mehr", und Zenker will Zittau voranbringen. Nach der Wende hatte die traditionsreiche Tuchhändler-Stadt im Dreiländereck von Deutschland, Tschechien und Polen Tausende Industriearbeitsplätze und Menschen verloren. Bis heute wirkt das negativ nach. Es sei daher gut, dass der Rückkehrertag so gut angenommen werde, freut sich Stadtoberhaupt Zenker:
"Naja, erst mal ist es wichtig, dass die Region sich ab und zu auch mal selbst vergewissert, was hier eigentlich noch geht. Und es gibt gerade einen großen Generationsumbruch in den Firmen, wie in den Verwaltungen. Das heißt, es sind wirklich viele gute Stellen auch zu vergeben und manchmal hat man den Eindruck, dass es wichtig ist, den Leuten auch selbst zu zeigen, was es hier alles gibt, was sie vielleicht möglicherweise schon vergessen haben."
Rund 3.000 Unternehmen in der Region rund um Görlitz und Zittau suchen aktuell nach Mitarbeitern und Auszubildenden. Ein Drittel von ihnen braucht in Kürze einen Nachfolger für die Unternehmensleitung. Das sind Zahlen, die auch für den sächsischen Ministerpräsidenten von großem Interesse sind, da der Wohlstand des Landes auch davon abhängt, dass sich der Mittelstand weiter gut entwickelt. Unauffällig hat Michael Kretschmer sich an diesem Tag unter die Messegäste gemischt und mit vielen das Gespräch gesucht. Für ihn wäre die Entscheidung klar, sagt der CDU-Politiker und gebürtige Görlitzer Kretschmer:
"Ich würde sofort zurückkommen. Hier ist es die eigene Familie, hier ist unsere Heimat, und hier kann man sich das alles leisten! Das Grundstück, das Gebäude, hier ist Ruhe, hier ist Platz, ein idealer Ort auch für Familie und für Kinder."