"Die sozialen Strukturen des Sports bergen Risiken für Machtmissbrauch, psychische, körperliche und sexualisierte Gewalt", so Bettina Rulofs, Professorin von der Universität Wuppertal und führende Wissenschaftlerin in Deutschland zum Thema.
Zuletzt hatten sich immer häufiger vor allem Athletinnen an die Medien gewandt, um ihre Geschichte öffentlich zu machen. Im November die Turnerinnen Pauline und Helene Schäfer. Beide hatten von Machtmissbrauch und psychischer Gewalt durch ihre Trainerin am Olympiastützpunkt Chemnitz berichtet. Und damit eine breite Diskussion angestoßen.
Tägliche Aufforderungen an den DTB
"Momentan erhalten wir im DTB Präsidium, in der Geschäftsführung fast täglich sich massiv widersprechende Anforderungen und Aufforderungen, wie wir uns zu verhalten hätten, zu positionieren haben oder agieren sollen", so Michaela Röhrbein, Generalsekretärin des Deutschen Turnerbundes. In ihrem Vortrag mit dem Titel "Für eine gewaltfreie Kultur im Spitzen-Turnen", ging die Sportwissenschaftlerin unter anderem auf die Untersuchung ein, die ihr Verband aus Anlass der Vorwürfe bei einer Frankfurter Kanzlei in Auftrag gegeben hatte.
Diese Untersuchung liegt der Öffentlichkeit lediglich in einer Zusammenfassung vor. Darin kommt die Kanzlei unter anderem zu der Auffassung, dass "in 17 Fällen tatsächliche Anhaltspunkte für die Anwendung psychischer Gewalt durch die Trainerin vorliegen."
"Ästhetische Sportarten" besonders gefährdet
Die DTB-Generalsekretärin gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dass Chemnitz eine Ausnahme darstellen könnte, zitierte andererseits aus einer noch unveröffentlichten Studie. Darin wurde das Risiko, psychische Gewalt zu erfahren in den ästhetischen Sportarten wie Turnen oder Eiskunstlaufen signifikant höher bewertet als in den meisten anderen Sportarten. Nun gehe es darum, jeden Stein umzudrehen.
"Solange einige von uns sich dem Glauben hingeben, Leistung kann nur durch Härte, Drill oder vielleicht auch nur durch Herabwürdigung und andere Formen der psychischen Gewalt erreicht werden, erreichen wir keine Veränderung.
Solange wir alle bei uns nicht selbst anfangen und hinterfragen, was wir zu dieser Kultur beitragen und wie wir selbst gewaltfreier handeln können, erreichen wir keine Veränderung."
In diesem Zusammenhang unterstütze der DTB den Vorschlag des Vereins Athleten Deutschland für ein unabhängiges Anlaufzentrum für Safe Sport.
Anlaufstelle für Betroffene aus dem Sport
Eine solche Anlaufstelle für Betroffene von Gewalt im Sport hatte auch die Sportsoziologin Bettina Rulofs im Oktober ins Gespräch gebracht, bei einer Anhörung der Aufarbeitungskommission der Bundesregierung zum Thema Sport.
Auch Rulofs ging beim sportethischen Fachtag auf das Thema Aufarbeitung ein und fragte: "Wo sind nun die Verbände im Sport, die sich systematisch an Betroffene wenden, um von ihrer Geschichte zu hören, von ihnen zu lernen und ihr Leid anzuerkennen?"
Erste Schritte dazu hat die deutsche Reiterliche Vereinigung unternommen die dabei ist, einen Betroffenenbeirat einzurichten und auch der Landessportbund NRW plant Ähnliches.
"Ich denke, wir brauchen mehr davon im Sport. Und ich wünsche allen Verbänden, dass sie diesen Weg ehrlich und verantwortungsvoll angehen."