"Aus der jetzigen Perspektive muss ich leider sagen, dass ich im Studium für den Lehrerberuf nicht wirklich gut qualifiziert worden bin."
Steffen Obeling ist seit fünf Jahren Lehrer für Französisch und Sozialwissenschaften an einem Kölner Gymnasium.
"Ich habe fachlich viele Dinge gelernt, ich habe auch ganz viele Dinge studiert, die mich interessiert haben, die aber in keiner Weise in Verbindung mit dem stehen, was ich heute mache. Was mir sehr zugute kommt, ist meine Studienzeit in Frankreich, einfach dadurch, dass ich Sprachpraxis dort erworben und verinnerlicht habe, aber auch von den Themen hat mein Studium in Frankreich doch einiges mehr dazu beigetragen, dass ich heute ohne viele Vorbereitungen meine Unterrichtsreihen planen und gestalten kann als mein Studium der Romanistik, wo ich zum Teil noch Altfranzösisch machen musste."
Trotz seiner Kritik an der Ausbildung ist Steffen Obeling ein Lehrer geworden, den seine Schüler schätzen und der mit seinem Beruf zufrieden ist.
"Ich habe viel Spaß in der Arbeit. Ich sehe natürlich auch, dass es gerade als Berufsanfänger sehr viel Stress bedeutet, viel Arbeit, die ich vorher nicht erwartet hätte, also, Stunden um Stunden sitze ich vor Korrekturen, das hat mit den Jugendlichen und den Kindern selber erst einmal gar nicht viel zu tun, sondern das ist wirklich ein Arbeiten, was sehr formalistisch ist, und einem zum Teil dann wirklich den Kopf ein bisschen kirre machen kann. Auf der anderen Seite gibt es dann doch immer wieder Momente, wo ich sehr froh bin, dass ich in der Schule arbeiten kann, weil einfach auch eine sehr große Möglichkeit besteht, sich die Rückmeldung auch durch die Schüler abzuholen."
Seit Jahren und Jahrzehnten steht die Lehrerbildung an den Universitäten in der Kritik. Die Ausbildung verläuft in zwei Phasen: Zunächst das Studium an der Hochschule, danach lernen angehende Lehrer als Referendare ihr Handwerk in der Schulpraxis. Diese Trennung von Theorie und Praxis ist ein zentraler Kritikpunkt.
Nach Vorlage der PISA–Test-Ergebnisse von 2006 untersuchte ein internationales Forscherteam im Auftrag der McKinsey Personalberatung, welche Faktoren den Erfolg einer Schule ausmachen. Das Ergebnis klingt trivial: Auf die Lehrer kommt es an! Keine Schule kann besser sein als ihre Lehrer. Und die Qualität der Lehrer hängt zunächst davon ab, wer Lehrer wird, und natürlich von der Qualität der Ausbildung und schließlich davon, ob und wie sich Lehrer weiterbilden.
"Es sind nicht nur falsche, die Lehrer werden, aber es sind so viele falsche, so würde ich es schon sagen. Etwa ein Drittel der Studierenden, die wir untersucht haben, waren für den Beruf entweder nicht sehr aufgeschlossen, interessiert oder ungeeignet."
Udo Rauin, Erziehungswissenschaftler an der Frankfurter Universität, hat Lehramtsstudierende an Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg über einen längeren Zeitraum befragt. Erst als Studierende, später als Lehrer.
"Ein großer Teil derjenigen, die wir am Anfang für problematisch gehalten haben, hat dann tatsächlich im Beruf später deutliche Symptome gezeigt, wie zum Beispiel Burn-Out."
Drei Persönlichkeitstypen hat Rauin in seiner Studie identifiziert: 38 Prozent, und damit die größte Gruppe, sind die "Engagierten", die mit hoher Motivation und viel Arbeitseinsatz ins Studium gehen und auch später im Beruf gut zurecht kommen, etwas kleiner ist die Gruppe der Pragmatiker, die ihre Berufswahl mit den vermeintlich angenehmen Arbeitsbedingungen begründet, aber dennoch gut in ihren Beruf hineinfindet. 27 Prozent gehören zu den "riskant Studierenden".
"In dieser Gruppe werden junge Menschen zusammengefasst, die sich selbst als nervös oder als introvertiert einschätzen, als wenig offen, kaum kreativ. Andere Studierende bezeichnen sich als nicht richtig einfühlsam oder nicht gewissenhaft. Diese "riskant Studierenden", die sich selbst so einschätzen, sind dafür prädestiniert, in ihrem Beruf zu scheitern."
Zwar kennen alle die Schule von innen, schließlich waren sie alle mal Schüler, doch viele Studenten haben kein Bild davon, dass Unterrichten Beziehungsarbeit ist, dass Kinder für Lehrer lernen, dass Lehrer mit Konflikten umgehen und Disziplinprobleme bewältigen müssen. Sich in seinem Fach gut auszukennen, ist nicht alles, vielleicht noch nicht einmal die Hauptsache, meint Ulrike Kegler, Leiterin der mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichneten Montessori-Oberschule in Potsdam.
"Jeder Lehrer hat ja ein Fach studiert, das ist auch okay so. Aber parallel dazu müsste vom ersten Tag des Lehrerstudiums an Pädagogik im Zentrum stehen. Kommunikation, Curriculum-Entwicklung, Didaktik, Methodik. Und nicht nur, indem man drüber redet, sondern indem man es ausprobiert! Und was ganz entscheidend ist, und das ist, meine ich, das größte Manko in der Lehrerbildung, dass die Persönlichkeit der Lehrer nicht in den Blick genommen wird. Da kommen Lehrer in die Schule, die nicht sprechen gelernt haben! Da kommen Lehrer in die Schule, die nicht an ihrer persönlichen Haltung gearbeitet haben! Die Hängeschultern haben und den Kopf hängen lassen, das sind Dinge, die, finde ich, müssten in den Mittelpunkt rücken."
Wenn angehende Lehrer erst im Referendariat merken, dass sie für den Lehrerberuf ungeeignet sind, dann ist es zu spät, erklärt Ulrike Kegler. In Nordrhein-Westfalen wird nun ein Erprobungspraktikum eingeführt. Wer Lehrer werden will, soll vor dem Studium für ein paar Wochen unter Anleitung den Schulalltag aus der neuen Perspektive des Lehrers kennen lernen. Doch auch das reicht nicht, meint der Generalsekretär der Kultusministerkonferenz, Professor Erich Thies, er war früher selbst in der Lehrerbildung tätig:
"Sie wissen, dass die Universitäten weitgehend das Recht haben, ihre Studierenden selber auszusuchen. Sie müssten bei Lehramtsstudierenden genau hingucken, ob diese Personen geeignet sind, vor Klassen zu stehen. Und nicht jeder, der Altphilologie studiert, ist dann auch ein guter Lehrer. Ich denke, dass man das ganze Feld sträflich vernachlässigt hat."
Keine Hochschule nutzt diese Möglichkeit, die Eignung zum Lehrer bei den Studierwilligen zu überprüfen. Und so wird ein mancher Lehrer, für den diese Berufswahl nur eine Verlegenheitslösung war.
Bisher waren Studiengänge an den Wissenschaftsdisziplinen ausgerichtet, beispielsweise Geschichte oder Sprachwissenschaften, Mathematik oder Biologie. Mit der Umstellung auf Bachelor und Master soll die berufliche Verwertbarkeit im Vordergrund stehen. Manche Studiengänge waren schon früher an bestimmten Berufen ausgerichtet, wie etwa bei den Juristen an der Tätigkeit als Richter, Anwalt oder Beamter.
Angehende Lehrer dagegen studieren ihre jeweiligen Fächer als Wissenschaft: Deutschlehrer bei den Germanisten, Biologielehrer bei den Biologen, Mathematiklehrer bei den Mathematikern. Die am Gegenstand ihrer Wissenschaft orientierten Professoren vermitteln ihnen, dass die wahre Erfüllung in der Wissenschaft zu finden sei, und nicht darin, pubertierenden Schülern den Dreisatz beizubringen.
Steffen Obeling, der Kölner Gymnasiallehrer:
"Dann habe ich noch das Fach Sozialwissenschaften, was es an der Uni als solches erst einmal gar nicht gibt. Ich habe zum Beispiel die Volkswirtschaftsvorlesung mit den Volkswirten und Betriebswirten zusammen belegt, und am Ende gab es dann noch eine Abschlussprüfung, die durch das staatliche Prüfungsamt organisiert wurde, bei der ich zum Teil den Professoren vorher sagen musste, wie das abläuft, über welche Themen sie mich prüfen können und denen mehr oder weniger einen Fingerzeig geben musste, wie das eigentlich abläuft, wenn man Lehrer ausbildet und prüft."
Für die Professoren sind Lehramtsstudenten meistens uninteressant, in ihren Augen haben sie keine wissenschaftlichen Ambitionen. Wichtig sind sie nur in einem Punkt: Sie zählen bei der Berechnung der Kapazitäten mit, und ein Studienfach mit vielen Studenten bekommt mehr Mittel für die Lehre. Der Zürcher Erziehungswissenschaftler Jürgen Oelkers:
"Richtig ist, dass in weiten Teilen der deutschen Universität es immer noch so ist, dass die Lehrerbildung nicht eine beliebte Größe ist. Die Lehrerbildung braucht einen bestimmten Ort, die Studierenden müssen sagen, ich bin an der Hochschule so und so für das Lehramt ausgebildet worden. Fragen Sie mal Studierende in Münster oder in Köln, ob sie diesen Eindruck haben: Sie machen Module an ganz unterschiedlichen Stellen und das wird dann irgendwie formal verrechnet. Eine Identität: "Ich bin ein Lehramtsstudent" ist wahrscheinlich eher schwach entwickelt."
Diese Misere hat ein lange Geschichte: Die Gymnasiallehrer wurden immer schon an den Universitäten ausgebildet. Bis in die 60er-, 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts verstanden sie sich eher als Gelehrte denn als Lehrer. Die Volksschullehrer hingegen wurden an pädagogischen Akademien ausgebildet. In der Bundesrepublik wurden die Akademien zu pädagogischen Hochschulen aufgewertet, gleichwohl blieben die dort ausgebildeten Lehrer im "gehobenen Dienst", also einige Besoldungsstufen unter den Gymnasiallehrern.
Da galt es als Fortschritt, dass seit den 70er-Jahren auch Grund- und Hauptschullehrer an Universitäten ausgebildet wurden. Aber genau das war der Sündenfall in der Lehrerbildung, meint Erich Thies:
"Integration hat zur Folge gehabt, dass die Akteure in der Lehrerbildung dann eben universitären Karrieremustern gefolgt sind und ihr eigenes Feld, nämlich die Lehrerbildung, weitgehend hintangestellt haben."
Nur in Baden-Württemberg blieben die Pädagogischen Hochschulen erhalten, und damit der eigene Wert der Lehrerausbildung, meint Thies. Die Didaktik, also die Wissenschaft von der Lehre eines Fachs, wurde vernachlässigt. Lehrer lernten die Fachwissenschaft genauso wie die Diplombiologen oder die angehenden Germanisten.
Zu den Zeiten, als nur fünf Prozent eines Altersjahrgangs das Gymnasium besuchten, also bis in die 60er-Jahre, war die Gymnasiallehrerausbildung kein großes Problem: Um ihre handverlesene Schülerschaft aus Elternhäusern mit akademischem Hintergrund zu unterrichten, brauchten die Gymnasiallehrer kein großes didaktisches Geschick. In der Ausbildung hatten sie neben ihren zwei späteren Unterrichtsfächern lediglich ein paar Stunden pädagogisches Begleitstudium zu belegen.
Aber der schulische Alltag veränderte sich und mit ihm die Aufgaben der Lehrer. Das Gymnasium expandierte in den 70er-Jahren, die Schülerschaft wurde heterogener, doch an der Ausbildung der Lehrer änderte sich auch in den 80er-Jahren noch nichts, erinnert sich Gabriele Bellenberg, Pädagogik-Professorin in Bochum:
"In meinem Studium war es noch so, dass man aus einem großen Angebot von Veranstaltungen wählen konnte. Und es gab keine Verpflichtung, zum Beispiel in den Erziehungswissenschaften, das auf den Lehrerberuf zu beziehen. Das gibt es heute nicht mehr. Heute sind die Ausbildungscurricula streng normiert. Sie orientieren sich an den Standards der Lehrerausbildung, das heißt, es gibt keinen Lehramtsstudenten mehr, der in den Erziehungswissenschaften etwas macht, was keinen Schulbezug hat."
Es gab also zumindest teilweise Verbesserungen: Im Jahr 2004 erließ die Kultusministerkonferenz Standards, an denen sich das bildungswissenschaftliche Studium der künftigen Lehrer nun zu orientieren hat. In diesen Vorgaben wird berücksichtigt, dass die Lehrerarbeit vielfältig ist: Ein Lehrer, eine Lehrerin muss nicht nur unterrichten, sondern auch bewerten, beraten, planen und organisieren. Der Münsteraner Erziehungswissenschaftler Ewald Terhart:
"Bei der Erarbeitung der Standards für die Bildungswissenschaften in der Lehrerbildung sind diese Diskussionen geführt worden. Und natürlich ist Umgang mit Heterogenität ein Element der Kompetenz, die ein guter Lehrer braucht. Die Idee, dass das Gymnasium noch ein Hort der Seligen ist und insofern auch eine ganz homogene Schülerschaft hat, das ist eine Vorstellung, die trifft nicht mehr zu."
Dass die Lehrerausbildung ein eigenes, grundständiges Studium, also von Anfang an auf den Lehrberuf zugeschnitten sein muss, diese Erkenntnis hat sich zwar durchgesetzt, doch sie hat kaum praktische Folgen. Der Generalsekretär der Kultusministerkonferenz, Erich Thies, fordert, dass die Lehrerbildung endlich ihren eigenen Ort in der Hochschule haben muss:
"Und da gibt es inzwischen Modelle. Ich erinnere nur an die Technische Universität München, die eine School of Education aufgemacht hat, also eine Professional School, und seit vielen Jahren versuche ich die Lehrerbildung dahin zu drängen. Mit der Folge, dass die Studierenden wieder einen Ort hätten, zu dem sie auch gehören, und auch die Professoren sich auch mehr der Lehrerbildung verpflichtet fühlen als ihrer Fachdisziplin."
An der Technischen Universität München wurde vor zwei Jahren eine School of Education als eigene Fakultät gegründet. Wer dort Lehrer werden will, ist nicht mehr bei den Mathematikern oder Biologen eingeschrieben, sondern in dieser Lehrerbildungsfakultät, und er belegt dort seine Kurse und Seminare. Das Modell sei nicht übertragbar auf Hochschulen mit starken Geistes- und Gesellschaftswissenschaften, meint Ewald Terhart, Pädagogik-Professor in Münster:
"Wenn man dann an eine Fakultät für Lehrerbildung denkt, dann müssten eigentlich alle Fachleute aus den Unterrichtsfächern, von Geschichte bis Physik von Sport bis Kunst, wir müssten ja auch in eine solche Fakultät mit hinein. Und dann hat man schon gewissermaßen an manchen Standorten die halbe Universität in so einer Fakultät. Die Fächer werden sich bedanken angesichts einer solchen Anfrage."
Die Ruhr-Universität Bochum hat einen anderen Weg gefunden. Hier wurde eine School of Education gegründet, die keine eigene Fakultät ist und die Lehrstühle in ihren Fächern belässt. Sie organisiert lediglich das Lehramtsstudium. Und das beginnt nun nicht mit dem ersten, sondern erst mit dem siebten Semester. In der ersten Studienphase, bis zum Bachelor, lernen die Studenten die zwei Fachwissenschaften, die später ihre Unterrichtsfächer werden sollen. Sie absolvieren in der Zeit zwei Praktika, das ist im neuen Lehrerbildungsgesetz von Nordrhein-Westfalen so vorgeschrieben, das im Jahr 2009 in Kraft trat. Es gilt bundesweit als vorbildlich. Aber die bildungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Studien schließen sich dann erst in den vier Semestern Masterstudium an. Der Dekan der Bochumer School of Education, Peter Drewek:
"Dieser Bachelorstudiengang soll, nach den Bologna-Vorstellungen, berufsqualifizierend sein. Das mag umstritten sein, ob das geht, ob das in unterschiedlichen Fächern so ist, aber die Grundstruktur ist, dass man bereits nach einem sechssemestrigen Studiengang doch auch die Möglichkeit haben sollte mit dem Abschluss in den Beruf zu gehen. Aber es ist richtig, dass Fachwissen geht voraus, es folgen dann die Fachdidaktik und Bildungswissenschaften im Masterstudiengang. Das ist der Schwerpunkt, in Verbindung mit einem Praxissemester, was schon einmal sehr verdichtet vorwegnimmt, was dann später das Referendariat fortführt und verstärkt."
Sprich: Wozu der Bachelor-Abschluss die angehenden Lehrer qualifiziert, weiß eigentlich niemand. Jedenfalls kann man damit nicht ins Referendariat gehen. In der Reformdebatte wurde gefordert, dass das Lehrerstudium von Anfang an auf die Arbeit mit Schülern zugeschnitten sein sollte. Doch die Gliederung in Bachelor- und Master-Phase, wie in Bochum, trennt wieder das Studium der Fächer und die Lehrer-Ausbildung. Andere Hochschulen haben das Studium wiederum anders aufgebaut – mit der Folge, dass ein Wechsel von einem Studienort zum anderen immer schwieriger wird.
Und dieses Problem besteht bundesweit: Einige Bundesländer haben die Ausbildung umgestellt, andere nicht. Hier werden die Lehrer für Grund- und Hauptschulen zusammen ausgebildet, dort die für Haupt- und Realschulen. Das Ergebnis: Niemand kennt sich noch aus mit den unterschiedlichen Ausbildungsordnungen. Der Lehrerbildungsexperte Ewald Terhart:
"Das ist extrem unübersichtlich geworden. 1000 Wege zum Lehrerberuf. Es gibt, glaube ich, überhaupt keinen Experten in Deutschland, der von jedem Land zu jeder Zeit genau weiß, wie viele Varianten da existieren. Ob durch die Vielfalt die Lehrerbildung insgesamt besser wird, das wage ich zu bezweifeln."
Nach dem Studium geht es ins Referendariat – bisher dauert es zwei, künftig in vielen Ländern nur noch anderthalb Jahre. In Nordrhein-Westfalen wird es dafür schon ein Praxissemester während des Masterstudiums geben. - Das Praxissemester bringt den Hochschulen neue Probleme: Dazu müssen sie mit vielen Ausbildungsschulen kooperieren, und sie brauchen genau das Personal, das sie nicht haben: Nämlich Hochschullehrer, die sich mit der Schulpraxis auskennen. Für die Landesregierung hat das Modell aber seinen besonderen Charme: Sie muss den Referendaren Gehälter zahlen, Studenten im Praxissemester dagegen müssen selbst für ihren Unterhalt sorgen.
Ist die Lehrerausbildung nun in den letzten Jahren besser geworden? Der Erziehungswissenschaftler Ewald Terhart:
"Ich kann das nur vom Eindruck und von der Intuition her beantworten. Es gibt keine Vergleichsstudien, die die Qualität der Generationen in Relation bringen. Ja, ich glaube, dass die Lehramtsstudierenden im Bereich der Bildungswissenschaften heute konzentrierter oder stärker gerichtet auf ihren Beruf studiert haben als vor 30 Jahren. Damals war dieses bildungswissenschaftliche Studium ein Sammelkorb mit allem und jedem. Das ist heute nicht mehr so der Fall. Ob die so in den Bildungswissenschaften vielleicht etwas strukturierter Studierenden auch zukünftig bessere Lehrer sind, das ist die 100.000-Mark-Frage, das weiß man damit noch nicht."
Die Lehrerausbildung braucht eine frühzeitige Verzahnung von Praxis und wissenschaftlicher Ausbildung. An der Universität Köln wurde gerade ein Modellversuch mit 60 Studierenden gestartet, die parallel zum Studium jeweils einen Wochentag in der Schule verbringen und an einem weiteren Tag in dem neu eingerichteten Bildungskolleg ihre praktischen Erfahrungen aufarbeiten. Hier versucht man zu verwirklichen, was auch der Zürcher Lehrerbildungsexperte Jürgen Oelkers fordert:
"Das Lehrerstudium ist jetzt ein Fachstudium und muss zu einem Professionsstudium werden. Das heißt, die Ausbildung muss auf das ausgerichtet sein, was dann nachher auch als Ziel angestrebt wird, nämlich einen schwierigen und schwieriger werdenden Beruf, auf den man möglichst optimal vorbereitet werden muss."
Steffen Obeling ist seit fünf Jahren Lehrer für Französisch und Sozialwissenschaften an einem Kölner Gymnasium.
"Ich habe fachlich viele Dinge gelernt, ich habe auch ganz viele Dinge studiert, die mich interessiert haben, die aber in keiner Weise in Verbindung mit dem stehen, was ich heute mache. Was mir sehr zugute kommt, ist meine Studienzeit in Frankreich, einfach dadurch, dass ich Sprachpraxis dort erworben und verinnerlicht habe, aber auch von den Themen hat mein Studium in Frankreich doch einiges mehr dazu beigetragen, dass ich heute ohne viele Vorbereitungen meine Unterrichtsreihen planen und gestalten kann als mein Studium der Romanistik, wo ich zum Teil noch Altfranzösisch machen musste."
Trotz seiner Kritik an der Ausbildung ist Steffen Obeling ein Lehrer geworden, den seine Schüler schätzen und der mit seinem Beruf zufrieden ist.
"Ich habe viel Spaß in der Arbeit. Ich sehe natürlich auch, dass es gerade als Berufsanfänger sehr viel Stress bedeutet, viel Arbeit, die ich vorher nicht erwartet hätte, also, Stunden um Stunden sitze ich vor Korrekturen, das hat mit den Jugendlichen und den Kindern selber erst einmal gar nicht viel zu tun, sondern das ist wirklich ein Arbeiten, was sehr formalistisch ist, und einem zum Teil dann wirklich den Kopf ein bisschen kirre machen kann. Auf der anderen Seite gibt es dann doch immer wieder Momente, wo ich sehr froh bin, dass ich in der Schule arbeiten kann, weil einfach auch eine sehr große Möglichkeit besteht, sich die Rückmeldung auch durch die Schüler abzuholen."
Seit Jahren und Jahrzehnten steht die Lehrerbildung an den Universitäten in der Kritik. Die Ausbildung verläuft in zwei Phasen: Zunächst das Studium an der Hochschule, danach lernen angehende Lehrer als Referendare ihr Handwerk in der Schulpraxis. Diese Trennung von Theorie und Praxis ist ein zentraler Kritikpunkt.
Nach Vorlage der PISA–Test-Ergebnisse von 2006 untersuchte ein internationales Forscherteam im Auftrag der McKinsey Personalberatung, welche Faktoren den Erfolg einer Schule ausmachen. Das Ergebnis klingt trivial: Auf die Lehrer kommt es an! Keine Schule kann besser sein als ihre Lehrer. Und die Qualität der Lehrer hängt zunächst davon ab, wer Lehrer wird, und natürlich von der Qualität der Ausbildung und schließlich davon, ob und wie sich Lehrer weiterbilden.
"Es sind nicht nur falsche, die Lehrer werden, aber es sind so viele falsche, so würde ich es schon sagen. Etwa ein Drittel der Studierenden, die wir untersucht haben, waren für den Beruf entweder nicht sehr aufgeschlossen, interessiert oder ungeeignet."
Udo Rauin, Erziehungswissenschaftler an der Frankfurter Universität, hat Lehramtsstudierende an Pädagogischen Hochschulen in Baden-Württemberg über einen längeren Zeitraum befragt. Erst als Studierende, später als Lehrer.
"Ein großer Teil derjenigen, die wir am Anfang für problematisch gehalten haben, hat dann tatsächlich im Beruf später deutliche Symptome gezeigt, wie zum Beispiel Burn-Out."
Drei Persönlichkeitstypen hat Rauin in seiner Studie identifiziert: 38 Prozent, und damit die größte Gruppe, sind die "Engagierten", die mit hoher Motivation und viel Arbeitseinsatz ins Studium gehen und auch später im Beruf gut zurecht kommen, etwas kleiner ist die Gruppe der Pragmatiker, die ihre Berufswahl mit den vermeintlich angenehmen Arbeitsbedingungen begründet, aber dennoch gut in ihren Beruf hineinfindet. 27 Prozent gehören zu den "riskant Studierenden".
"In dieser Gruppe werden junge Menschen zusammengefasst, die sich selbst als nervös oder als introvertiert einschätzen, als wenig offen, kaum kreativ. Andere Studierende bezeichnen sich als nicht richtig einfühlsam oder nicht gewissenhaft. Diese "riskant Studierenden", die sich selbst so einschätzen, sind dafür prädestiniert, in ihrem Beruf zu scheitern."
Zwar kennen alle die Schule von innen, schließlich waren sie alle mal Schüler, doch viele Studenten haben kein Bild davon, dass Unterrichten Beziehungsarbeit ist, dass Kinder für Lehrer lernen, dass Lehrer mit Konflikten umgehen und Disziplinprobleme bewältigen müssen. Sich in seinem Fach gut auszukennen, ist nicht alles, vielleicht noch nicht einmal die Hauptsache, meint Ulrike Kegler, Leiterin der mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichneten Montessori-Oberschule in Potsdam.
"Jeder Lehrer hat ja ein Fach studiert, das ist auch okay so. Aber parallel dazu müsste vom ersten Tag des Lehrerstudiums an Pädagogik im Zentrum stehen. Kommunikation, Curriculum-Entwicklung, Didaktik, Methodik. Und nicht nur, indem man drüber redet, sondern indem man es ausprobiert! Und was ganz entscheidend ist, und das ist, meine ich, das größte Manko in der Lehrerbildung, dass die Persönlichkeit der Lehrer nicht in den Blick genommen wird. Da kommen Lehrer in die Schule, die nicht sprechen gelernt haben! Da kommen Lehrer in die Schule, die nicht an ihrer persönlichen Haltung gearbeitet haben! Die Hängeschultern haben und den Kopf hängen lassen, das sind Dinge, die, finde ich, müssten in den Mittelpunkt rücken."
Wenn angehende Lehrer erst im Referendariat merken, dass sie für den Lehrerberuf ungeeignet sind, dann ist es zu spät, erklärt Ulrike Kegler. In Nordrhein-Westfalen wird nun ein Erprobungspraktikum eingeführt. Wer Lehrer werden will, soll vor dem Studium für ein paar Wochen unter Anleitung den Schulalltag aus der neuen Perspektive des Lehrers kennen lernen. Doch auch das reicht nicht, meint der Generalsekretär der Kultusministerkonferenz, Professor Erich Thies, er war früher selbst in der Lehrerbildung tätig:
"Sie wissen, dass die Universitäten weitgehend das Recht haben, ihre Studierenden selber auszusuchen. Sie müssten bei Lehramtsstudierenden genau hingucken, ob diese Personen geeignet sind, vor Klassen zu stehen. Und nicht jeder, der Altphilologie studiert, ist dann auch ein guter Lehrer. Ich denke, dass man das ganze Feld sträflich vernachlässigt hat."
Keine Hochschule nutzt diese Möglichkeit, die Eignung zum Lehrer bei den Studierwilligen zu überprüfen. Und so wird ein mancher Lehrer, für den diese Berufswahl nur eine Verlegenheitslösung war.
Bisher waren Studiengänge an den Wissenschaftsdisziplinen ausgerichtet, beispielsweise Geschichte oder Sprachwissenschaften, Mathematik oder Biologie. Mit der Umstellung auf Bachelor und Master soll die berufliche Verwertbarkeit im Vordergrund stehen. Manche Studiengänge waren schon früher an bestimmten Berufen ausgerichtet, wie etwa bei den Juristen an der Tätigkeit als Richter, Anwalt oder Beamter.
Angehende Lehrer dagegen studieren ihre jeweiligen Fächer als Wissenschaft: Deutschlehrer bei den Germanisten, Biologielehrer bei den Biologen, Mathematiklehrer bei den Mathematikern. Die am Gegenstand ihrer Wissenschaft orientierten Professoren vermitteln ihnen, dass die wahre Erfüllung in der Wissenschaft zu finden sei, und nicht darin, pubertierenden Schülern den Dreisatz beizubringen.
Steffen Obeling, der Kölner Gymnasiallehrer:
"Dann habe ich noch das Fach Sozialwissenschaften, was es an der Uni als solches erst einmal gar nicht gibt. Ich habe zum Beispiel die Volkswirtschaftsvorlesung mit den Volkswirten und Betriebswirten zusammen belegt, und am Ende gab es dann noch eine Abschlussprüfung, die durch das staatliche Prüfungsamt organisiert wurde, bei der ich zum Teil den Professoren vorher sagen musste, wie das abläuft, über welche Themen sie mich prüfen können und denen mehr oder weniger einen Fingerzeig geben musste, wie das eigentlich abläuft, wenn man Lehrer ausbildet und prüft."
Für die Professoren sind Lehramtsstudenten meistens uninteressant, in ihren Augen haben sie keine wissenschaftlichen Ambitionen. Wichtig sind sie nur in einem Punkt: Sie zählen bei der Berechnung der Kapazitäten mit, und ein Studienfach mit vielen Studenten bekommt mehr Mittel für die Lehre. Der Zürcher Erziehungswissenschaftler Jürgen Oelkers:
"Richtig ist, dass in weiten Teilen der deutschen Universität es immer noch so ist, dass die Lehrerbildung nicht eine beliebte Größe ist. Die Lehrerbildung braucht einen bestimmten Ort, die Studierenden müssen sagen, ich bin an der Hochschule so und so für das Lehramt ausgebildet worden. Fragen Sie mal Studierende in Münster oder in Köln, ob sie diesen Eindruck haben: Sie machen Module an ganz unterschiedlichen Stellen und das wird dann irgendwie formal verrechnet. Eine Identität: "Ich bin ein Lehramtsstudent" ist wahrscheinlich eher schwach entwickelt."
Diese Misere hat ein lange Geschichte: Die Gymnasiallehrer wurden immer schon an den Universitäten ausgebildet. Bis in die 60er-, 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts verstanden sie sich eher als Gelehrte denn als Lehrer. Die Volksschullehrer hingegen wurden an pädagogischen Akademien ausgebildet. In der Bundesrepublik wurden die Akademien zu pädagogischen Hochschulen aufgewertet, gleichwohl blieben die dort ausgebildeten Lehrer im "gehobenen Dienst", also einige Besoldungsstufen unter den Gymnasiallehrern.
Da galt es als Fortschritt, dass seit den 70er-Jahren auch Grund- und Hauptschullehrer an Universitäten ausgebildet wurden. Aber genau das war der Sündenfall in der Lehrerbildung, meint Erich Thies:
"Integration hat zur Folge gehabt, dass die Akteure in der Lehrerbildung dann eben universitären Karrieremustern gefolgt sind und ihr eigenes Feld, nämlich die Lehrerbildung, weitgehend hintangestellt haben."
Nur in Baden-Württemberg blieben die Pädagogischen Hochschulen erhalten, und damit der eigene Wert der Lehrerausbildung, meint Thies. Die Didaktik, also die Wissenschaft von der Lehre eines Fachs, wurde vernachlässigt. Lehrer lernten die Fachwissenschaft genauso wie die Diplombiologen oder die angehenden Germanisten.
Zu den Zeiten, als nur fünf Prozent eines Altersjahrgangs das Gymnasium besuchten, also bis in die 60er-Jahre, war die Gymnasiallehrerausbildung kein großes Problem: Um ihre handverlesene Schülerschaft aus Elternhäusern mit akademischem Hintergrund zu unterrichten, brauchten die Gymnasiallehrer kein großes didaktisches Geschick. In der Ausbildung hatten sie neben ihren zwei späteren Unterrichtsfächern lediglich ein paar Stunden pädagogisches Begleitstudium zu belegen.
Aber der schulische Alltag veränderte sich und mit ihm die Aufgaben der Lehrer. Das Gymnasium expandierte in den 70er-Jahren, die Schülerschaft wurde heterogener, doch an der Ausbildung der Lehrer änderte sich auch in den 80er-Jahren noch nichts, erinnert sich Gabriele Bellenberg, Pädagogik-Professorin in Bochum:
"In meinem Studium war es noch so, dass man aus einem großen Angebot von Veranstaltungen wählen konnte. Und es gab keine Verpflichtung, zum Beispiel in den Erziehungswissenschaften, das auf den Lehrerberuf zu beziehen. Das gibt es heute nicht mehr. Heute sind die Ausbildungscurricula streng normiert. Sie orientieren sich an den Standards der Lehrerausbildung, das heißt, es gibt keinen Lehramtsstudenten mehr, der in den Erziehungswissenschaften etwas macht, was keinen Schulbezug hat."
Es gab also zumindest teilweise Verbesserungen: Im Jahr 2004 erließ die Kultusministerkonferenz Standards, an denen sich das bildungswissenschaftliche Studium der künftigen Lehrer nun zu orientieren hat. In diesen Vorgaben wird berücksichtigt, dass die Lehrerarbeit vielfältig ist: Ein Lehrer, eine Lehrerin muss nicht nur unterrichten, sondern auch bewerten, beraten, planen und organisieren. Der Münsteraner Erziehungswissenschaftler Ewald Terhart:
"Bei der Erarbeitung der Standards für die Bildungswissenschaften in der Lehrerbildung sind diese Diskussionen geführt worden. Und natürlich ist Umgang mit Heterogenität ein Element der Kompetenz, die ein guter Lehrer braucht. Die Idee, dass das Gymnasium noch ein Hort der Seligen ist und insofern auch eine ganz homogene Schülerschaft hat, das ist eine Vorstellung, die trifft nicht mehr zu."
Dass die Lehrerausbildung ein eigenes, grundständiges Studium, also von Anfang an auf den Lehrberuf zugeschnitten sein muss, diese Erkenntnis hat sich zwar durchgesetzt, doch sie hat kaum praktische Folgen. Der Generalsekretär der Kultusministerkonferenz, Erich Thies, fordert, dass die Lehrerbildung endlich ihren eigenen Ort in der Hochschule haben muss:
"Und da gibt es inzwischen Modelle. Ich erinnere nur an die Technische Universität München, die eine School of Education aufgemacht hat, also eine Professional School, und seit vielen Jahren versuche ich die Lehrerbildung dahin zu drängen. Mit der Folge, dass die Studierenden wieder einen Ort hätten, zu dem sie auch gehören, und auch die Professoren sich auch mehr der Lehrerbildung verpflichtet fühlen als ihrer Fachdisziplin."
An der Technischen Universität München wurde vor zwei Jahren eine School of Education als eigene Fakultät gegründet. Wer dort Lehrer werden will, ist nicht mehr bei den Mathematikern oder Biologen eingeschrieben, sondern in dieser Lehrerbildungsfakultät, und er belegt dort seine Kurse und Seminare. Das Modell sei nicht übertragbar auf Hochschulen mit starken Geistes- und Gesellschaftswissenschaften, meint Ewald Terhart, Pädagogik-Professor in Münster:
"Wenn man dann an eine Fakultät für Lehrerbildung denkt, dann müssten eigentlich alle Fachleute aus den Unterrichtsfächern, von Geschichte bis Physik von Sport bis Kunst, wir müssten ja auch in eine solche Fakultät mit hinein. Und dann hat man schon gewissermaßen an manchen Standorten die halbe Universität in so einer Fakultät. Die Fächer werden sich bedanken angesichts einer solchen Anfrage."
Die Ruhr-Universität Bochum hat einen anderen Weg gefunden. Hier wurde eine School of Education gegründet, die keine eigene Fakultät ist und die Lehrstühle in ihren Fächern belässt. Sie organisiert lediglich das Lehramtsstudium. Und das beginnt nun nicht mit dem ersten, sondern erst mit dem siebten Semester. In der ersten Studienphase, bis zum Bachelor, lernen die Studenten die zwei Fachwissenschaften, die später ihre Unterrichtsfächer werden sollen. Sie absolvieren in der Zeit zwei Praktika, das ist im neuen Lehrerbildungsgesetz von Nordrhein-Westfalen so vorgeschrieben, das im Jahr 2009 in Kraft trat. Es gilt bundesweit als vorbildlich. Aber die bildungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Studien schließen sich dann erst in den vier Semestern Masterstudium an. Der Dekan der Bochumer School of Education, Peter Drewek:
"Dieser Bachelorstudiengang soll, nach den Bologna-Vorstellungen, berufsqualifizierend sein. Das mag umstritten sein, ob das geht, ob das in unterschiedlichen Fächern so ist, aber die Grundstruktur ist, dass man bereits nach einem sechssemestrigen Studiengang doch auch die Möglichkeit haben sollte mit dem Abschluss in den Beruf zu gehen. Aber es ist richtig, dass Fachwissen geht voraus, es folgen dann die Fachdidaktik und Bildungswissenschaften im Masterstudiengang. Das ist der Schwerpunkt, in Verbindung mit einem Praxissemester, was schon einmal sehr verdichtet vorwegnimmt, was dann später das Referendariat fortführt und verstärkt."
Sprich: Wozu der Bachelor-Abschluss die angehenden Lehrer qualifiziert, weiß eigentlich niemand. Jedenfalls kann man damit nicht ins Referendariat gehen. In der Reformdebatte wurde gefordert, dass das Lehrerstudium von Anfang an auf die Arbeit mit Schülern zugeschnitten sein sollte. Doch die Gliederung in Bachelor- und Master-Phase, wie in Bochum, trennt wieder das Studium der Fächer und die Lehrer-Ausbildung. Andere Hochschulen haben das Studium wiederum anders aufgebaut – mit der Folge, dass ein Wechsel von einem Studienort zum anderen immer schwieriger wird.
Und dieses Problem besteht bundesweit: Einige Bundesländer haben die Ausbildung umgestellt, andere nicht. Hier werden die Lehrer für Grund- und Hauptschulen zusammen ausgebildet, dort die für Haupt- und Realschulen. Das Ergebnis: Niemand kennt sich noch aus mit den unterschiedlichen Ausbildungsordnungen. Der Lehrerbildungsexperte Ewald Terhart:
"Das ist extrem unübersichtlich geworden. 1000 Wege zum Lehrerberuf. Es gibt, glaube ich, überhaupt keinen Experten in Deutschland, der von jedem Land zu jeder Zeit genau weiß, wie viele Varianten da existieren. Ob durch die Vielfalt die Lehrerbildung insgesamt besser wird, das wage ich zu bezweifeln."
Nach dem Studium geht es ins Referendariat – bisher dauert es zwei, künftig in vielen Ländern nur noch anderthalb Jahre. In Nordrhein-Westfalen wird es dafür schon ein Praxissemester während des Masterstudiums geben. - Das Praxissemester bringt den Hochschulen neue Probleme: Dazu müssen sie mit vielen Ausbildungsschulen kooperieren, und sie brauchen genau das Personal, das sie nicht haben: Nämlich Hochschullehrer, die sich mit der Schulpraxis auskennen. Für die Landesregierung hat das Modell aber seinen besonderen Charme: Sie muss den Referendaren Gehälter zahlen, Studenten im Praxissemester dagegen müssen selbst für ihren Unterhalt sorgen.
Ist die Lehrerausbildung nun in den letzten Jahren besser geworden? Der Erziehungswissenschaftler Ewald Terhart:
"Ich kann das nur vom Eindruck und von der Intuition her beantworten. Es gibt keine Vergleichsstudien, die die Qualität der Generationen in Relation bringen. Ja, ich glaube, dass die Lehramtsstudierenden im Bereich der Bildungswissenschaften heute konzentrierter oder stärker gerichtet auf ihren Beruf studiert haben als vor 30 Jahren. Damals war dieses bildungswissenschaftliche Studium ein Sammelkorb mit allem und jedem. Das ist heute nicht mehr so der Fall. Ob die so in den Bildungswissenschaften vielleicht etwas strukturierter Studierenden auch zukünftig bessere Lehrer sind, das ist die 100.000-Mark-Frage, das weiß man damit noch nicht."
Die Lehrerausbildung braucht eine frühzeitige Verzahnung von Praxis und wissenschaftlicher Ausbildung. An der Universität Köln wurde gerade ein Modellversuch mit 60 Studierenden gestartet, die parallel zum Studium jeweils einen Wochentag in der Schule verbringen und an einem weiteren Tag in dem neu eingerichteten Bildungskolleg ihre praktischen Erfahrungen aufarbeiten. Hier versucht man zu verwirklichen, was auch der Zürcher Lehrerbildungsexperte Jürgen Oelkers fordert:
"Das Lehrerstudium ist jetzt ein Fachstudium und muss zu einem Professionsstudium werden. Das heißt, die Ausbildung muss auf das ausgerichtet sein, was dann nachher auch als Ziel angestrebt wird, nämlich einen schwierigen und schwieriger werdenden Beruf, auf den man möglichst optimal vorbereitet werden muss."