Archiv


Fahndungsplakat wegen Panzerdeal

Das "Zentrum für politische Schönheit" verspricht auf Fahndungsplakaten denen eine Belohnung, die über Anteilseigner an einem Rüstungskonzern Belastendes preisgeben. Kritik an ihrer Aktion wollen sie nicht gelten lassen.

Von Anja Nehls |
    Philipp Ruch und Andre Leipold stehen in einem Hinterhof in Berlin Mitte. Sie wirken zufrieden - immer noch - obwohl ihre großen Plakate, die hier an einer Altbaufassade hingen, längst weg sind. Fahndungsplakate – wie im Wilden Westen. Belohnung 25.000 Euro war darauf in klobigen schwarzen Buchstaben zu lesen, dazu Fotos und die Unterzeile: Wer hat Informationen, die zur Verurteilung dieser Menschen führen?" Eine Aktion des Zentrums für politische Schönheit – eine Kunstaktion?

    "Es ist Kunst, das heißt aber nicht, dass es einfach nur Spaß machen soll. Die höchste Form aller Künste heißt Politik."

    sagen Ruch und Leipold und sind plötzlich ziemlich ernst. Denn um nichts anderes als Politik ging und geht es den beiden Aktivisten. Die Fahndungsfotos zeigten Teilhaber des Waffenfabrikanten Kraus, Maffei, Wegmann: eine Physiotherapeutin aus Bayern, einen Humanisten aus Freiburg, eine Lehrerin aus Kassel, eine Fotografin, einen Künstler. Der Rüstungskonzern will demnächst fast 300 Kampfpanzer Leopard 2 nach Saudi-Arabien liefern – das wollen die im Zentrum engagierten Künstler und Menschenrechtsaktivisten verhindern – mit fragwürdigen Mitteln.

    "Wir haben ja nichts anderes gemacht, als versucht, öffentlich zu machen, auf eine höchst effiziente Weise, wem gehört Kraus, Maffei, Wegmann und wer sind die einzigen Profiteure dieses Milliardendeals. Wir haben versprochen, wir bringen einen der Besitzer in Haft und dafür stehen wir weiterhin. Also, wir werden das versuchen, ganz klar."

    Das Panzergeschäft werden sie nicht verhindern, das ist legal, abgesegnet vom Bundessicherheitsrat. Weshalb sie stattdessen den Anteilseignern an den Kragen wollen. Willkommen sind deshalb Hinweise auf Steuerhinterziehung, Geldwäsche, eine schwarz beschäftigte Putzfrau oder sogar abgeschriebene Doktorarbeiten. Philip Ruch und Andre Leipold grinsen, denn laut sagen oder auf die Plakate schreiben, dürfen sie das inzwischen nicht mehr. Einer der Eigentümer des Waffenfabrikanten hat eine Unterlassungsklage erwirkt. Dass der Kampf um Frieden hier in eine Art Krieg ausartet, ist für die beiden Teil ihres Konzepts:

    "Wir nennen das aggressiven Humanismus. Wir stehen nicht für den Humanismus der Lichterketten und der Briefe, die zum Beispiel Amnesty alte Mütter und Omas an die Diktatoren der Welt schicken lässt, sondern wir glauben, dass man schon eine etwas härtere Gangart gehen muss.
    Also, Politik zu machen und Kunst zu machen, beides zugleich muss eben auch aggressiv sein, um eine Öffentlichkeit zu generieren."

    Das ist den Mitstreitern des Zentrums für politische Schönheit seit der Gründung vor vier Jahren bestens gelungen. Einmal haben sie Angela Merkel bei Ebay versteigern lassen und sind von höchster Stelle zurückgepfiffen worden. Einmal türmten sie über 16.000 bosnische Schuhe vor dem Brandenburger Tor aus, um auf das Versagen der Vereinten Nationen hinzuweisen, die das Massaker von Srebenica nicht verhindern konnten. Ein anderes Mal wurden sie bei einer Lesung vor dem Reichstag vor laufenden Kameras von der Polizei festgenommen. Verstoß gegen das Versammlungsrecht? Kunst? Oder eher doch ein gelungener PR-Gag? Die Sache mit den Fahndungsplakaten prüft inzwischen der Deutsche Rat für Public Relations. Vielleicht gibt es eine Rüge – und Andre Leipold jubelt schon wieder:

    "Ich möchte noch mal ausdrücklich sagen, dass wir uns wahnsinnig freuen, vom PR-Rat gerügt zu werden. Das ist eine wahnsinnig schöne Ehrung für uns, das ist gut."

    Kritik wollen die beiden nicht gelten lassen. Ihnen gehe es um die Sache – um die Verhinderung von Kriegen und Völkermorden. Mit weißem Hemd und ordentlichem Vier- bis Fünf-Tage-Bart sehen sie nicht aus wie die neuen 68er von 2012. Und sie sind – anders als die Aktivisten damals - auch nicht bereit, zu diskutieren. Das kritisiert Burkart von Braunbehrens - selber Künstler, Anteileigner bei KMW, der mit Foto auf dem Fahndungsplakat stand:

    "Also, die Freiheit der Kunst hat als Pendant auch die Freiheit der Kritik. Und wenn jemand sich beruft auf die Freiheit der Kunst und gleichzeitig die Kritik an seiner Aktion sofort diffamiert und unmöglich macht, die Schönheit lehnt mit mir die öffentliche Auseinandersetzung ab, dann untergräbt sie die Prinzipien, auf denen auch die Freiheit der Kunst beruht."

    Ob er sich persönlich getroffen fühlt, sagt Braunbehrens nicht. Auch nicht, ob er Angst hat. Einigen Protestbriefen, die die Aktivisten des Zentrums für politische Schönheit verschickt haben, lagen tatsächlich Spielzeugpatronen bei. Eine Drohung? Nein, behauptet Philipp Ruch:

    "Wir distanzieren uns von jeder Form von Gewalt, das haben wir von Anfang an getan, das war unser größter Albtraum, dass jemand den Besitzern von Krauss, Maffei, Wegmann zu nahe kommt. Warum? Weil wir ihnen mit der Aktion viel näher kamen, als man es mit Gewalt je hätte tun können."

    Ab wann man von psychischer oder seelischer Gewalt sprechen kann, bleibt unklar, denn:

    "Es muss auch schon denen wehtun, die es betrifft",

    sagt Ruch. Burkart von Braunbehrens hat sich inzwischen öffentlich gegen die Panzergeschäfte mit Saudi-Arabien positioniert – und ist damit bei seinem Konzern heftig angeeckt. Ein Teilerfolg des Zentrums für politische Schönheit, doch das Waffengeschäft verhindern kann auch der Teilhaber nicht. Seine Anteile hergeben will er allerdings auch nicht:

    "Ich denke, dass die öffentliche Meinung eine größere Macht darstellt, als meine fehlende Macht bei KMW."

    Also müsse da angesetzt werden, wo die Macht wirklich sitzt – zum Beispiel bei Angela Merkel, die solche milliardenschweren Waffengeschäfte mitabsegnen muss. Ein Kopfgeld auf die Kanzlerin will man ausloben – auch wenn Ruch es nicht so nennt. Er spricht eher einer Belohnung im Sinne der Schönheit:

    "Politische Schönheit ist moralische Schönheit. Wie kriegen wir sie ran? Da sind ja mehrere Sachen anhängig, dass sie als IM zum Beispiel gearbeitet hat während der SED-Diktatur. Das würden wir gerne mal genauer wissen, da wird es bestimmt den einen oder anderen geben, der für eine ordentliche Belohnung auch bereit ist, eidesstattlich auszusagen."

    Eine riesige öffentliche Aufmerksamkeit wäre bei einer solchen Aktion garantiert. Stattfinden soll sie. Und zwar noch bevor die Kampfpanzer in Saudi-Arabien ankommen.