Christoph Heinemann: Nach stundenlangen Gesprächen sind die Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Bahn und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG auf kommenden Mittwoch vertagt worden. Zwar seien zu vielen Forderungen Ergebnisse erzielt worden; hinsichtlich der Lohnforderung bestehe aber noch Uneinigkeit, sagte eine Bahnsprecherin. Am Mittwoch beginnt außerdem die Schlichtung zwischen Bahn und der Weselsky-Gewerkschaft GDL. Darüber hat mein Kollege Dirk-Oliver Heckmann mit Gerd Aschoff gesprochen vom Fahrgastverband Pro Bahn.
Dirk-Oliver Heckmann: Herr Aschoff, Bodo Ramelow, einer der beiden Schlichter, die jetzt berufen worden sind, hat der Bahn direkt erst mal unprofessionelles Verhalten vorgeworfen, weil es der Bahn bisher nicht gelungen sei, eine Verhandlungsgrundlage vorzulegen. Sehen Sie das auch so, die Bahn unprofessionell?
Gerd Aschoff: Ich habe es immer vermieden, im Namen meines Fahrgastverbandes Noten zu verteilen und vor allen Dingen keine Haltungsnoten, weder in die eine, noch in die andere Richtung, auch wenn natürlich unsere Kritik gegenüber der GDL deshalb deutlicher ausfällt, weil der Streik von der GDL verursacht und ausgerichtet worden ist. Aber insofern bin ich da ganz zurückhaltend, was solche Bewertungen angeht. Aber ich habe mich natürlich schon gewundert, dass jemand, der ja eigentlich schlichten soll, der den Konflikt ja runterfahren soll, sich zu solchen öffentlichen Äußerungen hinreißen lässt. Ich habe den Eindruck, dass die nicht sonderlich hilfreich waren. Zum Glück hat sich der andere Schlichter, Matthias Platzeck, ausdrücklich nicht zu diesen Dingen geäußert und sich öffentlich zurückgehalten.
Heckmann: Jetzt sagt Herr Weselsky von der GDL, der Gordische Knoten, der ist praktisch jetzt durchschlagen, dadurch, dass es jetzt zu diesen Schlichtungsgesprächen kommen wird. Kann man das aus Ihrer Sicht auch so sagen?
Aschoff: Wenn Herr Weselsky dieser Auffassung ist, dann werde ich ihm diese Bewertung jetzt nicht aus der Hand schlagen. Natürlich geht es bei einem so verzwickten Konflikt, der so viele Verästelungen hat, darum, dass beide Seiten ohne Gesichtsverlust da rauskommen. Von daher auch an dieser Stelle nochmals meine Zurückhaltung, was eine tiefergehende Bewertung der Verantwortlichkeit oder Schuldzuweisung oder Ähnliches angeht.
Heckmann: Die Bahn, die verhandelt ja sowohl mit der GDL als auch parallel mit der EVG, der größeren Gewerkschaft, und die hat ihrerseits mit Streiks gedroht. Könnte es also sein, dass der Albtraum für die Bahnkunden noch gar nicht beendet ist?
Aschoff: Möglich ist das durchaus. Dieses Damoklesschwert schwebt über der Bahn und über den Fahrgästen und über den Kunden. Aber ich hoffe, dass sich EVG und Deutsche Bahn soweit verständigen, dass die Sache ohne Streik abgeht und dass nicht in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, das ist jetzt also die EVG, die da irgendwie weichgespült ist, und die GDL, die ist jetzt die kämpferische, und dann auf einmal eine ganz andere Beurteilung in der Öffentlichkeit entstehen würde, aber vor allen Dingen natürlich auch bei den Bahnbeschäftigten.
Heckmann: Diese parallelen Verhandlungen, die wollte man ja eigentlich unbedingt vermeiden, weil sich beide Gewerkschaften mit ihren Forderungen quasi überbieten würden. Jetzt also doch diese parallelen Verhandlungen. Ist das eigentlich eine gute Nachricht für die Bahnkunden, denn sich gegenseitig radikalisierende Forderungen der Gewerkschaften, die könnten ja durchaus höhere Ausgaben und damit auch höhere Fahrpreise für die Kunden bedeuten?
"Für uns ist wichtig, dass die Zufriedenheit der Mitarbeiter wieder hergestellt wird"
Aschoff: Ja natürlich. Das Unternehmen Deutsche Bahn muss ja konkurrenzfähig bleiben, nicht nur gegenüber dem Straßenverkehr, sondern auch gegenüber alternativen Eisenbahnverkehrsunternehmen. Das ist sehr wohl ein Thema, weil gerade bei den alternativen Unternehmen auch eher jüngere Beschäftigte sind, die dann in der Bezahlungshierarchie auch noch nicht so weit sind. Aber das ist eine Geschichte, da haben wir von Anfang an auch Zurückhaltung geübt. Im Gegenteil: Wir haben immer gesagt, wenn es Probleme gibt - und natürlich haben wir auch die Unzufriedenheit vieler Beschäftigter mit der Konzernleitung und mit den Beschäftigungsbedingungen, Überstunden beispielsweise im Millionenbereich, ist natürlich ein Unding -, das haben wir alles registriert. Aber wir sagen jetzt nicht zu einer bestimmten Tarifforderung, das muss auf jeden Fall so sein. Für uns ist wichtig, dass die Zufriedenheit der Mitarbeiter wieder hergestellt wird und dass insgesamt Frieden in das Unternehmen reinkommt.
Heckmann: Abschließend gefragt: Wie würden Sie denn das Krisenmanagement der Deutschen Bahn bewerten, jetzt in dieser Streiksituation, die zurückliegt?
"Sehr viele Mitarbeiter haben Sonderschichten gefahren"
Aschoff: Da fällt es mir schwer, Kritik an der Deutschen Bahn zu üben, weil ich gesehen habe, dass die Bahn und vor allen Dingen die nicht streikenden Bahnbeschäftigten alles auf die Beine gestellt haben, was möglich war. Sehr viele Mitarbeiter haben Sonderschichten gefahren. Es haben auch nicht streikende Lokführer ihren Urlaub unterbrochen. Es waren auch GDL-Mitglieder dabei, die gesagt haben, nein, wir streiken da nicht, aus unterschiedlichen Gründen. Das Ergebnis war zumindest so, dass ein gewisser Ersatzfahrplan auf den Schienen stand. Ich habe Riesenbammel davor gehabt, dass jetzt am Pfingstfreitag und am Pfingstmontag noch gestreikt wird, weil da hätten die Ersatzkapazitäten bei weitem nicht ausgereicht, weil der Pfingstverkehr ein besonders starker ist, im Jahresvergleich einer der verkehrsstärksten Tage überhaupt. Zum Glück wird jetzt Schritt für Schritt wieder der normale Fahrplan eingeführt und der Ersatzfahrplan gehört dann erst mal der Vergangenheit an. Das ist sehr gut für die Reisenden, die sich jetzt doch noch überlegen können, mit der Bahn über Pfingsten zu verreisen.
Heinemann: Gerd Aschoff vom Fahrgastverband Pro Bahn. Die Fragen stellte mein Kollege Dirk-Oliver Heckmann.
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