Erst die Einweisung: "Das System einschalten: Das ist ein Velo-Cargorad, ein richtiges Lastenrad." Dann die Probefahrt. mit dem Lastenrad mit den großen Ladeflächen vorne, unterhalb der Lenkerstange, und hinten, dort, wo sich normalerweise der Gepäckträger findet. Man muss ein bisschen aufpassen.
Das Gefährt schwenkt manchmal seitlich aus wie ein Lkw. Trotz der zwei Getränkekisten vorne fährt es sich aber sehr elegant:
"Am Anfang ein bisschen ungewohnt. Aber man gewöhnt sich sehr schnell dran. Und dann hat man in der Stadt eine Superalternative zum Auto."
Diese Alternative zum Auto braucht es dringend, so Niklas Henkel vom Lastenfahrrad-Hersteller Neodrive aus Albstadt. Und mit dieser Einschätzung ist er nicht alleine:
"Der Bevölkerung wird eben bewußt, dass eben Schadstoffe und Lärmbelästigung einfach eine Einschränkung der Lebensqualität mit sich bringen. Da müssen alternative Lösungen her für die Innenstadt."
Paketzustellung mit dem Lastenrad
Zum Beispiel in Form von Lastenrädern in der Paketzustellung, so Simon Schmitz, der im Auftrag der Deutschen Post und deren Unternehmenstochter, dem Paketdienstleister DHL, bereits solche Lastenräder oder Cargo-Bikes baut. Die Nachfrage steigt steil nach oben - wegen eines deutlich erkennbaren veränderten Verbrauchervehaltens.Die "Generation online" besorgt sich viele Dinge nicht mehr im Kaufhaus um die Ecke, sondern bestellt sie online und wartet, bis der Paketbote klingelt.
"Wir haben eine Zunahme der Paketlieferungen in Deutschland von 25 Prozent in den nächsten drei Jahren. Wir haben jetzt schon um die drei Milliarden Pakete in Deutschland jedes Jahr. In zwei, drei Jahren kratzen wir an der vier Milliarden-Grenze."
Nicht auszudenken, wenn das mit klassischen Zustell-Autos bewerkstelligt würde mit noch längeren Staus, noch längeren Schlangen vor den Ampeln in den Innenstädten. Simon Schmitz redet einer, wie das in der Fachsprache heißt, "zweikanaligen" Verteilung das Wort: Dabei werden die Pakete auf dem klassischen Weg per Auto in ein Stadtteil-Deport gebracht, "die dann satellitenmäßig mit den Pedelecs in die Innenstädte oder die Wohngebiete gefahren werden. So kann man die Staus umgehen, die Parkplatz-Knappheit auch umgehen und eben auch die Lärm- und Schadstoffbelästigungen auf Null stellen."
Lösungen für 250 Kilogramm Zuladung
Simon Schmitz ist sich ziemlich sicher, dass die Lastenfahrräder in nächster Zeit einen Siegeszug in den großen Städten antreten werden, wenn sie technisch bestimmten Mindest-Anforderungen genügen.
"Aus unserer Sicht ist das Wichtigste bei so einem Pedelec die Wertigkeit, die Stabilität und die maximale Zuladung und eben auch die starke Antriebs-Unterstützung. Also der Fahrer muss mit 90, 100 oder 250 Kilo Zuladung problemlos Berge hochkommen."
Auf der Fahrradmesse "Eurobike" in Friedrichshafen sehen die Fachbesucher derzeit regelrechte Lasten-Fahrrad-Gespanne mit Anhängern, die locker ein Dutzend Bierkisten durch die Gegend transportieren.
"Das ist unsere Klingel, die wir haben."
Die Klingel, so Bernd Lesch vom Hersteller Haibike im fränkischen Sennfeld, steht für die mehr als 100jährige Tradition des Fahrrads an sich.
Das Fahrrad, das selbst den Notruf absetzt
Und, ein weiterer Begriff, "Was neu ist: Unser e-Connect", steht für einen Zukunftstrend der Branche: "Connected Biking" oder "vernetztes Fahren", sagen die Fachleute dazu.
Will heißen: An der Lenkstange des Fahrrads befindet sich ein Mini-Computer, der verbunden ist mit einer Fülle von Sensoren zwischen Radnabe und Fahrradsattel. Und das alles ist über eine App verbunden mit dem Smartphone des Fahrers.
"Sie haben einfach mal den Diebstahlschutz mit dabei. Sie sehen ganz genau, wo Ihr Rad sich aufhält. Dann ist ein Sensor integriert: Wenn ein Dieb das Rad stehlen möchte, gibt es Alarm auf Ihrem Handy."
Und auch das gibt es: Das Fahrrad, das selbständig den Notarzt ruft.
"Wenn Sie wirklich verunglücken würden, haben wir einen Sensor im Fahrrad drin, dass eine Nachricht auf eine vorher definierte Handy-Nummer weitergesendet wird. Und da sieht man ganz genau, wo Sie verunglückt sind."
Gute Rad-Infrastruktur fehlt vielerorts
So sehr die Fahrrad-Technologie auf Fortschrittskurs ist, so sehr hinke der Ausbau der Fahrrad-Infrastruktur deutschlandweit hinterher. Neue und bessere Radwege braucht das Land, fordert Siegfried Neuberger, Geschäftsführer des Zweirad-Industrieverbandes:
"Bisher haben wir vom Bund 200 Millionen Euro im Jahr. Wir fordern eine Milliarde für den Radverkehr, für den Ausbau der Fahrrad-Infrastruktur, für den Ausbau von Fahrrad-Schnellwegen, um auch größere Entfernungen mit dem Rad zurückzulegen. Was ganz, ganz wichtig ist, eine unsere zentralen Forderungen: Abstellanlagen. Denn wenn wir über hochwertige Fahrräder sprechen, dann sind viele Leute eben nicht bereit, mit ihrem hochwertigen Rad in die Stadt zu fahren, weil sie nicht wissen, wo sie es hinstellen sollen. Das heißt: Da müssen Fahrradparkhäuser her, Abstellanlagen an den Bahnhöfen. Die Infrastruktur muss so ausgebaut werden, dass sich da jeder Radfahrer sicher fühlt, von 8 bis 80."