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Fahrradsaison
Auf zwei Rädern durch die Krise

Die Sonne scheint - überall in Deutschland steigen die Menschen aufs Fahrrad. Sofern sie eines haben: Denn in vielen Bundesländern dürfen die Geschäfte zurzeit nur reparieren, nicht verkaufen. Vieles ist in diesem Fahrradfrühling anders als sonst.

Von Pia Behme |
Radverkehr zu Zeiten der Corona-Pandemie. Eine Radfahrerin schützt sich mit einem Mundschutz vor einer Ansteckung mir dem Virus
Radverkehr zu Zeiten der Corona-Pandemie (picture alliance / dpa / Daniel Kubirski)
In der Fahrradwerkstatt von Darius Kaiser wird gedreht, geschraubt, geölt. "Voll ausgebucht", sagt der ehemalige Radrennfahrer. Seit 28 Jahren betreibt er ein Fahrradgeschäft inklusive Werkstatt im Kölner Süden.
Um kurz nach zehn Uhr morgens betreten die ersten Kunden den Laden. Man kennt sich.
"Eh, Abstand halten, Jungs!" - "Wir halten schon so wenig Abstand." - "Und hier Handschuhe anziehen."
Kaiser teilt Handschuhe aus und scherzt mit seinen Stammkunden, von denen er weiß, dass sie im gleichen Haushalt wohnen. Sie sind diesmal wegen neuer Klickpedale da.
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Alle Beiträge zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Der Showroom als Wartesaal
Die Werkstatt liegt im hinteren Teil des Ladens. Davor eine große Verkaufsfläche mit Hunderten Fahrrädern und entsprechendem Zubehör. Zurzeit dient der Raum nur als Wartebereich für Kundinnen und Kunden, die ihr Rad zur Reparatur vorbeibringen. Verkaufen darf Kaiser nicht. So schreibt es das Land Nordrhein-Westfalen vor. Nur in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Berlin ist der Fahrradhandel unter strengen Auflagen gestattet.
"Bei uns ist Werkstatt ausgebucht so wie jedes Jahr, weil wir 90 Prozent Stammkunden haben", berichtet Kaiser. "Nur: Bei uns liegt der Anteil Werkstatt und Verkauf vielleicht bei 15 Prozent zu 85 Prozent. Also wir sind betroffen."
Bei Betrieben, die ihren Umsatz hauptsächlich aus Fahrrad-Reparaturen und weniger aus Verkauf generieren, sieht es besser aus. Die Werkstätten in Köln sind zurzeit gut beschäftigt, für manche hat sich bisher kaum etwas verändert.
Mehr Platz als im Supermarkt
Darius Kaiser ärgert das Vorgehen der Regierung. Hygienemaßnahmen könne er deutlich besser einhalten als Supermärkte. Auf eine Lockerung der Corona-Beschränkungen für den Einzelhandel sieht er sich daher gut vorbereitet. Zum Beispiel wird das EC-Gerät für jeden Kunden desinfiziert.
"Hier reinige ich das. Er muss die Hände desinfizieren."
Zum Schutz vor Neuinfektionen dürfen Supermärkte in NRW eine Person pro zehn Quadratmeter Verkaufsfläche zulassen. Diese Regel könnte Kaiser in seinem Fahrradladen problemlos einhalten, betont er:
"Das bedeutet bei meiner Größe: Theoretisch könnte ich 50 Kunden reinlassen. Aber Fahrradläden haben die Menge nicht. Wir haben 30, 40 Kunden am Tag."
Mehr Radverkehr braucht mehr Platz
In Köln ist der Radverkehr seit Beginn der Corona-Präventionsmaßnahmen gestiegen: um insgesamt fünf Prozent im Vergleich zu den Vorjahren. Das kann an dem höheren Ansteckungsrisiko in Bus und Bahn liegen, aber auch daran, dass viele Kölnerinnen und Kölner mehr Freizeit bei gutem Wetter hatten.
Damit auch auf dem Fahrrad der Abstand von 1,5 Metern eingehalten werden kann, fordert der Allgemeine Deutsche Fahrradclub in Köln - aber auch in anderen Städten - mehr Platz auf den Straßen und Tempolimit 30 für Autofahrer. Christoph Schmidt, Vorsitzender Pressesprecher des ADFC Köln:
"Es gibt viele Situationen, wo man sich als Radfahrer zurzeit unwohl fühlt. Da gibt es die gemeinsamen Geh- und Radwege. Ich habe es häufig erlebt, dass da ein Fußgänger nach links geht, einer nach rechts - und ich soll in der Mitte durch. Das ist natürlich im Alltag okay, aber in dem Moment habe ich überhaupt keine Chance, diese 1,5 Meter einzuhalten."
28.01.2020, Nordrhein-Westfalen, Oberhausen: Eine Frau trägt vor einer Apotheke eine Mund- und Nasenmaske.
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Köln will keine Pop-up-Radwege
Schmidt verweist auf Pop-up-Radwege, temporäre Radfahrstreifen, die etwa auf mehrspurigen Straßen eingerichtet werden könnten. Als Vorbild für diese sogenannten Corona Bike Lanes gelten beispielsweise temporäre Radwege in Berlin und dem kolumbianischen Bogotá.
Die Stadt Köln will keine "Pop-up-Radwege" einrichten. Auf den infrage kommenden Straßenabschnitten sei bereits die Radwegbenutzungspflicht aufgehoben, heißt es in einer Pressemitteilung.
Radverkäufer in Kurzarbeit
Die Radpolitik der Stadt Köln beschäftigt Darius Kaiser zurzeit wenig. Selbst wenn mehr Menschen Fahrrad fahren - momentan profitiert er davon nicht. Die Einnahmen aus der Werkstatt reichen noch aus, um die Gehälter seiner Mitarbeiter zu bezahlen. Die Angestellten aus dem Verkauf sind dagegen in Kurzarbeit. Jetzt kommt es darauf an, ob sein Vermieter ihm einen Aufschub der Miete gewährt.
"Werkstatt läuft wie früher, aber davon kann man nicht leben."