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Fahrstuhl-Test-Turm eröffnet
Ohne Seile hoch hinaus

Gut 240 Meter hoch, rund 40 Millionen Euro teuer - das ist er: Der größte Turm Süddeutschlands am Rande von Rottweil. Es ist eine Art Versuchsstation für Fahrstühle, die später einmal in Wolkenkratzern in aller Welt zum Einsatz kommen sollen. Nun haben die ersten Experimente begonnen.

Von Thomas Wagner |
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    Der Testturm bei Rottweil ist 246 Meter hoch (DPA / Patrick Seeger)
    "Wir sind im Panorama-Aufzug. Und das ist einer der ersten Fahrten, die im Panorama-Aufzug gemacht werden. Wir fahren auf die Besucherplattform des Testturms, also auf 232 Meter Höhe mit einer Geschwindigkeit von fünf Meter pro Sekunde."
    Premiere in Europas größtem Fahrstuhl-Test-Turm bei Rottweil, ganz im Süden Baden-Württembergs: Kaum hat Michael Ridder, Sprecher des Betreibers Thyssen Krupp Elevator, seine Begrüßung beendet, ist der Fahrstuhl auch schon oben angekommen. Über 20 Meter im Durchmesser, ragt der 246 Meter hohe Turm aus Beton wie eine Spindel, die sich in den Himmel schraubt, als neues, futuristisch wirkendes Wahrzeichen über der eher beschaulichen Landschaft zwischen Schwäbischer Alb und Schwarzwald. Innen ist der Riesenturm weitgehend leer: Zwölf parallel verlaufende Fahrstuhlschächte wurden in die Betonspindel eingebaut. Drei dieser Schächte sind für das Aufzugssystem der Zukunft reserviert:
    "Unsere Lösung war der 'Multi': Mehrere Kabinen in einem Schacht, keine Seile mehr. Und dieser Multi, dieses seillose, innovative Aufzugssystem, wird hier entwickelt und installiert."
    Aufzugskabine wird zum Teil des Motors
    So Andreas Schierenbeck, Vorstandschef bei Thyssen Krupp Elevator. Die Idee vom Aufzug ohne stählernes Tragseil haben die Entwickler bei der Magnetschwebebahn Transrapid abgeschaut. Im Mittelpunkt steht dabei ein sogenannter Linearmotor:
    "Linearmotor, das ist entstanden aus der Idee: Sie nehmen einen Motor, schneiden ihn der Länge nach auf und rollen ihn einfach aus. Das heißt. Sie ziehen über das Magnetfeld Magnete oder eine andere Spule einfach vor sich her. Der Motor dreht sich nicht, der bewegt sich einfach von rechts nach links"
    Damit wird die Aufzugskabine, an die ein starker Magnet montiert wird, zum Teil des Motors. Über Leitungsschienen im Inneren des Fahrstuhlschachtes werden Magnetfelder erzeugt, die die Fahrstuhlkabine vertikal hoch und runter bewegen oder aber auch horizontal von rechts nach links.
    Wartezeiten nur halb so lang wie bei konventionellen Aufzügen
    Denn grundsätzlich sieht die "Multi"-Technologie auch Querstollen vor, so genannte "Exchanger", durch die die Kabine von einem in den anderen Schacht wechselt. Damit können jeweils mehrere Kabinen gleichzeitig in einem Schachtsystem von oben nach unten oder auch mal von rechts nach links fahren: Die Fahrstuhlfahrt wird zu einer Art Taxifahrt im Wolkenkratzer der Zukunft, so Andreas Schierenbeck von Thyssen Krupp:
    "Die Kabine kommt. Vier, fünf Leute, die dasselbe Ziel haben, steigen in die Kabine ein. Und die Kabine fährt durch bis zu ihrem Ziel. Und dann steigen sie aus. Und die Kabine fährt im Kreis dann wieder zurück."
    Durch die Möglichkeit der genaueren Ansteuerung des Zielortes und der Verfügbarkeit mehrere Kabinen im Schachtsystem sollen sich die Wartezeiten im Vergleich zu konventionellen Fahrstühlen mehr als halbieren. Ob das alles wirklich funktioniert, werden die Versuche im Rottweiler Turm zeigen. Ein weiteres Plus ist die Fortbewegung über Magnetfelder.
    "Ein System, das in der Lage sein soll, 300 oder 400 Meter Förderhöhe zu überwinden, kann nicht mehr mit Seilen funktionieren."
    Denn bei solchen Höhen wäre das Gewicht der Stahlseile viel zu groß, so Entwickler Markus Jetter. Durch den Wegfall der Seile können Aufzüge der neuen "Multi"-Generation deutlich mehr Höhenmeter zurücklegen als bisher, bis zu 1000 Metern und mehr. Angesichts immer höherer Wolkenkratzer nach Ansicht der Entwickler eine wichtige Option.
    "Was für Tests führen wir hier durch? Wir testen die Aufzüge hier im Dauerlauf."
    Amerikaner wollen Aufzug spüren, Asiaten nicht
    Während der Probelauf mit den Fahrstühlen auf Magnetschwebetechnologie erst im Mai kommenden Jahres ansteht, erproben die Fachleute ab sofort herkömmliche Fahrstuhl-Systeme in ihrem neuen Turm bei Rottweil: Wie können Ausfallzeiten vermieden, Fehler besser vorhergesagt werden? Auch die Verringerung von Vibrationen ist ein Ziel der Fahrstuhl-Versuche im Turm. Hier haben die Fachleute sogar unterschiedliche Fahrstuhlkulturen zu berücksichtigen, so Erprobungsleiter Eberhard Vogler:
    "Menschen in Asien wollen von der Aufzugsfahrt nichts spüren. Da wird alles sanft und gleichmäßig eingestellt. In Amerika dagegen werden die Beschleunigungen höher eingestellt. Die Amerikaner wollen von ihrer Kultur her den Aufzug spüren. Die wollen spüren, dass die beschleunigt werden. Drum sind da tendenziell höhere Beschleunigungen üblich als in Asien."