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Fairer Handel
Das Gewissen kauft mit

Der Name verströmt das Achtzigerjahre-Aroma aus Nicaragua-Kaffee und Befreiungstheologie: Eine-Welt-Laden. Mit bitterer Brühe und kratzigen Ponchos lässt sich allerdings kein Geschäft mehr machen. Moderne Weltläden haben deshalb den Hipster mit Gerechtigkeitssinn im Blick.

Von Susanne Arlt |
    Ein "Fairtrade" Siegel ist in einem Lebensmittelladen an einer Tüte mit Kaffee zu sehen.
    Fair gehandelte Schokolade, Tee oder Kaffee gibt es heute auch in den Regalen der großen Lebensmittelläden und Discounter. (dpa / picture alliance / Bernd Weissbrod)
    "Strohsterne, die gab es hier, …gibt's nimmer, Renate? … Dieses Jahr nicht, nee haben wir nicht gehabt dieses Jahr…"
    Renate Neumann schüttelt den Kopf. Nicht jeden Kundenwunsch kann sie erfüllen. Dabei ist ihr Angebot ziemlich ungewöhnlich: Alpaka-Ponchos aus Bolivien, Filz-Nadelkissen und Schlüsselanhänger aus Nepal, Bastkörbe aus Tansania. Seit bald 40 Jahren betreibt sie den Eine-Welt-Laden im Glockenturm der Berliner Gedächtniskirche. Der Rundbau mit dem dicken Pfeiler in der Mitte verströmt den Charme der Dritte-Welt-Läden aus den 80ern. Nicht auf das Design, nur auf den Inhalt kommt es an. Die Wände sind grob verputzt. Die Regale reichen bis unter die Decke, vollgestopft mit Lebensmitteln, Schmuck, Spielzeug, Kunsthandwerk, Kleidung. Renate Neumann sagt:
    "Wir haben auch immer noch keine dolle Ausstattung, wir wollen gerne hier mal alles erneuern, aber wir haben obwohl wir hier von den 41 Jahren 39 Jahre drin sind, immer noch keinen Vertrag von der Kirche, wir sind geduldet. Und auf Duldung gibt uns die Bank keine Darlehen."
    "Die Leute haben damals mit mehr Bewusstsein gekauft"
    Trotzdem ist sie stolz auf den Weltladen, schließlich ist er einer der ältesten Deutschlands. Ihr Ehemann, ein Pfarrer, gründete ihn mit entwicklungspolitisch und kirchlich engagierten Freunden. Das Ziel: den fairen Handel unterstützen. Ausländischen Produzenten die Chance geben, ihre Waren zu angemessenen Preisen anzubieten. Damit sie sich langfristig eine wirtschaftliche Existenz aufbauen können - trotz Missernten. In den 70er- und 80er-Jahren ging es den Kunden vor allem noch um die gute Sache, erinnert sich Renate Neumann:
    "Ich muss sagen, die Leute haben damals mit mehr Bewusstsein gekauft. Die haben es extra gekauft, weil es fair war und weil sie was Gutes tun wollten, heutzutage achten sie doch noch mehr auf Qualität."
    Dass der Nicaragua-Kaffee anfangs noch wie eine bittere Brühe schmeckte - Nebensache, sagt Renate Neumann und macht eine wegwerfende Handbewegung. Erst im Laufe der Jahre habe man sich getraut, den Produzenten beim Design zum Beispiel Vorschriften zu machen.
    "Zum Beispiel haben wir Pullover aus Bolivien bekommen, die waren so schrecklich kratzig und hatten so kleine Ärmellöcher, dass kein Mensch reingepasst hat und da haben wir gesagt, das geht nicht. Wir haben die ganze Ware vorher bezahlt, und dann haben wir gesagt, nein, wir bezahlen nur noch die Hälfte vorher und wenn das wieder nicht in Ordnung ist, ziehen wir etwas ab."
    Etwa 800 Weltläden gibt es in Deutschland. Die Zeiten bitterer Kaffeebrühe sind längst vorbei. Fair gehandelte Schokolade, Tee oder Kaffee gibt es auch in den Regalen der großen Lebensmittelläden und Discounter.
    "Also fairer Handel kann man sagen, wenn man es positiv sieht, ist aus der Nische getreten und in der Gesellschaft angekommen. Es ist eine Erfolgsgeschichte, zu der die Weltläden ganz erheblich beigetragen haben, weil sie selbst als Pioniere des fairen Handels seit 40 Jahren dafür eintreten, dass fairer Handel aus der Nische kommt", sagt Nadine Berger, Mitarbeiterin beim Baobab Infoladen. Der Berliner Verein setzt sich für fairen Handel ein, steht Weltläden beratend zur Seite. Statt von Problemen, redet Nadine Berger lieber von Herausforderungen. Es gebe mehrere Gründe, warum Eine-Welt-Läden schließen müssten. Eine Herausforderung sei die Gentrifizierung, eine andere der Wandel des Ehrenamtes: "Damals war Ehrenamt zeitlich länger angelegt. Heutzutage ist es einfach so, dass Formen von aktuellem Ehrenamt kürzer und projektspezifischer sind, das heißt sie eigenen sich nicht mehr, zuverlässig einen Ladendienst abzudecken."
    Ein professioneller Auftritt gehört mittlerweile zum Weltladen dazu
    Wer heutzutage einen Weltladen eröffnet, muss modern denken. Das fange bei der Ladengestaltung an und ende mit dem Auftritt in sozialen Netzwerken. Kunden locke man nicht nur mit einem wechselnden Sortiment an, sondern auch mit Workshops und Info-Veranstaltungen rund um das Thema fairer Handel.
    Genau so ein Laden liegt in der Wörther Straße im hippen Bezirk Prenzlauer Berg. Im Schaufenster steht eine Deko-Puppe, ein grau-weiß gemusterter Poncho hängt von ihren Schultern, eine modische Leinen-Handtasche trägt sie am Arm. An der Tür hängt ein Schild: Unsere Produkte haben einen Migrationshintergrund. Der Laden ist schick eingerichtet mit Schmuck, Spielzeug, Kunsthandwerk und Lebensmitteln, aber nicht vollgestopft. Die Wände sind in einem cremigen Farbton verspachtelt, Halogenlampen verströmen ein angenehmes Licht.
    Geschäftsführerin Claudia Strauß sagt: "Ich kenne das alte westdeutsche Vorurteil und ich kenne auch noch den Nicaragua-Kaffee Marke Schleimhautablösung, habe ich selber getrunken, danach ne Magentablette, dann war gut (lacht). In vielen westdeutschen Gehirnen gibt es noch die Vorstellung, ein Weltladen, da sitzen ein paar Leute auf einem Sack Reis und freuen sich, wenn mal einer reinkommt. Das hat sich stark geändert. Wir haben einfach gemerkt, dass wir den Produzenten nur dann etwas Gutes tun, wenn wir ihre Ware auch gescheit verkaufen."
    Dazu gehöre natürlich auch ein professioneller Auftritt, sagt Claudia Strauß vom Weltladen "Zeichen der Zeit". Aber auch, dass man sich auf den Geschmack der Nachbarschaft einstellt. Alle Produkte seien handgemacht, das schätzten auch die vielen jungen Familien, die hier lebten und hip sein möchte, sagt Strauß.
    "Das bedeutet für uns, dass wir immer auch die neuesten Trends mitmachen müssen, die Gottseidank vom fairen Handel jetzt inzwischen auch gut bedient werden. Dass wir einen Newsletter haben, auf Facebook aktiv sind, um unsere Kunden anzusprechen, dass wir Events anbieten müssen, die jetzt nicht nur bildungspolitischen Inhalt haben müssen. Das müssen wir hier auch machen, um unsere Kundschaft nicht zu langweilen."
    Aber wie Renate Neumann macht auch Claudia Strauß den Job aus Überzeugung. Ihren Lebensunterhalt verdient sie damit nicht. Denn beiden Frauen geht es letztlich um eine gerechtere Welt.