"Eigentlich waren wir kurz davor, ins Trainingslager zu fliegen, nach Südafrika. Das war im März dann glaube ich. Dann plötzlich wurde uns gesagt: 'Nee, unsere Flüge wurden gecancelt, und jetzt wird alles dicht gemacht.'" So hat der Hochspringer Mateusz Przybylko den Beginn der Corona-Pandemie erlebt. Der Athlet steht momentan auf Platz zehn des Hochsprung-Weltrankings.
Während des ersten Lockdown 2020 blieben die Leichtathletikanlagen und Krafträume geschlossen, Przybylko trainiert unter freiem Himmel. Nach rund einem Monat konnte der Springer im letzten Jahr wieder auf die Anlage zurück.
Südafrikanischer Springer erlebt lange Durststrecke
In anderen Ländern war die Situation für Sportler und Sportlerinnen länger angespannt. Der südafrikanische Hochspringer Mpho Links konnte ab Frühling 2020 acht Monate lang über keine Latte springen. "Die Lage hat sich dramatisch verändert. Normalerweise gehen wir auf die Leichtathletik-Anlage und in den Kraftraum. Jetzt war die Anlage geschlossen und wir haben auf der Straße trainiert. Und die Oberfläche von Straße und Anlage ist sehr unterschiedlich."
Krafttraining hat nur im Park stattgefunden, gelaufen ist Links auf der Straße und gesprungen ist er nur in seinem Kopf, psychisch. Durch das mentale Training glaubt er genau so gut zu springen wie Sportler mit besseren Trainingsbedingungen, weil er immer wieder im Kopf seine Technik und Sprünge durchgegangen ist. Für Links könnte die Pandemie einige positive Spuren hinterlassen: "Normalerweise sind Fitnessstudios immer überfüllt und die Leichtathletik-Anlage auch. Jetzt darf nur noch eine begrenzte Anzahl Menschen ins Fitnessstudio und nur ein paar auf die Anlage."
Gerne wäre Links zu den Spielen nach Tokio gefahren, konnte sich aber nicht qualifizieren. Unter einem guten Konzept mit strengen Regeln könnte das Superevent auch während der Pandemie stattfinden, findet er. Eine Option wäre für ihn, alle Sportler zu impfen.
Impflicht für Olympia? - Nein danke
Der amerikanische Hochspringer Jeron Robinson lehnt eine Impfung als Voraussetzung für die Teilnahme in Tokyo ab. "Ich denke, jeder sollte seine eigenen Rechte haben. Ich glaube nicht, dass man jemanden zwingen sollte, dem Körper etwas zuzuführen."
Sowohl Przybylko aus Deutschland als auch Robinson aus den USA sind seit Beginn der Pandemie an Corona erkrankt. Ihnen fehlen nicht nur einige Wochen Training. Robinson erzählt, dass die Erkrankung ihn auch mental geschwächt hat. "Ich war müde. Wenn ich nur fünf Stufen hoch gegangen bin, war ich bereits sehr müde. Ich wusste an diesem Punkt nicht mehr, was da passiert. Mein Körper sagte auch: Ich weiß nicht, ob du wieder trainieren kannst."
Zurück im Training stand das Ziel für Robinson fest: die Olympiaqualifikation Ende Juni. Trotz großer Motivation und dem 11. Platz auf der Weltrangliste hat sich Robinson nicht in den USA für die Spiele qualifiziert, da drei andere US-Springer den Qualifikations-Standard übersprungen hatten.
Olympianorm von 2,33 Meter
2,33 Meter mussten die männlichen Hochspringer überqueren, um in Tokio springen zu dürfen. Zudem konnten sich Sportlerinnen und Sportler über die Weltrangliste qualifizieren. Auch in Köln wurde an der 2,33-Meter-Marke gearbeitet, unter der Leitung von Wolfgang Ritzdorf. Seit 15 Jahren leitet Ritzdorf das World High Jump Center an der Deutschen Sporthochschule Köln, wie seine internationale Trainingsgruppe heißt.
Eigentlich wollte der Trainer und Dozent im letzten Jahr in Rente gehen. Weil Ritzdorf seine beiden Hochspringer noch bis Tokio begleiten will, hat er die Rente verschoben. Rund zwei Monate konnte das Team im vergangenen Jahr nicht trainieren. Einen Vorteil hatte das Jahr, so ganz ohne Wettkämpfe, für den Trainer dennoch: "Bei dem Zeitdruck, unter dem man sonst immer ist, man hat nie die Zeit, mal Wehwehchen auszukurieren, man hat nie die Zeit noch mal grundsätzliche Basisarbeit, Grundlagenarbeit zu leisten."
Ungleiche Bedingungen für US-Sportler
Der US-Springer Robinson würde auch gerne die Vorteile am Training im letzten Jahr sehen, er kritisiert aber die ungleichen Bedingungen. Als Sportler, der nicht an einem College trainiert, seien seine Einschränkungen deutlich größer gewesen als bei anderen US-Springern. Olympische Spiele könnten in einer Pandemie so kaum fair sein. "Ich denke nicht, dass sie stattfinden sollten, weil einige Leute gar nicht so trainieren konnten, wie es notwendig ist. Manche mussten komplett aufhören und konnten nicht auf die Leichtathletik-Anlage. Ich denke, dass sie nicht stattfinden sollten."
Und könnten Spiele für den deutschen Springer Przybylko fair sein? "Nein, aber ich will jetzt auch keine Nation und auch keine Namen nennen. Aktuell ist es so, dass zum Beispiel beim Thema Doping viele sind, die das vielleicht jetzt ausnutzen werden, weil ja auch die Kontrollen jetzt nicht so wie sonst immer sind, dass die Kontrolleure einfach so vorbeikommen."
Wolfgang Ritzdorf sieht die Dopingkontrollen ebenfalls als großes Problem an, allerdings auch in normaleren Zeiten. "Auch da war es vorher nicht so, dass für alle gleiche Bedingungen herrschten."
Olympische Spiele in einer Pandemie können aus Sicht der Sportler also nicht fair sein. Dennoch wollten alle Athleten unbedingt nach Tokio fahren. Nach fünf Jahren Training wollten sie die Latte weit über zwei Metern überqueren, für einige Athleten ist der Traum von den fünf Ringen bereits in der Qualifikation geplatzt. Ein Grund hierfür könnten die ungleichen Bedingungen in der Vorbereitung sein.