Christoph Reimann: Josephine Foster, auf Ihrem neuen Album gibt es einen Song mit dem Namen "Sheperd Moon Of Starry Height". Der Schäfermond kommt aus der Astronomie und bezeichnet, vereinfacht gesagt, einen kleinen natürlichen Satelliten. Ihre Musik klingt eher nach Poesie statt Wissenschaft. Wie passt das zusammen?
Josephine Foster: Tatsächlich wusste ich gar nicht, dass es da im Kosmos Schäfermonde gibt, als ich den Song geschrieben habe.
Reimann: Was war der Schäfermond dann für Sie?
Foster: In dem Dorf in Spanien, in dem ich eine zeitlang gelebt habe, habe ich mich mit dem dortigen Schäfer angefreundet. Eines Nachts bin ich den Pfad entlang gewandert, den er sonst mit der Herde nimmt. Der Mond zog gerade auf. Und die kleinen Sterne um den Mond herum sahen für mich aus wie ein Schäfer inmitten seiner Tiere. Und so geht die poetische Intuition mit der Wissenschaft eine Verbindung ein. Manchmal läuft es auch andersrum: Dann ist es die Wissenschaft, die eine Verbindung mit der Poesie eingeht.
Herausforderung der Einreise in die USA
Reimann: Ich hatte überlegt, ob sich Josephine Foster textlich im Weltall bewegt auf diesem Album. In einem Song geht es ja auch um die Challenger, die Raumfähre.
Foster: Ja, das stimmt. Aber auch da stand am Anfang die Improvisation. Es gab da eine Zeit, in der mein Mann nicht in die USA einreisen konnte. Er wurde schon ein paar Mal beim Versuch abgewiesen. Daher singe ich: "Lass' es uns noch einmal versuchen." Er war sogar schon einmal im Flugzeug unterwegs und musste dann wieder zurück nach Europa.
Reimann: Wegen Trumps Einreisepolitik?
Foster: Es ist ein bisschen komplizierter. Es gibt da einige Sachen an unseren Grenzen, die verstören und die Leben der Leute zerstören. Auch uns hat das getroffen. Die Challenger in dem Songtext steht als Metapher für die Herausforderung der Einreise. Aber genauso für das Gefühl, seinem Schicksal erlegen zu sein.
Reimann: Sie sind also viel bodenständiger als ich dachte. Gibt es ein Thema, das sich durch die Platte "Faithful Fariy Harmony" zieht?
Foster: Es geht um Momente des Kämpfens, des Abrechnens, darum, die Hoffnung nicht zu verlieren. Die wiederkehrende Metapher des Fliegens, die von Raumfähren über Engel bis hin zu Feen reicht, nun, ich träume immer wieder vom Fliegen. Und mein leiblicher Vater war ein Pilot, dessen Maschine an den Rocky Mountains zerschellte, er kam dabei ums Leben. Das Verschwinden meines Vaters treibt mich seit meiner Kindheit um. Ich glaube, die Metapher des Fliegens steht daher auch für die Verbindung zu jemanden, der jetzt woanders ist.
"Ich erlebe Wörter als ästhetische Erfahrung"
Reimann: Das hätten Sie im Grunde auch schon früher behandeln können. Gab es einen bestimmten Vorfall, der die Songs jetzt zu diesem Zeitpunkt inspiriert hat?
Foster: Ja, wahrscheinlich zu viele, um sie alle aufzuzählen. Ich habe mich vor ein paar Jahren von meinem Ehemann getrennt, aber wir arbeiten immer noch zusammen. Er hat mir auch geholfen, dieses Album aufzunehmen, neben einigen anderen Musikern, die aus Nashville kamen. Es kann schon ans Eingemachte gehen, wenn man mit einem früheren Lebenspartner so eng zusammenarbeitet. Aber ich glaube, das Ergebnis ist es wert. Man kennt sich eben so gut. Das ist unersetzlich.
Reimann: Und manchmal führt ein bisschen Spannung eben auch zu besonders guten Songs.
Foster: Ja, da haben Sie recht.
Reimann: Sie verwenden alte und manchmal ausgefallene englische Wörter. Zum Beispiel heißt es in "Soothsayer Song": "Til dreams doth die." Hört sich fast nach Shakespeare an. In welcher Zeit leben Sie, und in welcher Zeit verorten Sie Ihre Songs?
Foster: Sie haben recht. Ich erlebe Wörter als ästhetische Erfahrung. Wörter haben oft etwas Musikalisches. Würde ich singen: "Dreams will die" oder "dreams do die", dann würde ich dabei etwas ganz anderes empfinden. Aber "Dreams doth die", das hört sich doch fast schon perkussiv an. Und es abstrahiert das Ganze, es verschiebt den Sinn. Für mich hat das nicht unbedingt etwas mit der Vergangenheit zu tun, vielmehr ist es auf gewisse Weise futuristisch. Und Shakespeare ist doch auch futuristisch: Er wird uns mit seinem Werk noch alle überleben. So gesehen steht er im Dialog mit der Zukunft. Für mich ist er also nicht altmodisch. Er wird länger bleiben als vieles andere, er, als einer der großen Denker.
Reimann: Manchmal gibt es auf dem Album ganz bewusst gesetzte, kleine Dissonanzen. Ab und zu hört man ein Rauschen, das unter einem Song liegt. Was ist das für Sie? Atmosphäre oder ein Nostalgiegefühl?
Foster: Wir haben auf Band aufgenommen. Ich mag das sehr gern, weil man dann nicht noch einmal neu ansetzen kann. Man muss schneller Entscheidungen treffen und sich mit der Imperfektion anfreunden. Vielleicht kommt das Rauschen, von dem Sie gesprochen haben, einfach vom analogen Band.
"Ich sehe mich nicht als Folksängerin"
Reimann: Sie haben früher auf Hochzeiten und Beerdigungen gesungen. Hilft Ihnen das heute beim Performen?
Foster: Auf jeden Fall. All meine Auftritte in der Kirche, die Hochachtung vor der Musik, wie die Leute Musik mit bestimmten Momenten in ihrem Leben verbinden, die Rituale des Lebens. Und ich habe auch das Gefühl, dass einige meiner Songs eigentlich Beerdigungslieder sind, Hochzeitslieder. Musik spielt eine große Rolle im ewigen Kreis des Lebens.
Reimann: Es gab eine Zeit, in der Sie Opernsängerin werden wollten. Jetzt stehen Sie eher der Folkmusik nahe. Spielt das Genre eine Rolle für Sie?
Foster: Ich hege immer noch Aspirationen, Opern zu singen. Als ich zur Musikschule ging, habe ich aber immer gegen die Regeln verstoßen: Ich habe den Text vergessen, schief gesungen … Und irgendwann dachte ich mir: Wenn du eigene Arien oder Kunstlieder singst, kann dir keiner vorhalten, irgendetwas falsch zu machen. Viele klassische Komponisten, darunter einige aus Deutschland, haben sich von Volksliedern inspirieren lassen. Daher stehen für mich auch Folkmusik und Klassik eng beieinander. Denken Sie mal an Brahms' Zigeunerlieder, diese Rhythmen, die modalen Skalen ... Ich liebe das. Und auch ich habe mich davon inspirieren lassen. Ich sehe mich nicht als Folksängerin. Ich bin einfach eine Sängerin, die ihr eigenes Ding durchzieht - inspiriert von allem, was ihr begegnet.
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