Auch wenn man sich die kompletten 18 Minuten des Interviews anschaut: Der Satz, der in Italien einen Shitstorm ausgelöst hat, fällt nicht. Roberto Saviano - Autor, Anti-Mafia-Aktivist und Salvini-Kritiker - soll gesagt haben, er helfe lieber Flüchtlingen als Erdbebenopfern in Italien. In die Welt gesetzt wurde das von einer gewissen Lara Pedroni auf Facebook - zehntausendfach geteilt und geglaubt. Dass das ein Fake ist, hat David Puente enttarnt. Einer der erfolgreichsten Debunker - also "Entlarver" des Landes. "Lara Pedroni ist ein gefakter Facebook-Account, mit gestohlenen Fotos eines englischen Models, für den extra eine Gruppe von Followern kreiert wurde, um 'Fake News' zu veröffentlichen über Politiker und Menschen des öffentlichen Lebens, die einigen anderen Politikern ein Dorn im Auge sind, vor allem der Rechten in Italien."
Saviano, der Matteo Salvini wiederholt als "Minister der Unterwelt" bezeichnet hat, ist nicht nur Lieblingsfeind des Lega-Chefs, sondern auch seiner vielen Unterstützer im Netz. Das mache es leichter, "Fake News" über ihn zu verbreiten, erklärt Puente. Menschen glauben gerne Dinge, die ihr Weltbild bestätigen. Und in diesem Fall seien die Trolle besonders clever vorgegangen, denn sie waren in vielen Facebook-Gruppen aktiv: der Fünf-Sterne-Bewegung, auf Salvini-Fan-Pages und auch in russischen Foren. "Die meisten Nutzer stoßen da inzwischen leider auf dem Handy drauf, das ist ein echtes Problem. Da lässt sich das schwerer verifizieren und zurückverfolgen. Das geht am Computer besser, mit etwas Zeit. Auf dem Handy teilt man schnell mit einem Klick und der Schaden ist da."
Viele Italiener erkennen "Fake News" nicht
Um "Fake News" zu entlarven, durchforstet Puente, der sein Geld als Grafikdesigner verdient, täglich stundenlang das italienischsprachige Internet. Auf seinem Blog und seiner Twitter-Seite sammelt er die erfundenen Geschichten - und kommt kaum noch hinterher, besonders seit dem Wahlkampf. "Es ist mehr geworden. Vor zwei, drei Jahren haben sie noch zu mir gesagt, dass das, was ich mache, dumm sei und unnütz. Mit der Zeit ist das Phänomen immer größer geworden, deformiert, wie eine Metastase, wie ein Krebsgeschwür."
Eine aktuelle Studie der Autoren Francesco Pira und Andrea Altinier bestätigt das. Sie sprechen von "alarmierenden Daten". "Fake News" würden "die öffentliche Meinung auf gefährliche Weise beeinflussen". Demnach sind 82 Prozent der Italiener nicht in der Lage, eine Falschmeldung zu erkennen - Print oder Online. Ob in den Sozialen Medien oder auf viel geklickten Seiten wie voxnews.info, wo jeden Tag Meldungen über vermeintlich kriminelle Ausländer oder Seenotretter kursieren. Auf denen der italienische Innenminister meist erstaunlich gut wegkommt und sich Politiker der italienischen Linken immer wieder Verleumdungskampagnen ausgesetzt sehen.
"Für einige Abgeordnete existiert kein Problem"
Und wohl keine trifft es so oft wie Laura Boldrini, Präsidentin des Abgeordnetenhauses: "Ich kann gar nicht mehr zählen, wie viele Lügengeschichten es über mich und meine Familie gegeben hat. Das kleine Spiel geht grad so: Alle diejenigen, die 'Fake News' über mich in die Welt setzen, haben eine politische Agenda. Sie spielen mit den Bürgern! Und sie benutzen dazu sogar meine Schwester, die schon seit Jahren tot ist."
Eine Erfahrung, die sie mit Blogger Puente teilt. Der musste für seine Aktionen schon einige Shitstorms einstecken. Nachdem er den Fake rund um Lara Pedrini aufgedeckt hat, wurde er besonders übel bedroht, sogar mit dem Tod. Er fordert, dass die Regierung sich stärker gegen Falschnachrichten engagiert. Aktionspläne, die hat es in der Vergangenheit gegeben. Sogar auf den Stundenplan italienischer Schüler hat es das Thema geschafft, um die Medienkompetenz schon früh zu stärken.
Doch Puente bezweifelt, dass Projekte wie diese eine Zukunft haben: "Im Moment mit der neuen Regierung weiß ich es nicht. Auch weil einige Abgeordnete erklärt haben, dass das Problem 'Fake News' nicht existiert. Das sind allerdings oft dieselben Abgeordneten, die ständig 'Fake News' rufen. Das ist ein kleiner Widerspruch."